Hamburg. „Können wir aus Kinderkacke Humus machen?“, will das Unternehmen Goldeimer wissen. Hamburger Haushalte für Testphase gesucht.

Eltern, Großeltern und Erzieher wissen es: In ihren ersten Lebensjahren verursachen Kinder im Windelalter bergeweise Müll. Allein in Hamburg landen einer Senatsantwort zufolge pro Jahr rund 18.000 Tonnen Einwegwindeln im Abfall – mehr als vier Prozent der gesamten Restmüllmenge.

Das gemeinnützige Hamburger Unternehmen Goldeimer aus St. Pauli, das sich unter anderem durch den Verkauf von Toilettenpapier für ein nachhaltiges Sanitärsystem und mit der Schwesterorganisation Viva con Agua für den weltweiten Zugang zu Wasser, Sanitär und Hygiene einsetzt, will das mit dem Projekt „Windelwald“ ändern.

Kinder Hamburg: Für den Klimaschutz – Stadt fördert Projekt „Windelwald“

Im Rahmen des Pilotprojektes, das von der Stadt mit 100.000 Euro gefördert wird (Goldeimer selber investiert 30.000 Euro), sollen kompostierbare Windeleinlagen getestet und später als Humusdünger verwendet werden. Initiiert wurde es von Malte Schremmer, Gründer und Geschäftsführer von Goldeimer – und Vater einer zwei Monate alten Tochter.

„Unsere zentrale Fragestellung ist: Können wir aus Kinderkacke Kompost machen?“, so der 36-Jährige. Fest stehe, dass sich hier angesichts der anfallenden Windelmenge der Kreislaufgedanke lohne: Jedes einzelne der rund 25.000 Kinder, die pro Jahr in Hamburg zur Welt kämen, produziere geschätzt etwa 4000 Windeln. Dese würden nach einmaligem Gebrauch thermisch entsorgt, also verbrannt.

Herkömmliche Windeleinlagen werden auf Basis von Erdöl hergestellt

Herkömmliche Windeleinlagen enthalten einen auf Erdöl basierten und daher nicht recycelfähigen Saugkern, einen sogenannten Superabsorber. Der CO2-Fußabdruck dieser Wegwerfwindeln liegt einer Studie zufolge bei einem durchschnittlichen Wickelzeitraum von zweieinhalb Jahren bei rund 450 Kilogramm CO2-Äquivalenten.

„Der Großteil dieser Emissionen wird durch die Herstellung und die Entsorgung verursacht“, so Schremmer. Genau hier setzt das Projekt Windelwald von Goldeimer an. „Wir möchten zeigen, dass es möglich ist, kompostierbare Windeleinlagen zu produzieren“, sagt Schremmer. „Wenn das klappt, werden wir die im Pilotprojekt gewonnene Erde anschließend zur Pflanzung eines kleinen ,Hamburger Windelwalds’ verwenden.“

Kompostierbare Windeleinlagen bestehen aus Algenfasern und Cellulose

Entwickelt werden die Einlagen gemeinsam mit dem Berliner Start-up Vyld, das bereits Tampons aus nachhaltigen Rohstoffen wie Cellulose und Algenfasern herstellt. Produziert wird im August bei der Firma PelzGroup in Wahlstedt in Schleswig-Holstein, einem Hersteller herkömmlicher Körperhygieneartikel, der für das Projekt „Windelwald“ Produktionsanlagen zur Verfügung stellt.

Voraussichtlicher Projektstart ist im Oktober. Für die Umsetzung sucht Goldeimer rund 50 Hamburger Testhaushalte, die je ein Kind im Wickelalter haben. Sie werden für die zweiwöchige Testphase mit auslaufsicheren und waschbaren Überhosen aus Stoff sowie 100 Windeleinlagen beliefert. Außerdem bekommt jeder Haushalt zwei Windeltonnen mit einer speziellen Einstreu, die feuchtigkeits- und geruchsbindend ist.

Hamburger Unternehmen Goldeimer sucht 50 Haushalte für Testphase

Das gesamte Projekt sollte zunächst ein Jahr laufen, wurde aber verlängert. „Gut sieben Monate hat allein die Recherche der Projektpartner gedauert“, sagt Schremmer. Das Kompostieren sei in wenigen Wochen erledigt. Im März kommenden Jahres soll dann der „Windelwald“ gepflanzt werden: auf dem Dach der Villa Viva, einem neuen Hotel von Viva con Agua im Münzviertel, das im November eröffnen soll. Geplant sind 50 Bäume – für jedes Kind aus den Testhaushalten einen.

Neben der Herstellung der Prototypen sollen auch die Logistik und die Verwertung der gesammelten Windeln in einer von Goldeimer extra gebauten Kompostieranlage erprobt werden. Das Ziel sei es, herauszufinden, wie Windelmüll vermieden werden kann, und der Stadt dazu eine entsprechende Empfehlung zu geben.

Kinder Hamburg: Vision des Initiators ist eine Windeltonne

Schremmers Vision ist eine „Hamburger Windeltonne”, die Haushalten während der Wickelzeit zur Verfügung gestellt und – ähnlich wie Wertstoff- oder Papiertonne – regelmäßig abgeholt wird. Das Projekt werde sich nicht „von heute auf morgen“ umsetzen lassen, weiß der Initiator.

Aber es sei ein Versuch, klimapolitische Ziele mit elterlichen Interessen zu vereinen. „Wir sind überzeugt, dass Wegwerfwindeln keine Zukunft haben. Daher brauchen wir andere Lösungen, die einen Teil dazu beitragen, unsere Welt nachhaltig zu gestalten.“

Wer sich an dem Projekt beteiligen möchte, findet unter www.goldeimer.de alle Informationen.