Hamburg. Beschäftigte schildern, womit sie bei ihrer Arbeit zu kämpfen haben. Zoo-Chef Albrecht droht mit einstweiliger Verfügung.

Jetzt wird es ernst. Nachdem die Gewerkschaft IG BAU am späten Sonntagabend dazu aufgerufen hatte, hat im Tierpark Hagenbeck der lange angekündigte Streik begonnen. Am Montag legten bereits etliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für vier Stunden die Arbeit nieder – genau 16 Monate nach Übergabe der Tarifforderungen der Gewerkschaft an Geschäftsführer Dirk Albrecht.

Schon im vergangenen Jahr und am 1. Mai dieses Jahres hatte es bei Hagenbeck Warnstreiks gegeben. Der aktuelle Arbeitskampf ist der erste unbefristete Streik in Hamburgs Tierpark, der als einziger Großzoo Deutschlands in privater Hand ist. Dienstag wird der erste „reguläre unbefristete Erzwingungsstreik“ in dessen Geschichte dann fortgesetzt.

Tierpark Hagenbeck: Beschäftigte beginnen unbefristeten Streik

Laut Gewerkschaftsangaben hatten sich 87 Prozent der rund 85 gewerkschaftlich organisierten Belegschaftsmitglieder für einen Streik ausgesprochen. Die IG BAU will die Geschäftsleitung des Tierparks mit dem Arbeitskampf an den Verhandlungstisch zwingen, um über den Abschluss eines Haustarifvertrages zu verhandeln.

Etwa 20 Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen zeigten sich zum Streikauftakt vor dem Haupteingang des Hamburger Tierparks – neben Tierpflegern und Tierpflegerinnen war auch Kassenpersonal dabei. Ute Gockel etwa verkauft seit sieben Jahren Eintrittskarten. „Es geht einfach nicht mehr“, beantwortet die 62-Jährige die Frage, warum sie streikt.

Hagenbeck: Organisierte Mitarbeiterinnen beklagen ungerechte Behandlung

Die Arbeitsbelastung sei groß. Pausenzeiten würden abgezogen, auch wenn durchgehend gearbeitet worden sei. Neues Personal werde nicht eingestellt – oder springe schnell wieder ab. Darüber hinaus verdienten Kollegen bei gleicher Tätigkeit unterschiedlich viel. Und ihr selber sei gerade der vor langer Zeit bereits genehmigte Urlaub gestrichen worden. „Angeblich wegen des Streiks“, sagt die Kassiererin. Sie könne aber nicht ausschließen, dass ihre Gewerkschaftszugehörigkeit eine Rolle gespielt habe.

Tierpflegerin Lisa Voß arbeitet seit 19 Jahren bei Hagenbeck – und musste den Wechsel von Vollzeit auf Teilzeit juristisch durchsetzen.
Tierpflegerin Lisa Voß arbeitet seit 19 Jahren bei Hagenbeck – und musste den Wechsel von Vollzeit auf Teilzeit juristisch durchsetzen. © Marcelo Hernandez

Tierpflegerin Lisa Voß ist sich sicher, dass ihre Betriebsratzughörigkeit mit ein Grund war, dass ihr Antrag auf Teilzeitbeschäftigung zunächst nicht genehmigt wurde. „Aus persönlichen Gründen wollte ich das Revier wechseln und nur noch 75 Prozent arbeiten“, berichtet die 35-Jährige, die seit 19 Jahren bei Hagenbeck tätig ist.

Tierpark Hamburg: Hagenbeck soll trotz Streiks geöffnet bleiben

Der Antrag sei zunächst abgelehnt worden. Dagegen habe sie geklagt; eine längere juristische Auseinandersetzung endete mit einem Vergleich – und für sie mit einem Kompromiss. Statt wie beabsichtigt ab 1. November 2022 kann sie erst seit dem 1. Juni mit reduzierter Stundenzahl arbeiten.

„Anträge von Kollegen, die nicht im Betriebsrat sind, wurden sofort genehmigt“, sagt sie frustriert. „Und dann heißt es immer, wir sollen das nicht persönlich nehmen.“

Tierpark-Chef Albrecht weist zurück, dass Beschäftigte wegen einer Betriebsratszugehörigkeit benachteiligt würden – und ob jemand in der Gewerkschaft wäre, sei der Geschäftsführung gar nicht bekannt.

Gewerkschaft IG BAU: Betreuung der Tiere ist sichergestellt

Trotz des Streiks bleibe der Zoo für Besucher geöffnet. Tierpark und Tropen-Aquarium seien geöffnet, „und unsere Tiere sind weiterhin zu sehen“, heißt es auf der Webseite des Tierparks. Geschäftsführer Albrecht betonte, der Tierparkbetrieb gehe für die Besucher zwischen 9 und 18 Uhr unverändert weiter. Lediglich die Kassen schlössen für die Streikdauer um 16 Uhr – und damit eine Stunde früher als sonst.

Natürlich würden sie dafür sorgen, dass die Tiere trotz Streiks optimal versorgt würden, betonen Betriebsratschef Thomas Günther und Gewerkschaftssekretär Pascal Lechner. Am Dienstag würden alle in der Tierpflege Beschäftigten daher bis 9.30 Uhr bleiben und die Versorgung der Tiere vorbereiten. Danach würden alle, die abkömmlich wären, zum Gewerkschaftshaus in der Jungestraße nahe dem Berliner Tor kommen.

Streik Hagenbeck: Notbesetzung übernimmt die Versorgung der Tiere

Im Elefantenhaus etwa sollen nach Lechners Angaben während des Streiks drei Pflegekräfte und ein Helfer anwesend sein, im Eismeer zwei und Tropen-Aquarium drei Beschäftigte. Auch der Handwerkerbereich werde mit zwei Personen besetzt bleiben, so der Gewerkschaftssekretär. „Sollte es darüber hinaus Bedarf geben, kann sich der Arbeitgeber an uns wenden. Dann finden wir eine Lösung.“

Den Streik beenden könne nur ein ernsthaftes Angebot der Arbeitgeberseite, so Lechner. Dass Albrecht das Veterinäramt eingeschaltet und eine Streikbrecherprämie angekündigt hat, bezeichnet er als „Verrenkungen“, die „nicht notwendig“ gewesen wären.

Hamburger Tierpark-Chef lehnt Verhandlungen mit Gewerkschaft ab

In einem Forderungskatalog des IG BAU sind elf Punkte aufgelistet, darunter Rechtssicherheit für die Beschäftigten, Verbesserungen bei Arbeitszeiten, Urlaubsregelungen, Sonderzahlungen und Krankengeld-Zuschüsse. Tierpark-Chef Albrecht lehnte eine Verhandlung mit der Gewerkschaft bislang ab und betonte, er wolle „ausschließlich mit dem zuständigen Betriebsrat über eine neue Betriebsvereinbarung für alle Mitarbeiter verhandeln“.

Gespräche darüber seien vor mehr als einem Jahr angeboten worden, doch der Betriebsrat blocke, „um die Gewerkschaft in die gemeinnützige Tierpark GmbH mit hineinzuzwingen“. Dabei könnten alle Forderungen der Gewerkschaft auch in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.

Albrecht: Hagenbeck benötigt jährliche Überschüsse für Gehege

Darüber hinaus seien die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bereits durch eine gültige Betriebsvereinbarung aus 2010 „bestens rechtlich geschützt und versorgt“. Es gehe der Gewerkschaft lediglich um singuläre Verbesserungen.

„Die gibt es immer und kann man auch immer fordern, die Grenzen sind aber die wirtschaftlichen Möglichkeiten eines gemeinnützigen Tierparks, der keine staatlichen Zuschüsse bekommt und der mögliche jährliche Überschüsse für die Sanierung und den Neubau seiner Gehege benötigt.“

SPD und Die Linke solidarisieren sich mit Hagenbeck-Beschäftigten

Der in den Hagenbeck-Streik eingebundene Arbeitsrechtler Andreas Kilian hält das für nicht durchführbar. „Arbeitszeit, Urlaub und Bezahlung kann ein Betriebsrat nur kollektiv erbetteln.“ Rechtssicher durchsetzen könne diese Beteiligungsrechte nur die Gewerkschaft.

Darauf verwies auch Jan Rübke von den Linken, der während der Auftaktveranstaltung anwesend war. „Laut Betriebsverfassungsgesetz können Lohn- und Gehaltshöhe nicht mit dem Betriebsrat verhandelt werden“, so der Landesvorstand der Linken, der seit 50 Jahren Gewerkschaftsmitglied ist.

Richter sollen im Eilverfahren über Streik in der Tierpflege urteilen

Und auch Jan Koltze, Sprecher für Arbeit und Gewerkschaften in der SPD-Fraktion Hamburg, sagt: „Die Geschäftsleitung des Tierparks muss endlich zu den demokratischen Spielregeln der sozialen Marktwirtschaft zurückfinden.“ Die „gewerkschaftsfeindliche Haltung“ der Geschäftsführung sei „nicht hinnehmbar und einem so bekannten und beliebten Unternehmen wie Hagenbeck nicht würdig.“

Dirk Albrecht selber will sich derzeit öffentlich nicht näher zu dem Streik äußern. Doch er werde – je nach Verlauf des Streiks – noch diese Woche eine einstweilige Verfügung gegen die Gewerkschaft beantragen lassen. „Ein Richter soll im Eilverfahren klären, ob ein Streik der Tierpfleger erhebliche negative Folgen für das Wohl unserer exotischen Tiere hat oder nicht“, sagt er.

Hagenbeck-Direktor Albrecht sieht Notfallplan kritisch

Er hoffe aber, dass nicht alle Mitarbeiter, die für den Arbeitskampf gestimmt haben, auch wirklich daran teilnähmen. Und fordert erneut den „allein zuständigen Betriebsrat“ auf, endlich mit der Geschäftsleitung Verhandlungen über eine „neue optimierte Betriebsvereinbarung“ aufzunehmen. „Damit wären wir in wenigen Wochen durch.“

Den von der Gewerkschaft erstellten Notfallplan sieht er kritisch. „Jedes unserer Tiere bedarf einer individuellen Pflege. Die Betreuung von Elefanten, Orang-Utans, Walrossen und Bisons kann niemand übernehmen, der darin nicht geschult wurde.“