In einem Schreiben an Sozialsenator Dietrich Wersich fordert eine Interessensvertretung Nachbesserungen beim Ausbau der Tagespflege.

Hamburg. Ihrem offenen Brief an Sozialsenator Dietrich Wersich (CDU) hat der Vorstand des Vereins Hamburger Tagemütter- und -väter ein hübsches Bilderbuch beigelegt. "Er soll ja auch etwas Nettes bekommen", sagt Vereinschefin Annette Kotsobolos. Die Interessensvertretung spricht für etwa 300 Mitglieder und insgesamt rund 2000 Tagesmütter in Hamburg, die bei den Jugendämtern registriert sind. Wenig Freude dürfte Wersich jedoch mit dem Brief haben, denn darin kritisiert der Verein die Pläne des Senators zum Ausbau der Tagespflege ganz entschieden als unausgegoren.

"30 Prozent der vielen neuen Krippenplätze sollen bei Tagesmüttern entstehen. Aber so wie die Dinge geplant sind, gibt es wenige Neuerungen, die es für Frauen attraktiver machen, Tagesmutter zu werden", sagt Kotsobolos. Derzeit gibt es laut Sozialbehörde 5300 Tagespflegekinder (Stand 1. Januar 2010).

Die Behörde will vom Februar 2011 an Zusammenschlüsse von mindestens drei Tagesmüttern in sogenannten Großtagespflegestellen fördern - sie sollen eine erhöhte Sachkostenpauschale, also einen Mietzuschuss, bekommen. "Das ist einfach nicht gerecht und nicht nachvollziehbar. Wir fordern Mietzuschüsse für jede Tagespflegeperson, die externe Räume anmietet", sagt Kotsobolos. Hinter der Bevorzugung der großen Zusammenschlüsse vermutet der Verein Methode: "Das ist eine Art ,Billig-Krippe' für die Stadt Hamburg. Die Anforderungen sind viel geringer als die an eine Kindertagesstätte. Die Größe der Räume ist ungeregelt, Tagesmütter müssen keine Außenfläche nachweisen, weil sie auf öffentliche Spielplätze gehen oder in den eigenen Garten, sie müssen keine gewerblichen Lärmschutzvorschriften beachten, keine kindgerechten Sanitäranlagen installieren", heißt es. Die Behörde reiche damit einen Großteil der Verantwortung und Kosten an Tagesmütter weiter.

Bereits vom 15. Mai an müssen alle Eltern, deren Kinder mindestens 21 Stunden pro Woche bei der Tagesmutter betreut werden, 13 Euro Essensgeld bezahlen. "Das ist eine versteckte Gebührenerhöhung für die Eltern", sagt Anja Reinke, Schriftführerin des Vereins, "die Tagesmutter bekommt die 13 Euro nämlich nicht. Abgesehen davon entspricht die Essenspauschale 65 Cent pro Tag. Das reicht gerade für einen Apfel und ein Ei", sagt Reinke.

Um in Hamburg als Tagesmutter anerkannt zu werden, müssen die Bewerber für die Qualifizierungsstufe 1 mindestens 45 Stunden Fortbildung machen, für die Stufe 2 müssen sie 180 Unterrichtsstunden nachweisen. "Diese Qualifizierung machen die Tagesmütter komplett in ihrer Freizeit und bekommen dafür keinen Ausgleich", sagt Kotsobolos. Zudem würde sich Stufe 2 finanziell nicht unbedingt bezahlt machen. "Man überschreitet jetzt viel eher die Bemessungsobergrenze der Familienversicherung und muss sich selbst kranken- und rentenversichern", kritisiert Reinke. Die Erhöhung der Tagespflegesätze vom 1. Juli an um acht bis 12 Prozent (je nach Qualifikationsstufe) würde deshalb nicht unbedingt bei allen zu einem höheren Einkommen führen. Im Schnitt bekommen Tagesmütter pro Kind und Betreuungsstunde 2,50 Euro. "Das deutsche Jugendinstitut hat bereits 2003 ausgerechnet, dass der Stundenlohn bei 4,30 Euro liegen müsste, dann würde es sich rechnen", so Reinke.

Skeptisch betrachtet der Verein auch die angestrebte Professionalisierung durch eine dritte Qualifizierungsstufe, die eingeführt werden soll. "Tagespflegepersonen, die ihre Arbeit als Beruf ausüben möchten, sollen sich zu Erzieher/innen oder zu sozialpädagogischen Assistenten/innen weiterbilden. Dieses sind Berufe, die es schon gibt. Kindertagespflege ist somit weiterhin kein Beruf", kritisiert der Vereinsvorstand in dem Brief an Wersich.

Skepsis gibt es auch bezüglich der Absenkung des Betreuungsalters. Bisher dürfen Kinder bis zum Alter von 14 Jahren von Tagesmüttern betreut werden, künftig soll nach Ende der sechsten Klasse Schluss sein. "Der Senat kann doch nicht entscheiden, dass Kinder plötzlich ab zwölf Jahren keine Betreuung mehr brauchen", sagt Reinke. Einige positive Aspekte im Konzept des Senators sind die Tagesmütter bereit anzuerkennen: "Gut ist, dass die Räume der Tagesmutter künftig rauchfrei sein müssen, dass alle volljährigen Familienmitglieder ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen müssen und dass es eine Fortbildungsverpflichtung von 20 Stunden pro Jahr gibt. Für die kostenlosen Qualifizierungsangebote sind wir dankbar!"