Der Betreiber sucht einen neuen Standort. Das Becken am Nedderfeld ist veraltet und soll abgerissen werden. Eine Sanierung wäre zu teuer.

Hamburg. Alessandro geht in die erste Klasse und hat seine Badehose nach der letzten Schwimmstunde verloren. "Du, Herr Fiedler, wo ist die denn?", will er wissen. Das weiß Jerk Fiedler nicht. Doch Alessandro lässt nicht locker und stellt immer wieder dieselbe Frage, wie in einer Endlosschleife. Jerk Fiedler bleibt gelassen und geduldig. Das ist er eigentlich immer im Umgang mit den Kindern, die bei ihm schwimmen lernen.

Seit 40 Jahren gibt es die Schwimmschule Fiedler, seit 35 Jahren gehen Hamburger Kinder im Lehrschwimmbecken am Nedderfeld ins Wasser. Doch damit ist es bald vorbei. Das Gebäude soll abgerissen werden, weil eine Sanierung für den Eigentümer, die Stiftung Anscharhöhe, zu teuer ist. Ende September soll endgültig Schluss sein. Jerk Fiedler sucht jetzt ein neues Schwimmbecken. Betroffen sind auch Kitas, der Eimsbütteler Turnverband und die Moderne Schule Hamburg, die das Becken ebenfalls nutzen.

"Der Laden brummt. Ich bedauere sehr, dass wir schließen müssen", sagt Jerk Fiedler. Der 40-Jährige hat Anfang des Jahres die Geschäftsführung der Schwimmschule übernommen. Davor hat er 15 Jahre lang zusammen mit seinem Vater, Jürgen Fiedler, die Schule betrieben. Der Senior ist jetzt im Ruhestand. Tausende Hamburger Kinder haben schon bei den Fiedlers schwimmen gelernt.

+++ Sparen am falschen Ende +++

+++ Sympathiewelle +++

+++ Nur 30 Prozent der Viertklässler können schwimmen +++

So wie Daniela Brüser, 38, die sich vor 30 Jahren bei Fiedler senior an das Wasser gewöhnt hat. Nun gehen ihre Kinder Marleen, 6, und Léonel, 4, hier in den Unterricht. "Es ist so familiär hier: Ich war ein wasserscheues Kind, hatte panische Angst. Der alte Herr Fiedler hat mir die Angst genommen. Die Bindung war dann so eng - für ihn hätte ich fast alles gemacht", sagt Frau Brüser. Ihre Tochter Marleen sei hyperaktiv, in der Schule hätten die Lehrer Probleme mit ihr. "Aber Herr Fiedler kriegt das hin. Eine Schließung würde mir in der Seele wehtun. Die Schule ist eine Institution", sagt Frau Brüser.

Auch Anja Rausche-Schramm bringt ihre Kinder David, 6, und Ziva, 4, hierher zum Schwimmen. "Ich bin tottraurig. Die Schließung ist ein Desaster", sagt sie. Der Umgang mit den Kindern sei einfach toll. "Die Fiedlers haben einen guten Draht zu den Kindern." Alternativen seien schwer zu finden. Die Angebote bei Bäderland seien nicht so optimal. "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Schwimmlehrer dort häufig wechseln", sagt eine Mutter.

Doch der Abriss ist beschlossen: "Leider hat sich herausgestellt, dass die Schwimmhalle einen erheblichen Modernisierungsbedarf aufweist und energetisch vollkommen veraltet ist", sagt Günther Poppinga vom Vorstand der Stiftung Anscharhöhe.

Der Stiftung seien seit Jahren hohe jährliche Verluste im fünfstelligen Bereich durch den Unterhalt der Schwimmhalle entstanden. Ergebnis eines Gutachtens: "Es würden Sanierungskosten in Höhe von mindestens 1,5 Millionen Euro anfallen, um die Halle zu modernisieren und auch den derzeit viel zu hohen Energieverbrauch zu senken", sagt Poppinga. Zwar seien die nötigsten Instandhaltungen gemacht worden, aber inzwischen müsste laut Gutachten neu gebaut werden. Die Stiftung könne diese Kosten nicht übernehmen.

Der Abriss betrifft unter anderem die Kita Brödermannsweg. Katrin Geyer von der Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten: "Wassergewöhnung und erste Schwimmversuche sind wichtige Bestandteile der Bildungsarbeit und der Bewegungsförderung in den Kitas. In den großen Bädern ist das Problem, dass Kitas keine festen Wasserzeiten zustehen." Die kleineren Lehrschwimmbecken, häufig in der Nachbarschaft der Kitas gelegen, seien zudem zu Fuß erreichbar.

Genau wie die Kita Brödermannsweg muss sich auch die Moderne Schule Hamburg aus Groß Borstel nun nach einem anderen Becken umschauen. Deren Schulleiter Axel Beyer sagt: "Wir werden uns wohl einschränken müssen oder sogar ganz auf das Angebot verzichten müssen." Alle Erstklässler gehen das gesamte Schuljahr hindurch einmal in der Woche für eine Doppelstunde in das Lehrschwimmbecken am Nedderfeld. "Wir wollen, dass jedes Kind schwimmen lernt."

Vor dem Hintergrund, dass immer weniger Viertklässler überhaupt schwimmen können, sei jedes einzelne Schwimmbecken wichtig, sagt Martina Kaesbach, sportpolitische Sprecherin der FDP-Bürgerschaftsfraktion. "Die Schließung ist dramatisch. Der Grundstein für die Wassergewöhnung wird in den Kitas gelehrt, die brauchen jede Schwimmbahn."

Rentnerin Katharina Schreiter geht einmal in der Woche zur Wassergymnastik, die der Eimsbütteler Turnverein anbietet. Sie hat kein Verständnis dafür, dass sich die Stiftung nicht auf andere Lösungsmöglichkeiten für den Erhalt des Bads am Nedderfeld einlässt. "Man könnte die Sanierung Schritt für Schritt durchführen."

Auch die Gründung eines Freundeskreises könne doch eine Option sein. Ein Bürgerbegehren ist bereits gestartet. Am kommenden Montag um 10 Uhr will die Initiative vor dem Gemeindehaus der Stiftung Anscharhöhe gegen den Abriss demonstrieren.