Stadt beendet Pachtverträge, weil sie Ausgleichsflächen für Autobahnausbau braucht. Landwirte versorgen Hagenbeck seit 60 Jahren mit Futterrüben.

Hamburg. In dem alten Kuhstall stapeln sich Getränkekisten und allerlei Krimskrams, im ehemaligen Pferdestall nebenan laden ein Tresen und eine Couchgarnitur zum Verweilen ein. Im historischen Bauernhof von Christoph Ramcke, 39, an der Eidelstedter Reichsbahnstraße werden schon seit rund 30 Jahren keine Milchkühe mehr gehalten. Nun wurden dem Hofbauern auch seine Ackerflächen in der Eidelstedter Feldmark gekündigt. Nach 40 Jahren hat die Stadt den Pachtvertrag zum 31.Dezember 2014 beendet. Per Einschreiben.

Der Grund für die Kündigung: Die Stadt braucht die Grundstücke „für den Ausbau der BAB A7 und/oder als Ausgleichsfläche“. So steht es in dem Schreiben der Sprinkenhof AG an Christoph Ramcke, der den Hof in siebter Generation betreibt. Auch dem zweiten noch verbliebenen Bauern in Eidelstedt, Hans-Joachim Krohn, sind bereits Grünlandflächen für den Autobahnausbau gekündigt worden. „Die anwesenden Bürger sind empört über die unsinnige Schädigung der letzten zwei Bauern in Eidelstedt“, heißt es im Bürgerforum Eidelstedt. Zur Unterstützung der Höfe hat das Forum jetzt eine Interessengruppe gebildet.

Die Beendigung der Pachtverträge durch die Stadt ist zwar rechtens, da die Verträge nur immer jeweils für ein Jahr verlängert worden sind. Aber Christoph Ramcke stört sich an der Art der Kündigung nach so vielen Jahrzehnten. „In Hamburg sagt man dazu wohl, das gehört sich nicht.“ Gerne hätte er mit den Entscheidern gemeinsam überlegt, ob es Alternativen gibt. Oder auch darüber gesprochen, welche Konsequenzen der Verlust des Ackerlandes hat.

Seit mehr als 60 Jahren nämlich wachsen auf Ramckes Äckern die Futterrüben für Hagenbecks Tierpark. „Wir beliefern Hagenbeck exklusiv, das ist natürlich auch aufgrund der unmittelbaren Nähe regional und ökologisch sehr sinnvoll“, sagt Ramcke. Rund 40 Anhängerladungen sind das mindestens pro Jahr, also bis zu 3000 Zentner Rüben.

Für den Tierpark stellt sich jetzt die Frage, woher er in Zukunft seine Futterrüben beziehen soll. Seit 1802 gibt es den Bauernhof Ramcke. Das Kopfsteinpflaster vor dem heutigen Hofcafé an der Reichsbahnstraße ist aus dem Jahre 1878. Das Haupthaus entstand 1906.

In den 20er-Jahren verkaufte Wilhelm Johann Ramcke das jetzige HSV-Gelände im Volkspark an die Stadt Altona. „Wenn ich auf der Tribüne sitze und die Spiele sehe, denke ich manchmal, dass der Boden ziemlich unfruchtbar gewesen sein muss“, sagt HSV-Fan Christoph Ramcke und schmunzelt. Einst gab es mehr als 20 Bauernhöfe in Eidelstedt. Nun sind die letzten beiden landwirtschaftlichen Betriebe in arger Bedrängnis.

Christoph Ramcke hat längst reagiert. Der Hamburger ist promovierter Sportwissenschaftler und hat sich mit einer Firma für Gesundheitsförderung und Events selbstständig gemacht. Außerdem veranstaltet er in dem aufwendig restaurierten und denkmalgeschützten Hofcafé Geburtstage und Betriebsfeiern, Lesungen und Seminare. Man kann die historischen Räume für Ausstellungen und Fotoshootings, als Filmkulisse oder für Whiskey-Abende mieten.

Es geht Christoph Ramcke bei dem drohenden Verlust der Ackerflächen weniger um die finanzielle Existenz als vielmehr um die Tradition. „Denn Tradition kann man sich nicht kaufen“, sagt er. Seine Familie hat schon sehr viele Angebote abgelehnt, auch das 4000 Quadratmeter große Grundstück an der Reichsbahnstraße zu verkaufen.

Dort befindet sich im Grunde auch das historische Zentrum des Stadtteils. Die Elisabethkirche an der Eidelstedter Dorfstraße ist nicht weit entfernt, früher gab es in direkter Nachbarschaft zum Bauernhof auch die Post und die Polizeistation. „Es geht auch um die Frage, wohin sich Eidelstedt entwickeln soll“, sagt Ramcke. Der Eventmanager engagiert sich auch deshalb im Bürgerforum, weil er wissen will, ob die Eidelstedter überhaupt kleinwirtschaftliche Landwirtschaft in ihrem Stadtteil haben wollen. Weniger Gärten, mehr Wohnungen – das ist die Frage. Denn mit der im kommenden Jahr anstehenden Umwandlung der Acker- in Ausgleichsflächen sind auch die beliebten Saisongärten in der Eidelstedter Feldmark gefährdet. Rund 200 Hobby-Gärtner haben sich mittlerweile bei Hofbauer Ramcke ein Stück Ackerland gemietet, um dort Gemüse, Blumen oder Kräuter zu pflanzen. Die Parzellen sind 40 oder 80 Quadratmeter groß, die kleineren gibt es für 99 Euro pro Jahr. „Die Menschen wollen vor allem gesundes Gemüse anbauen. Sie wollen wissen, woher ihr Essen kommt und lieben die Arbeit an der frischen Luft“, nennt Ramcke die Hauptgründe für die ständig wachsende Gemeinde der Saisongärtner.

Von den Bezirkspolitikern sämtlicher Parteien hat Christoph Ramcke bisher Unterstützung erfahren. Nur die Absender der Kündigung haben sich nicht gemeldet. Am Montag aber gab es immerhin einen Ortstermin mit Bürgerschaftsabgeordneten der regierenden SPD. Sie haben zusagt, vermitteln zu wollen. Vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung – für die Saisongärtner und die Elefanten bei Hagenbeck. Auf frisches Gemüse aus Eidelstedt.