Es soll härter durchgegriffen werden: Viele Passanten beschweren sich über Pöbeleien von Betrunkenen auf dem Harburger Rathausplatz.

Harburg. Die Polizei, ein Fahrraddieb, ein Betrüger und die Trinkerszene auf dem Harburger Rathausplatz: Eigentlich ist die Bundespolizei für Einsätze auf den Bahnhöfen zuständig. Doch kürzlich hatten es die Beamten mit Angehörigen der Alkoholkonsumenten zu tun, die sich Tag für Tag auf den Bänken vor dem Harburger Rathaus einfinden.

Ein 17 Jahre alter Stader, der mit der S-Bahn von Buxtehude aus nach Harburg unterwegs war, hatte die Beamten alarmiert. Er hatte gehört, wie vier Männer sich mit einem Fahrraddiebstahl brüsteten. "Wir haben daraufhin die Videoaufnahmen der Bahnsteigkameras am S-Bahnhof Harburg Rathaus ausgewertet. Deshalb konnten die Beamten den Personen folgen", sagt Bundespolizei-Sprecher Rüdiger Carstens. Die vier Männer, das gestohlene Mountainbike im Gepäck, zog es auf den Rathausplatz. Dort stellten die Beamten fest, dass einer der Männer, ein 47 Jahre alter Harburger, das Fahrrad am Buxtehuder Bahnhof gestohlen hatte. Dann überprüften die Polizisten auch gleich noch andere Personen und trafen auf einen 32 Jahren alten Heimfelder. Der Mann ist mehrfacher Betrüger und muss noch eine Haftstrafe verbüßen. "Einer Ladung zum Strafantritt hatte sich der Mann nicht gestellt", so Carstens. Der 32-Jährige wurde ins Gefängnis gebracht.

Ganz so harmlos, wie Politiker und Verwaltungsmitarbeiter die Trinker auf dem Rathausplatz darstellen wollen, geht es dort offenbar doch nicht zu.

Diese Erfahrung hatte vor knapp einem Jahr schon der SPD-Bezirksversammlungsabgeordnete Manfred Schulz gemacht. Während einer Veranstaltung auf dem Rathausplatz war er von einem der betrunkenen Männer angepöbelt und bedrängt worden. Eine Abendblatt-Leserin hatte sich zuvor in Rahmen einer Bezirksversammlungssitzung zu Wort gemeldet und sich über die unhaltbare Situation beschwert. "Ich habe Angst, dort vorbeizugehen. Es ist eine Schande für Harburg, dass diese Zustände geduldet werden", sagte sie.

Die Harburger Polizei hat "die Lage im Blick und zeigt dort Präsenz", sagt Polizeidirektor Günter Sellmann. Es sei nicht schön, dass sich Randständige dort treffen. Da allerdings von der Bezirksverwaltung auf dem Platz kein Alkoholverbot ausgesprochen wurde, könne die Polizei der Szene nicht weiter Einhalt gebieten.

Laut Beschluss der Bezirksversammlung soll dem Problem wie berichtet mit "aufsuchender Sozialarbeit" begegnet werden. Nun versuchen Mitarbeiter von "ZuArbeit", einige der vielfach alkoholabhängigen Harburger dazu zu motivieren, einen Job anzunehmen und bieten ihnen auch Unterstützung bei Behördengängen an. Das Projekt, finanziert mit EU-Geld, hat eine Laufzeit von einem Jahr. "Wenn es positive Wirkung zeigt, könnte ich mir vorstellen, es zu verlängern. Wenn nicht, werde ich hart durchgreifen", sagte Bezirksamtschef Torsten Meinberg während der Eröffnung des "ZuArbeit"-Büros an der Buxtehuder Straße.

"Wir haben Erfolge. Das ist sehr arbeitsintensiv. Wir wünschen uns mehr Personal", sagt Olaf Bohn von "ZuArbeit".

Ein Zwischenbericht, den das Team vorgelegt hat, soll allerdings etwas anderes belegen. "Ein erheblicher Teil dieser Menschen sperrt sich, nimmt schon Reißaus, wenn sich die Leute von ZuArbeit dem Platz nähern", sagt CDU-Kreischef Ralf Dieter Fischer. Andere seien schlichtweg nicht mehr in den Arbeitsmarkt vermittelbar. Außerdem prüfe die Verwaltung, ob sich "ZuArbeit" nicht näher zur Szene aufstellen solle, etwa in Räumlichkeiten im Verbindungstunnel zum Sand. Fischer scheut sich indes davor, sich für eine härtere Gangart einzusetzen. "Alkoholverbot und Platzverweise führen unter Umständen dazu, dass sich diese Personen in den Hauseingängen betrinken und dort Leute belästigen."

Da sind jedoch seine Parteikollegen vom CDU-Verband Harburg-Mitte ganz anderer Meinung. Bei Info-Treffen auf dem Schwarzenberg beklagen sich Bürger und CDU-Mitglieder regelmäßig bei CDU-Mitte-Chefin Helga Stöver über die Biertrinker, die Passanten belästigen, in die Grünanlagen urinieren und den Geschäftsleuten die Umsätze vermiesen. "Es ist ein schlimmes Dauerthema. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich dort auf dem Rathausplatz auch Kriminelle treffen. Es muss gehandelt werden", so Stöver.

Die SPD plädiert nach wie vor dafür, einen Trinkerraum nach Kieler Modell einzurichten. Da wurde in der Stadt ein Alkoholverbot ausgesprochen, gleichzeitig jedoch eine Anlaufstelle für Abhängige geschaffen. Dort können sie Alkohol konsumieren, erhalten allerdings Hilfe, wenn sie es wollen. "Das braucht Zeit. Vielleicht schaffen wir es, entsprechende Maßnahmen nach den Sommerferien auf den Weg zu bringen", sagt Jürgen Heimath, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksversammlung.

Geht es nach Verwaltungschef Torsten Meinberg, so reicht das Engagement von "ZuArbeit" völlig aus, um das Problem in Griff zu kriegen. "Ich könnte mir vorstellen, das Projekt zu verlängern, bin sehr positiv gestimmt", sagt er. Gründe dafür, ein Alkoholverbot auf dem Rathausplatz zu erlassen, sieht er nicht. "Ich gehe jeden Tag an diesen Leuten vorbei. Angst vor denen habe ich nicht."