Harburg/Ehestorf. Harburger Reitverein muss kräftig investieren. Vor allem Pferde und Ponys sollen profitieren. Welche Herausforderungen zu meistern sind.

„Idyllisch gelegen“ – so beschreibt der Harburger Reitverein (HRV) seine Reitanlage in den Harburger Bergen. Nicht zu viel versprochen: Schon bei der Anfahrt aus dem etwas höher gelegenen Ehestorf den Wiesenweg hinab schweift der Blick über Wiesen, Wälder und Felder. Bei der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 10 km/h, vorbei an Anbauflächen der Baumschule Lorenz von Ehren, träumt es sich leicht in den Sattel eines Pferdes oder Ponys: ein herrliches Areal zum Ausreiten.

Kurz vor der eigentlichen Reitanlage – die riesige Reithalle bereits in Sichtweite – bekommt der Besucher einen ersten Eindruck, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Das Auto muss sich durch beachtliche Schlaglöcher kämpfen. Auch das kleine Treppenhaus hinauf zum Casino hat die besten Jahren hinter sich, an einer anderen Stelle ist Putz von der Decke gebröckelt – Folgen eines Wasserschadens. Hier muss dringend etwas getan werden, das gilt auch für die angrenzenden Pferdeboxen.

Harburger Reitverein: Millionenprojekt dürfte passend zum Jubiläum starten

Etwas tun, etwas investieren: Das ist genau das, was der Vorstand des Harburger Reitvereins (HRV) vorhat. Die Überlegungen und erste Planungen laufen seit 2021. Die Bauarbeiten dürften gern im kommenden Jahr beginnen – 2025 wird der Harburger Reitverein nämlich 100 Jahre alt. Eine Sanierung ist in weiten Teilen der Immobilie nicht wirtschaftlich, teilweise gar nicht mehr möglich. Bei realistischer Betrachtung plant der Vorstand nicht weniger als einen Neubau. Anja Rösche, selbst HRV-Mitglied und von Beruf Architektin, schätzt die Investitionskosten auf 1,5 bis 2 Millionen Euro. „Netto“ fügt sie hinzu.

Ein Blick in die 80 mal 20 Meter große Reithalle, eine der größten in der Region.
Ein Blick in die 80 mal 20 Meter große Reithalle, eine der größten in der Region. © HA | Markus Steinbrück

Wie der Name nahelegt, wurde der Reitverein vor fast 100 Jahren in Harburg gegründet. 1974 erfolgte der Umzug von der Eißendorfer Straße auf das Erbbaupacht-Gelände in Ehestorf (Gemeinde Rosengarten). Im Gegenzug für die Freigabe des Harburger Grundstücks – ein Investor wollte dort ein Pflegeheim bauen – erhielt der HRV die Gebäude in Ehestorf, allerdings in recht einfacher Ausführung. Nach 50 Jahren ist der Sanierungsstau erheblich, die Reparaturkosten wachsen dem Verein über den Kopf. Weitere Aufgabe: Gestaltung und Größe der Pferdeboxen sollen an heutige Standards angepasst werden.

1925 an der Eißendorfer Straße gegründet – 1974 nach Ehestorf umgezogen

Mehrere Bereiche müssen dringend erneuert werden: Das Ethernit-Dach aus den 1970er-Jahren muss aufgrund der nicht mehr möglichen Reparatur auf 3000 Quadratmetern in Gänze ersetzt werden. Der Boden in den Boxen und der Stallgasse ist vor 50 Jahren gepflastert worden. Da er kein Fundament hat, ist er an einigen Stellen abgesackt. Auch bei Brandschutz und Elektroleitungen besteht Nachholbedarf, um aktuellen Richtlinien und Vorgaben zu entsprechen.

Ein Blick in die Boxengasse mit dem gepflasterten Boden.
Ein Blick in die Boxengasse mit dem gepflasterten Boden. © HA | Markus Steinbrück

Zudem geht es dem Harburger Reitverein um artgerechte Tierhaltung. Die 1974 gebaute Boxenanlage genießt Bestandsschutz. Allerdings entspricht weder die Größe von 3x3 Metern noch die Aufteilung in Innen- und Außenboxen heutigen Standards. Üblich sind mittlerweile 12 bis 13 Quadratmeter und Pferdeboxen mit Fenster, durch das Tageslicht einfällt.

Harburger Berge: So soll sich die Reitanlage nach dem Umbau präsentieren

„Die kostendeckende Vermietbarkeit des Altbestandes ist kaum noch gegeben“, sagt die 2. Vorsitzende Kristin Rohde. In einem ersten Schnitt hat der Reitverein den Zuschnitt der bislang 58 Boxen angepasst. Angeboten werden jetzt noch 42 Boxen mit Größen zwischen 12 und 15 Quadratmetern. Von den kleinen 9-m2-Boxen gibt es nur noch einen Restbestand.

So soll die Reitanlage des Harburger Reitvereins nach dem Umbau aussehen. Im Vordergrund zu erkennen ist die umgebaute Boxenanlage mit dem neuen Außenbereich.
So soll die Reitanlage des Harburger Reitvereins nach dem Umbau aussehen. Im Vordergrund zu erkennen ist die umgebaute Boxenanlage mit dem neuen Außenbereich. © HRV | Harburger Reitverein

„Da Dach und Boden ohnehin komplett erneuert werden müssen, ist ein neues Stallkonzept, das heutigen Standards entspricht, die sinnvollste Lösung“, ergänzt die Vereinsvorsitzende Michaela Jüsche-Bloch. In die Planungen eingebracht hat der Verein ein Mischkonzept aus Boxen und Aktivstall. Die Grundidee besteht darin, den tierischen Partnern viel Platz und Luft zu bieten und sie selbst entscheiden zu lassen, ob sie sich lieber unter dem Dach oder im Freien aufhalten möchten. Innenboxen wird es künftig nicht mehr geben.

Für die Pferde plant der Vorstand ein Mischkonzept aus Boxen und Aktivstall

Der Entwurf sieht überdachte Paddock-Boxen mit Größen von etwa 14 Quadratmetern vor. Vorgeschaltet ist eine etwa dreimal so große Terrasse, auf die das Pferd oder Pony jederzeit hinausgehen kann. Weil der Flächenbedarf weitaus größer ist, plant der Harburger Reitverein, auf der gegenüberliegenden Seite der Reithalle eine weitere Boxenanlage gleicher Art zu bauen, um in Summe wieder 52 Pferde beherbergen zu können.

Bei ihnen laufen die Fäden für die Sanierung zusammen (von links): Anja Rösche (Architektin), Michaela Jüsche-Bloch (1. Vorsitzende) und Kristin Rohde (2. Vorsitzende).
Bei ihnen laufen die Fäden für die Sanierung zusammen (von links): Anja Rösche (Architektin), Michaela Jüsche-Bloch (1. Vorsitzende) und Kristin Rohde (2. Vorsitzende). © HA | Markus Steinbrück

Bei der Sanierung der 80x20 Meter großen Reithalle wird nur das Grundgerüst stehen bleiben, das vorgeschaltete Gebäude wird kernsaniert. Hier geht es etwa um den Einbau einer Küche für die Gastronomie, um die barrierefreie Gestaltung der Sanitäranlagen, um die Beseitigung von Wasserschäden, um den Ausbau des Büros und um die Renovierung der drei Mitarbeiter-Wohnungen im Obergeschoss.

Landkreis Harburg sendet positive Signale auf die Bauvoranfrage

Als nächsten Schritt erwartet der Harburger Reitverein die Rückmeldung von zwei Stallbauern, die alle diese Wünsche in ihren Angeboten berücksichtigen sollen. Dann wird auch eine konkrete Investitionssumme im raum stehen. Der Reitverein hat sich mit der Unteren Naturschutzbehörde abgestimmt und eine Bauvoranfrage gestellt, die vom Landkreis Harburg positiv beschieden worden ist.

Das Hauptgebäude des Harburger Reitvereins von 1925 mit Casino, Büro, Toiletten und drei Mitarbeiter-Wohnungen im Obergeschoss.
Das Hauptgebäude des Harburger Reitvereins von 1925 mit Casino, Büro, Toiletten und drei Mitarbeiter-Wohnungen im Obergeschoss. © HA | Markus Steinbrück

Zu den Herausforderungen gehört der Umstand, dass der Harburger Reitverein Mitglied im Hamburger Sportbund (HSB) ist, das Vereinsgelände – die Erbbaupachtverträge laufen noch 47 Jahre – und die Immobilien allerdings in Niedersachsen liegen.

Hamburger Sportbund stellt 600.000 Euro in zwei Schritten in Aussicht

Zur Wahrheit gehört auch, dass die Finanzierung noch nicht steht. Bislang liegt zumindest eine Förderzusage des HSB über 600.000 Euro vor. Verteilt auf zwei Jahre, erhält der HRV jeweils die Hälfte als zinsloses Darlehen und als Zuschuss, der nicht zurückgezahlt werden muss.

„Mit dem Bezirksamt Harburg sind wir noch im Austausch“, sagt Michaela Jüsche-Bloch. Ein Zugriff auf Fördertöpfe der EU oder des Bundes, möglicherweise aus umgeschichteten Coronahilfen, sei nach jetzigem Kenntnisstand nicht möglich.

Dringend sanierungsbedürftig ist die 80 mal 20 Meter große Reithalle. Zu schaffen macht dem Verein vor allem das alte und undichte Ethernit-Dach.
Dringend sanierungsbedürftig ist die 80 mal 20 Meter große Reithalle. Zu schaffen macht dem Verein vor allem das alte und undichte Ethernit-Dach. © HA | Markus Steinbrück

Da der Harburger Reitverein aufgrund der immer weiter steigenden Reparaturkosten kaum über Eigenkapital verfügt, hofft der Vorstand, über Spenden und eine Crowdfunding-Aktion (www.betterplace.org) weitere Mittel einwerben zu können. Auch Eigenleistungen sollen die Baukosten reduzieren.

Pferdesportverein hat kaum Eigenkapital und muss Darlehen aufnehmen

Die offene Summe muss letztlich über eine Darlehensaufnahme realisiert werden. „Zinsen und Tilgung für das Darlehen sollten nicht höher ausfallen als der bisherige Aufwand für die Reparaturkosten“, sagt die Vorsitzende.

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Leichte Zweifel schwingen in ihren Worten mit. „Die Frage ist auch, als wie darlehenswürdig die Banken einen gemeinnützigen Verein einstufen“, sagt Michaela Jüsche-Bloch. „Unser klares Ziel ist, den Verein zu erhalten!“ Es wäre zu schade, wenn die idyllisch in den Harburger Bergen gelegene Reitanlage nicht mehr Heimat für Pferdesportler jeden Alters und ihre tierischen Partner sein könnte.

Das ist der Harburger Reitverein, das ist die Reitanlage in den Harburger Bergen:

Mit knapp 300 Mitgliedern ist der Harburger Reitverein einer der größten Reitvereine im Süden Hamburgs. Er besitzt sieben eigene Schulpferde. Zielgruppe ist das gesamte Spektrum vom Freizeitreiter bis zum ambitionierten Turnierreiter. Im Vordergrund stehen Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene, die sich kein eigenes Pferd leisten können. Standbeine sind der Pensions-Pferdebetrieb, der Reitschulbetrieb, der Voltigierbetrieb und das große Sommer-Reitturnier, das für den 19. bis 21. Juli 2024 geplant ist.

Die Reitanlage am Wiesenweg in Rosengarten-Ehestorf verfügt unter anderem über eine 80 x 20 Meter große Reithalle, eine kleinere Nur-Dach-Halle, einen 10.000 Quadratmeter großen Grasspringplatz, einen 2500 Quadratmeter großen Sandspringplatz, ein Dressurviereck und eine Galoppbahn. Von hier aus können Reiterinnen und Reiter direkt zu Ausritten in die Harburger Berge, die Fischbeker Heide oder den Regionalpark Rosengarten starten.