Kreis Harburg ist verstimmt, weil er nicht über die Fahrt durch sein Gebiet und den Halt des Atommüllzuges in Maschen informiert wurde.

Lüneburg/Winsen. Die elf Castoren mit hochradioaktivem Müll stehen seit Montagabend im Zwischenlager Gorleben . Dennoch ist der jüngste Castor-Transport ins Wendland damit nicht erledigt. Der fast 19-stündige Halt im Rangierbahnhof Maschen hat ein Nachspiel. Der Landkreis Harburg verlangt Aufklärung darüber, warum er nicht vorab über die Route des Castors informiert worden war. Zudem kritisieren Lüneburgs Bundestagsabgeordnete Johanna Voß (Die Linke) und die Landtagsabgeordnete Miriam Staudte (Grüne) aus Lüdersburg das Verhalten einiger Behörden während des Castor-Transportes als unverhältnismäßig.

Der Landkreis Harburg ist nach den Worten seines Sprechers Georg Krümpelmann verwundert, dass es im Vorfeld keine Informationen darüber gab, dass der Castor durch den Kreis rollt. "Wir haben erst über die Berufsfeuerwehr Hamburg davon erfahren, dass der Castor durch unser Gebiet fährt, als der Zug schon da war." Eine offizielle Information habe es nicht gegeben. Auch nicht auf Nachfrage beim Lagezentrum in Lüneburg. "Vielmehr wurde uns lapidar mitgeteilt, dass Kommunen ohnehin nicht über die Castor-Route unterrichtet werden", kritisiert der Kreissprecher. Das habe die Kreisspitze erstaunt. "Die vertraulichen Informationen sind bei uns sicher", sagt Krümpelmann. Und der Landkreis sei schließlich nicht irgendeine Kommune, sondern die zuständige Stelle für die Organisation des Rettungsdienstes. "Auch wenn das Lagezentrum nach eigenen Angaben keinen Bedarf am Rettungsdienst hatte, so wollen wir dennoch gewappnet sein. Schließlich wird gegen den Castor-Transport demonstriert und es kann somit immer etwas passieren."

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Für die Aufstockung des Rettungsdienstes benötige der Kreis jedoch ein paar Stunden Vorlauf. Zumal auch die Feuerwehren im Kreis nichts von der Castor-Durchfahrt, geschweige denn dem langen Halt in Maschen gewusst hätten, sagt Krümpelmann. "Wir wollen in den Informationsfluss eingebunden werden." Der Landkreis werde sich deshalb an den Polizeipräsidenten in Lüneburg wenden.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Rechtsstaatsprinzip seien beim Atommülltransport nach Gorleben verletzt worden, kritisiert die Bundestagsabgeordnete Voß. "Die fortwährende Kriminalisierung des Castor-Protestes ist nicht hinnehmbar und völlig inakzeptabel", sagt sie.

Ausschlaggebend für ihre Kritik ist, dass die Lüneburger Kletteraktivistin Cécile Lecomte am vergangenen Wochenende in Fulda bei einer friedlichen Protestaktion gegen den Castor-Transport festgenommen und in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt-Preungesheim für drei Tage in Ordnungshaft genommen wurde, so Voß. Sie moniert den Umgang der Behörden mit Lecomte. "Hier geht es nur darum, den Castor-Widerstand auszuspionieren und zu schwächen. Die Inhaftierung und die angewandten Maßnahmen, insbesondere die Einzelhaft, sind völlig unverhältnismäßig und entbehren jeder Rechtsgrundlage", so die Bundestagsabgeordnete. So sei Cécile Lecomte in ihrer Haft jeglicher Kontakt zur Außenwelt und sogar zu ihrem Anwalt verwehrt worden, sagt sie. "Ihr wurden alle persönlichen Gegenstände abgenommen, sogar Nachrichten und Kontaktdaten wurden aus ihrem Mobiltelefon kopiert." Besonders gravierend schätzt Voß den Vorgang ein, dass Lecomte die Einnahme lebenswichtiger Medikamente verwehrt worden seien.

Der Protest gegen den Castor-Transport war nach Ansicht der grünen Landtagsabgeordneten Miriam Staudte aus Lüdersburg ein Erfolg. "Die Bürger haben ein unübersehbares Zeichen gegen eine ignorante, verfehlte Endlager-Politik gesetzt", sagt sie. Das Wendland könne stolz sein auf seine Tradition des solidarischen Widerstandes. "Das ist in der Bundesrepublik einmalig. Hier wird Demokratie gelebt", so Staudte.

Der Polizeieinsatz während des Castor-Transportes war nach Ansicht Staudtes, die zusammen mit etlichen anderen Mitgliedern aus der Landtagsfraktion den Protest begleitete, nicht immer verhältnismäßig. "Der in Teilen überzogene sofortige Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken muss aufgearbeitet werden", fordert die Abgeordnete. Die über mehrere Stunden währende Gewahrsamnahme von Hunderten friedlicher Demonstranten auf einem Feld bei Harlingen bezeichnen die Grünen als rechtswidrig. Die grünen Abgeordneten distanzieren sich ausdrücklich von gewalttätigen Auseinandersetzungen, die von einzelnen kleinen Gruppen unter den Demonstranten ausgegangen seien. Staudte: "Das Wendland stand und steht für gewaltfreien, bunten und kreativen Widerstand." Das müsse künftig deutlicher kommuniziert werden. (abendblatt.de)