Ein Gutachten aus der Behörde belegt, dass eine Umweltzone dringend nötig wäre. Hamburgs größtes Luft-Problem heißt Stickstoffdioxid.

Hamburg. Nur "drastische Eingriffe in den Straßenverkehr" können helfen, Hamburgs Luft gemäß den EU-Richtlinien sauberer zu bekommen. Das besagt das seit einem Jahr von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) unter Verschluss gehaltene Gutachten zur Einführung einer Umweltzone, das dem Abendblatt vorliegt. Citymaut, Parkplatzbewirtschaftung, Stadtbahn und vor allem die Einführung einer sogenannten Umweltzone wären laut Gutachten Schritte auf dem Weg zur Einhaltung der Stickstoffdioxid- und der Feinstaub-Werte. Das Problem: All diesen Projekten hat Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bisher eine Absage erteilt. Wie der Senat trotzdem die Vorgaben der EU erfüllen will, ist offen.

Dass Hamburgs Luft sauberer werden soll, ist nicht nur der Wunsch von Umweltschützern, sondern der klare gesetzliche Auftrag der EU-Kommission. In Brüssel und nicht an Elbe und Alster wird entschieden, wie viele Schadstoffe in der Hamburger Luft sein dürfen, wann Grenzwerte überschritten sind und in welchem Zeitraum Hamburg etwas dagegen zu unternehmen hat. Hamburgs größtes Luft-Problem heißt Stickstoffdioxid (NO2) - ein rotbraunes, giftiges, stechend chlorähnlich riechendes Gas, das als Spurengas in der Atmosphäre vorkommt, mit den höchsten Werten in Bodennähe.

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Die NO2-Werte in Hamburgs Luft liegen im Jahresdurchschnitt laut Messungen täglich mit 54 bis 71 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft weit über den Vorgaben der EU (40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresdurchschnitt). Damit verstößt Hamburg gegen EU-Recht - was zurzeit noch nicht geahndet wird. Viel wichtiger ist jedoch, dass diese Abgase der Gesundheit schaden. Auch das belegt der behördeninterne Schriftverkehr zur Umweltzone. Darin heißt es: "Vor allem die Atemwege sind betroffen. Da NO2 nur wenig wasserlöslich ist, gelangt das Reizgas auch in tiefere Bereiche des Atemtrakts. Bei deutlich höheren Konzentrationen, als sie in der Außenluft üblich sind, kann NO2 zu Atemwegssymptomen führen, den Gasaustausch in der Lunge behindern, entzündliche Reaktionen auslösen und Menschen anfälliger für Atemwegsinfekte machen." Kinder sind besonders gefährdet. Das giftige Gas wird in Hamburg vor allem vom Schiffsverkehr (12 400 Tonnen pro Jahr) und dem Kraftfahrzeugsverkehr (7022 Tonnen pro Jahr) verursacht. Während sich die Abgase im Hafen durch hohe Schornsteine und Wind relativ schnell verziehen, trifft das NO2 aus dem Straßenverkehr den Menschen direkt auf Augen- und Nasenhöhe. Hier setzt die Idee der Umweltzone an: Damit Autos mit hohem Schadstoffausstoß, wie etwa ältere Dieselfahrzeuge, die belebte Innenstadt verpesten, wird eine Zone eingerichtet, in die nur schadstoffarme Fahrzeuge fahren dürfen.

In Hamburg war stets das Gebiet innerhalb des Rings 2 im Gespräch. Die Abgaswerte der Fahrzeuge werden - je nach Schadstoffbilanz - mit grüner, gelber oder roter Plakette bewertet. Je nach Zonenregelung dürfen Fahrzeuge mit entsprechender Plakette in die Umweltzone einfahren - oder nicht.

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Bisher hat Hamburg mit anderen Maßnahmen wie der Förderung des Rad- oder Fußgängerverkehrs, der Elektromobilität oder Emissionsreduzierung bei Taxis versucht, die Schadstoffmenge in der Luft zu reduzieren. Doch maßgeblichen Einfluss auf die NO2-Werte hatte dies nicht. Auch eine Umweltzone alleine würde laut Gutachten nicht dazu führen, dass Hamburg die Grenzwerte einhält. Dennoch lautet das Fazit des Geheimpapiers: "Zusammenfassend kann die Umweltzone als Verkehrsbeschränkung für Kraftfahrzeuge als ein geeignetes Mittel betrachtet werden, um in Hamburg die Luftschadstoffbelastung durch Stickstoffdioxid und Feinstaub zu reduzieren [...]" Neben der Umweltzone könnte auch eine Citymaut für bessere Luft in Hamburg sorgen, ebenso NO2-Katalysatoren für die HVV-Busflotte, ein Lkw-Routenkonzept inklusive Durchfahrtsverbote sowie nur wenige Parkplätze in der Innenstadt.

Noch hat Hamburg eine Schonfrist: Bis zum 30. Juni kann die Stadt bei der EU eine Fristverlängerung für die Einhaltung der Grenzwerte beantragen. Bisher sind aber noch nicht einmal die erforderlichen Unterlagen nach Berlin geschickt worden. Selbst die Fachleute rechnen nicht mit einem Aufschub. Im Gutachten der BSU heißt es: "Es ist derzeit eher wahrscheinlich, dass auch Hamburg 2011 die Frist nicht verlängert bekommt und folglich gegen geltendes EU-Recht verstoßen wird." Der für eine Fristverlängerung von der EU vorausgesetzte Stickoxid-Wert von 60 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, wird gegenwärtig an drei von vier Verkehrsmessstationen überschritten. Wie eine künftige "Strafe" dafür aussehen könnte, ist noch unklar.

Hamburg ist aber verpflichtet, den "Zeitraum einer Überschreitung so kurz wie möglich" zu halten". Mehr noch: Hamburg muss einen Luftreinhalteplan erarbeiten, der aufzeigt, wie Hamburg künftig die Grenzwerte erreichen will. Ohne Umweltzone oder Citymaut droht ein solcher Luftreinhalteplan aber zur Luftnummer zu werden.