Hamburger Firmen wollen mehr Ausbildungsplätze anbieten. Die Hansestadt ist bei den Jugendlichen als Ausbildungsort besonders beliebt.

Hamburg. Sie wollte aus Köln zurück nach Hamburg. Sie wollte Groß- und Außenhandelskauffrau werden und zum Herbst 2011 ihre Ausbildung beginnen. Alles ging für Malou Tamse, 22, in Erfüllung. Nach ihrem einzigen Bewerbungsgespräch begann die junge Frau, die nach dem Realschulabschluss und einem freiwilligen sozialen Jahr ihr Fachabitur mit der Note 1,6 bestanden hatte, eine Ausbildung beim weltweit agierenden Schaubengroßhändler Reyher. "Ich habe mich in der Schule und im Internet viel mit dem Beruf und damit befasst, wie man sich später weiterbilden kann", sagte sie über ihre erfolgreiche Bewerbung. "Wenn man hinter dem Beruf steht, den man machen will, kann man dies auch erreichen."

Die Chancen für junge Menschen zum Einsteig in die Arbeitswelt stehen derzeit so gut wie seit Jahren nicht. Seit Oktober haben bundesweit 208 000 Bewerber eine Stelle gefunden. Das sind acht Prozent mehr als noch im Vorjahr, hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) errechnet. In Hamburg wurden der Agentur im selben Zeitraum 8453 Stellen gemeldet, 22,1 Prozent mehr als noch 2011. Zwar profitiert die Hansestadt davon, dass sie auf auswärtige Bewerber "regelrecht wie ein Magnet wirkt", wie BA-Bundesvorstand Raimund Becker gestern anlässlich des "Tages des Ausbildungsplatzes" sagte.

Doch auch die Hamburger Jugend werde derzeit "sehr viel früher freundschaftlich belagert", sagte Peter Gorzkulla-Lüdemann, Bereichsleiter "Ausbildung" der Agentur in Hamburg. Um möglichst viele Stellen zu besetzen, suchen viele Firmen auch jetzt noch für den Ausbildungsbeginn 1. August/1. September. 4605 der bei der Arbeitsagentur gemeldeten Stellen sind derzeit noch frei . "Sie zu besetzen kann über die Wettbewerbsfähigkeit entscheiden", so Gorzkulla-Lüdemann.

+++ Hamburg: Zahl der Ausbildungsplätze steigt kräftig +++

+++ Ausbildungsberufe in Hamburg mit den meisten Angeboten +++

Sowohl die Handels- als auch die Handwerkskammer halten es derzeit für möglich, in diesem Jahr die Rekordzahlen für Ausbildungsverträge aus dem Jahr 2008 zu erreichen. Das wären im Bereich Handel rund 10 100 und im Handwerk gut 2700. "Nach einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) wollen 80 Prozent der 353 in Hamburg befragten Firmen die Zahl der Lehrstellen erhöhen oder zumindest beibehalten", sagte Fin Mohaupt, der Leiter Ausbildungsberatung der Handelskammer. Bei den Handwerkern lag die Zahl der Neuverträge Ende April im Vergleich zum Vorjahr mit 624 um zehn Prozent höher. "Wir könnten aber 3000 Lehrlinge einstellen, um das gesamte Potenzial auszunutzen und die Beschäftigten zu ersetzen, die künftig in den Ruhestand gehen", sagte Jörg Ungerer, Leiter Bildungspolitik der Handwerkskammer.

Allerdings blieben 2011 in beiden Kammern jeweils 400 Lehrstellen unbesetzt. Hintergründe dafür sind neben steigenden Anforderungen und mangelnder Qualifikation zu späte Bewerbungen sowie das Phänomen, dass sich mehr als 40 Prozent der Bewerber auf zehn Berufe konzentrieren. "Daher lohnt es sich, über ähnlich gelagerte Berufe nachzudenken", sagte Gorzkulla-Lüdemann. Immerhin werden in Hamburg 280 verschiedene angeboten.

"Der Markt kommt in Bewegung", zog Mohaupt das Fazit für die Handelskammer. Daher raten beide Kammern Jugendlichen, die sich für eine weiterführende Schule oder ein Studium interessieren, diese Entscheidung zu überdenken. "Zum einen entspricht ein Abschluss auf der Berufschule mit der Note ,Drei' und besser dem Realschulabschluss, zum anderen kann immer häufiger berufsbegleitend studiert werden", sagte Ungerer. Selbst bei fehlenden Schulkenntnissen sind Unternehmen bereit zu helfen. 66 Prozent und damit sechs Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr bieten jetzt Nachhilfe an, wie aus der DIHK-Umfrage hervorgeht. "Leistungsbereitschaft und gute Umgangsformen sind vielen wichtiger als die Noten", sagte Mohaupt.

Auch das Unternehmen Reyher, bei dem jeder vierte der 500 Mitarbeiter auch gelernt hat, erhöht 2012 die Zahl der Lehrstellen von 25 auf 27. "Wir haben jetzt 63 Lehrlinge, das ist ein Rekord", sagte Ausbildungsleiter Klaus-Dieter Schmidt. Probleme bei der Besetzung gab es bei 480 Bewerbungen für den Herbst nicht. Alle Stellen sind vergeben. "Wenn aber ein Nachzügler kommt, der gut ist", so Schmidt, "nehmen wir auch noch einen mehr."