DLRG zeigt sich besorgt. Viele Harburger Schülerinnen und Schüler gelten einer Studie zufolge als Nichtschwimmer. Soziale Unterschiede.

Harburg. Projekttage, Unterrichtskooperationen mit der Technischen Universität und Schachgruppen: Harburger Grundschulen werben mit vielfältigen Unterrichtsangeboten um neue Schüler. Und Schwimmen? "In Wilhelmsburg und Harburg haben wir mit etwa 22 Prozent die geringste Schwimmerquote Hamburgs. Es scheint so, als ob der Schwimmunterricht an den Schulen nicht sehr erfolgreich ist", sagt Heiko Mählmann, Präsident des Hamburger Landesverbands der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG).

Er beruft sich damit auf eine Senatsanfrage von Oktober 2010, die der damalige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Ties Rabe, heute Schulsenator, stellte. Rabe wollte herausfinden, wie es um die Schwimmfähigkeit von Harburger Jungen und Mädchen nach der vierten Klasse bestellt ist. Getestet wurden die Unterrichtsergebnisse aus dem Schuljahr 2009/ 2010. Schwimmen können laut Ergebnis der Anfrage diejenigen Schülerinnen und Schüler, die am Ende der Unterrichtseinheiten das Deutsche Jugendschwimmabzeichen in Bronze, früher Freischwimmer, erreicht hatten.

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"Wer diese Übungen - also ein Sprung vom Beckenrand und 200 Meter schwimmen in höchstens 15 Minuten, Sprung aus einem Meter Höhe, Tauchen in eine Tiefe von zwei Metern von der Wasseroberfläche mit Heraufholen eines Tauchringes oder Tellers sowie Kenntnis der Baderegeln - meistert, bewegt sich laut DLRG sicher im tiefen Wasser", sagt Mählmann.

Demnach gibt es in Harburg Grundschulen, in denen offenbar mehr als 90 Prozent der Viertklässler nicht schwimmen können. An der Schule Kapellenweg kann laut Erhebung kein Kind aus dieser Altersgruppe schwimmen, an der Ganztagsschule Maretstraße beträgt die Nichtschwimmerquote 98,1 Prozent und an der Dempwolffstraße waren es 98 Prozent. An den Schulen Alte Forst - 86,2 Prozent und Scheeßeler Kehre - 93,3 Prozent, sah es nicht wesentlich besser aus. Immerhin: An der Schule Weusthoffstraße können 46,8 Prozent der Jungen und Mädchen schwimmen - aber 53,2 Prozent haben es bislang nicht gelernt, sich sicher über Wasser zu halten.

Andreas Wiedemann, Leiter der Schule Alte Forst, ist überrascht von den Zahlen. "Ich weiß, dass im Durchschnitt etwa 80 Prozent unserer Schüler in Klasse vier schwimmen können. Dafür haben schon die Eltern gesorgt." Wer sich allerdings in den Schwimmkursen Abzeichen erschwimmt und gemäß den Kriterien des DLRG Schwimmer ist, weiß er nicht. "Darum kümmert sich die Bäderland Schwimmhallenbetreibergesellschaft, deren Schwimmmeister seit 2006 den Schwimmunterricht an Hamburger Schulen gestalten", sagt Wiedemann.

Laut Helga Kedenburg, Leiterin der Grundschule Scheeßeler Kehre, können diejenigen Schüler schwimmen, die das Seepferdchen-Abzeichen - 25 Meter schwimmen und Heraufholen eines Gegenstands aus schultertiefem Wasser - erreicht haben. "Das ist für uns die Grundqualifikation, darauf bauen andere Prüfungen auf. Die Vorgaben fürs Seepferdchen schaffen nur drei von 24 Kindern nicht. Bei uns können daher 93 Prozent der Sprösslinge schwimmen."

Nach Angaben der Grundschule Dempwolffstraße haben Kinder mit Migrationshintergrund Schwierigkeiten mit dem kühlen Nass. "Einige Jungen und Mädchen gehen als Nichtschwimmer an den Start - manche bleiben es vorerst leider auch", sagt Schulsekretärin Clarissa Niel. So gab es von 17 Viertklässlern, die Schwimmunterricht erhielten, elf Nichtschwimmer. Zwölf Jungen und Mädchen konnten am Ende schwimmen, fünf Kinder ausländischer Abstammung nicht, sagt Niel. Auch an der Dempwolffstraße gilt das Seepferdchen-Abzeichen als gute Grundlage, um sich halbwegs über Wasser zu halten.

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Ist Schwimmenkönnen also ein Definitionsproblem? Für DLRG-Chef Mählmann ist es vor allen Dingen eine Sicherheitsfrage. "Wir weisen Eltern ausdrücklich darauf hin, dass Kinder mit dem Erwerb des Seepferdchenabzeichens noch keine sicheren Schwimmer sind, sondern erst nach Erwerb des Deutschen Jugendschwimmabzeichens Bronze."

Was laut Anfrage von Rabe einem hohen Prozentsatz Harburger Kindern Schwierigkeiten macht, sei in anderen Stadtteilen wie Blankenese kein Problem. "Hier kommen die Schüler mit dem Freischwimmer nach Hause, weil die Eltern darauf achten. Familien dort sind eher in der Lage, privaten Schwimmunterricht, der oftmals bis zu 100 Euro kostet, zu bezahlen. Damit zeigt sich, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem sozialräumlichen Umfeld und der Schwimmfähigkeit von Kindern gibt", sagt Mählmann.

Schwimmen zu lernen sollte ein Grundrecht für Kinder sein, egal aus welchem Umfeld sie kommen, sagt der DLRG-Chef. Schulen könnten Förderkurse anbieten, und schon im Kita-Alter sollten Kinder auf Spiel und Spaß im Wasser vorbereitet werden.

Dafür müssten allerdings auch geeignete Hallen zur Verfügung stehen. "Deshalb ist es für die DLRG Harburg eine Katastrophe, wenn zu den Sommerferien der Übungsbetrieb im Hallenbad an der Dratelnstraße in Wilhelmsburg eingestellt und das Schwimmbad im Rahmen von Garten- und Bauausstellung abgerissen wird", sagt Mählmann. Wie berichtet, ist eine neue Halle geplant. Diese Einrichtung soll laut Bauausstellungsverantwortlicher allerdings erst zum April 2013 eröffnen. "Ursprünglich sollte die alte Schwimmstätte erst abgerissen werden, nachdem eine neue gebaut worden ist. Hier hat man keine Rücksicht auf den sozial schwachen Stadtteil genommen."

Auch Schulleiterin Helga Kedenburg ist nicht glücklich über den Abriss. Bislang hatten ihre Grundschüler im Midsommerland-Bad Unterricht, jetzt üben sie in der Wilhelmsburger Halle. "Hier sind die Bahnen länger. Die Kinder können deshalb dort ausdauernder schwimmen und werden sportlich stärker gefordert."