Ein Designergeschäft wie das von Karsten Gollnick würde man eher im Schanzenviertel, in Ottensen oder St. Pauli vermuten.

Veddel. Wenn überhaupt, dürften Menschen auf der Veddel so etwas zuletzt vor etwa 90 Jahren gesehen haben. Damals, als die Insel noch Amüsiermeile mit Varieté und Bars war. Ein nackter Po im Schaufenster fesselt heute die Blicke der Passanten. Als Handsiebdruck auf bunten Filztaschen. Formvollendet und kunstvoll stilisiert zu Pop-Art. Und wer sich die Nase am Schaufenster des neuen Ladens in der Veddeler Brückenstraße 132 platt drückt, entdeckt Designerlampen mit Lampenschirmen aus Kaffeedosen oder Teetassen.

Ein Designergeschäft wie das von Karsten Gollnick würde man eher im Schanzenviertel, in Ottensen oder St. Pauli vermuten. Keinesfalls aber auf der Veddel, dem Hafenquartier, in dem Menschen aus 30 Nationen meist aus einem Grund leben: die vergleichsweise günstigen Mieten. Ein Penny-Markt und einige Kioske bilden hier den gesamten Einzelhandel.

Allein deshalb ist Gollnick mit seinem Geschäft für die schönen Dinge ein Pionier: "Ich habe das einzige Geschäft auf der Veddel", sagt er, "mit Dingen, die kein Mensch braucht." Dieser Sonderstatus im Einzelhandel auf der Insel erklärt dann auch den scheinbar unprätentiösen Namen, den Gollnick seinem Geschäft gegeben hat, und der sich als genial entpuppt, weil er alles ausdrückt: "Mein Laden auf der Veddel".

Seit neun Jahren lebt Karsten Gollnick auf der Veddel, mit Blick aufs Wasser und die Wahrzeichen und Kirchtürme Hamburgs. "Schöner kann sich die Stadt nicht präsentieren, wie ich es durch mein Küchenfenster erlebe", sagt der 46-Jährige. Vor kurzem hat er seinen Laden mit Taschen, Wohn- und Alltagsaccessoires eröffnet, nur einen Katzensprung von seiner Wohnung entfernt. Der Designer hat den Anfang gemacht und hofft, dass andere Geschäfte auf die Veddel folgen. Die Insulaner sollen endlich wieder "um die Ecke" einkaufen können. Karsten Gollnick sieht sich als Einzelhandelspionier mit Vision, keinesfalls als Verrückter: "Ich bin nicht die Jeanne d'Arc von der Veddel, um den Stadtteil zu retten", betont er. Denn der Vorteil eines Ateliers hier ist einfache Mathematik: "In der Schanze stünde noch eine Eins vor meiner Miete."

Die bunten Filztaschen mit den Popo-Prints hat Karsten Gollnick zu seiner Marke "Sexy Bag" gemacht. Partnerin ist die Hamburgerin Meike Kohls. Sie ist für den sexy Part des Produktes verantwortlich und entwirft die erotischen Kunstmotive - niemals anstößig, immer mit einem kleinen Augenzwinkern.

Die Modeunikate, dazu zählt auch eine "Veddeltasche" aus Wachstuch in den Versionen vom Sportbeutel bis zum Shopper, vertreibt Karten Gollnick nun auf der Veddel, nicht auf St. Pauli. In der Nachbarschaft hat der Designer schon seinen Spitznamen weg. "Taschenmann" rufen ihn die Kinder.

Von der in der Designerszene beliebten nüchternen Reduziertheit ist in dem Laden auf der Veddel nichts zu sehen. Kupferne Wasserleitungen dienen als Gardinenstangen. Ein schmales Holzbett, in dem Karsten Gollnick als Kind schlief, und ein alter Küchenschrank seiner Eltern bilden die Deko für Taschen, Tassen und Schürzen. Die Ladeneinrichtung erinnert an eine Wohnung - eingerichtet von jemanden mit ausgeprägtem Gespür für Details.

Details bestimmen das Leben des Designers von der Veddel, ein Fan der Science-Fiction-Serie "Raumschiff Enterprise". Im Hauptberuf ist Karsten Gollnick Kostümbildner beim Fernsehen. Er bestimmt mit den Vorgaben des Drehbuches, was der Zuschauer über die Protagonisten im Film erfährt. Meist engagieren ihn die ARD und das ZDF.

Der Mann von der Veddel ist Spezialist für die beste Sendezeit, die sogenannte Primetime. Wenn bekannte Fernsehschauspieler wie Helmut Zierl oder Suzanne von Borsody via Bildschirm in Millionen deutsche Wohnzimmer kommen, hat nicht selten Karsten Gollnick ihnen das Outfit verpasst.

Wegen seines Ladens, den Gollnick "seine große Lust" nennt, hat sich der Kostümbildner eine Auszeit von der Filmerei genommen.

Wenn im Herbst die neuen Fernsehproduktionen beginnen, wird Karsten Gollnick einen Angestellten für seinen Laden beschäftigen. Filmschaffende sind nicht selten zwei bis drei Monate von zu Hause weg. Kehrt Karsten Gollnick von den Dreharbeiten zurück, freut er sich auf seine zwei Lieblingsplätze auf der Veddel: "Meine Wohnung und mein Laden."