Das Ausbildungsjahr hat bereits begonnen, trotzdem sind noch immer rund 2000 Ausbildungsplätze in Hamburg unbesetzt - ein Beispiel.

Hamburg. Michael Bätjer hat nicht gerade übermäßig hohe Ansprüche an seine Auszubildenden. "Sie sollten zuverlässig sein, über einen gewissen technischen Sachverstand verfügen und möglichst einen Führerschein haben", sagt der Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Dennoch sucht der Handwerksmeister bislang vergebens nach einem neuen Lehrling. Ein Kandidat mit Abitur, den Bätjer liebend gern einstellen würde, mag sich nicht entscheiden, weil er noch eine Reihe weiterer Angebote hat. Ein anderer Bewerber hat nach einem Praktikum kurzfristig abgesagt. "Und der Rest erfüllt nicht einmal die Minimalanforderungen", sagt Bätjer.

So wie dem 50 Jahre alten Handwerksmeister aus Iserbrook geht es derzeit vielen Unternehmern in der Hansestadt. Obwohl das Ausbildungsjahr eigentlich schon am 1. August begonnen hat, sind laut der Agentur für Arbeit noch immer rund 2000 Ausbildungsplätze in Hamburg unbesetzt. Allein die Online-Lehrstellenbörse der Handelskammer verzeichnet mit 335 offenen Stellen noch mehr als doppelt so viele freie Plätze wie im Vorjahr. Die Handwerkskammer hat noch 164 Lehrstellen für das aktuelle Ausbildungsjahr im Internet stehen.

"Die Lage ist für die Firmen deutlich schwieriger als in den Jahren zuvor", sagt Fin Mohaupt von der Handelskammer. "Aufgrund des Bewerbermangels gibt es derzeit sogar noch freie Ausbildungsplätze in begehrten Berufen wie Versicherungs- oder Groß- und Außenhandelskaufmann." Auch angehende Fachinformatiker würden aufgrund des Booms bei Computerfirmen dringend gesucht.

Den Grund für die ungewöhnliche Lage sieht Mohaupt vor allem in der demografischen Entwicklung. "Wir haben es mit immer weniger Schulabgängern zu tun", sagt der Ausbildungsexperte. Dies zeige sich zwar noch nicht so stark in Hamburg, wohl aber in den umliegenden Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. "Aus dem Umland sind in den vergangenen Jahren immer viele Lehrlinge nach Hamburg gekommen", so Mohaupt. "Die bleiben jetzt aus."

Auch die Hamburger Handwerkskammer verzeichnet deutlich weniger Bewerber aus den benachbarten Bundesländern. Daher gebe es nun auch für schwächere Schulabgänger aus der Hansestadt noch die Möglichkeit, eine Lehrstelle zu finden, sagt die stellvertretende Sprecherin der Kammer, Anemone Schlich. Neben Fachverkäuferinnen im Lebensmittelhandelwerk, Gebäudereinigern und Friseurinnen werden derzeit sogar noch Azubis für den sehr begehrten Beruf des Kraftfahrzeugmechatronikers gesucht.

Die Klage der Firmen über zu wenige geeignete Bewerber ist allerdings nur die eine Seite der Medaille. Tatsächlich stehen den 2000 offenen Lehrstellen derzeit auch noch immer rund 2000 Jugendliche gegenüber, die bislang keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. "Angebot und Nachfrage passen hier einfach nicht zusammen", sagt der Sprecher der Agentur für Arbeit, Knut Böhrnsen. Auf der einen Seite hätten viele Jugendliche unrealistische Vorstellungen über ihren Traumberuf. Auf der anderen Seite seien aber auch die Ansprüche der Unternehmen an die Bewerber in manchen Fällen zu hoch gegriffen.

Die Handwerkskammer rät ihren Mitgliedern, verstärkt für eine Ausbildung in den eigenen Betrieben zu werben. "Es reicht heute nicht mehr aus, ein solides Unternehmen zu führen und darauf zu warten, dass die Bewerber zu einem kommen", sagt Kammersprecherin Schlich.

Dass sich die Werbung für das eigene Handwerk auszahlen kann, zeigt das Beispiel des Biobäckers Thomas Effenberger. "Ich bin schon im vergangenen Jahr durch zahlreiche Schulklassen getingelt und habe von meinem Beruf erzählt", sagt der Meister, der in seinem Unternehmen auf besonders traditionelle Herstellungsmethoden Wert legt. Das Ergebnis: "Trotz unserer ungünstigen Arbeitszeiten konnte ich mich in diesem Jahr vor Bewerbern kaum retten", sagt Effenberger. "Von einem Mangel an Azubis spüre ich nichts."