Reinbek. Der 37-jährige Reinbeker über die Faszination der Australian Open, seine Schützlinge, sein Spiel gegen Roger Federer und sein Handicap.

Fit sieht er aus. Als Julian Reister federnden Schrittes das Vereinsheim des Wentorf-Reinbeker Golf-Clubs betritt, wirkt der 37-Jährige frühere Tennisprofi so, als könne er es noch jederzeit mit den Weltbesten aufnehmen, die sich gerade bei Australian Open in Melbourne die Bälle um die Ohren hauen. Doch diese Zeiten sind vorbei.

Vor gut sieben Jahren hat er seine aktive Karriere beendet. Frustriert, erschöpft, entnervt. „Als ich es mit 24 Jahren zum ersten Mal in die Top 100 geschafft hatte, habe ich mir die Plantarsehne gerissen“, erinnert er sich. Die Sehnenplatte auf der Fußunterseite stabilisiert das ganze Fußgewölbe. „Ein Dreivierteljahr hat das gedauert“, schildert Reister. „Alles, was ich mir über Jahre aufgebaut hatte, war dahin.“ Nach zahllosen Comeback-Versuchen warf er hin.

Australian Open: Warum Ex-Tennisprofi Julian Reister heute lieber Golf spielt

Der Tennissport ist sein Beruf geblieben. Als Verbandstrainer von Schleswig-Holstein kümmert sich Reister heute um einige der Top-Talente des Nordens. Seine langjährige Erfahrung auf der Tour ist gefragt. Doch privat schwingt der in Hamburg geborene und in Reinbek aufgewachsene Modellathlet heute lieber den Golfschläger als das Tennisracket.

Julian Reister, ehemaliger Tennisprofi aus Reinbek, Verbandstrainer von Schleswig-Holstein und passionierter Golfspieler auf dem verschneiten Grün des Wentorf-Reinbeker Golf-Clubs.
Julian Reister, ehemaliger Tennisprofi aus Reinbek, Verbandstrainer von Schleswig-Holstein und passionierter Golfspieler auf dem verschneiten Grün des Wentorf-Reinbeker Golf-Clubs. © Volker Gast | Volker Gast

Doch auch das mit dem Ehrgeiz eines ehemaligen Leistungssportlers. Bei minus 2,5 liegt sein Handicap, da kommen 99 Prozent aller Golferinnen und Golfer niemals hin. Denn das bedeutet, das er eine auf 72 Schläge ausgerichtete 18-Loch-Anlage wie die des Wentorf-Reinbeker Golf-Clubs mit nicht mehr als 69 Schlägen absolvieren darf, will er sein Handicap nicht verschlechtern.

Wie früher: Auch auf dem Golfplatz spürt Reister sportlichen Druck

Da ist er also wieder, der Druck, wie ihn Reister früher von seiner Tenniskarriere kannte. Einfach mal bei einem Turnier ein paar Bälle entspannt in die Gegend zu schlagen, das geht nicht. „Daran habe ich mich erst einmal gewöhnen müssen“, schmunzelt Reister. „Doch Golf finde ich total cool. Ich mag es, dass es beim Golf ständig darum geht, an sich zu arbeiten, um sich zu verbessern. Das kriege ich vom Mindset her prima hin.“

Drei bis vier Mal pro Woche zieht es den Reinbeker außerhalb der Wintermonate auf den Golfplatz. Die dunkle Jahreszeit überbrückte er mit einem Golf-Urlaub mit Freunden an der Algarve, um seinen Schwung nicht zu verlieren. Doch so sehr ihn auch die Leidenschaft für seinen neuen Lieblingssport gepackt hat, die Nächte gehören im Moment den Fernsehübertragungen aus dem fernen Melbourne.

Julian Reister: „Die Australian Open sind das schönste Turnier von allen“

Denn die Australian Open sind nicht irgendein Turnier auf der Profi-Tour. „Es ist das schönste Turnier von allen“, schwärmt Reister. „Man nennt es ja nicht umsonst den ,Happy Slam‘. Mitten im Winter fliegt man in die Sonne und ist umgeben von unglaublich netten Leuten. Da würde ich auch gerne mal Urlaub machen.“

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Gar nicht so happy sind seine sportlichen Erinnerungen an Down Under. Zweimal stand er bei den Australian Open 2013 und 2014 in der ersten Runde des Hauptfeldes, beide Male gewann er den ersten Satz und verlor die Partie schließlich doch noch: 2013 gegen den Franzosen Guillaume Rufin, 2014 bei brütender Hitze gegen den Brasilianer Thomaz Bellucci. „Damals war unser Spiel das letzte, das vor dem Abbruch wegen Hitze noch ausgetragen wurde. Das war mein Pech“, erinnert sich Reister.

Der Glanzpunkt seiner Karriere: das Duell mit Roger Federer

Erfolgreicher lief es für den Reinbeker in Wimbledon, wo er dreimal die zweite Runde erreichte, und vor allem bei den French Open 2010 in Paris, als er in der dritten Runde auf sein großes Idol Roger Federer traf. „Das war wie im Film. Ich war so aufgeregt, dass ich an manches gar keine richtige Erinnerung mehr habe“, schildert Reister. „Ich habe auch viel schlechter Tennis gespielt als in den Runden zuvor.“ Am Ende stand eine 4:6, 0:6, 4:6-Niederlage gegen den Schweizer Weltstar.

Anders als beim Golf, wo der Reinbeker heute eher an seinen Schwächen arbeitet, trainierte der Tennisprofi Reister damals vor allem seine Stärken. „Bei mir waren das die Vorhand, der Aufschlag und das Spiel nach vorn“, erläutert er. Denn rennen und kämpfen können auf der Tour ohnehin alle. „Man muss daher in seinem Spiel ein Element mit einer gewissen Gefährlichkeit besitzen, um eine Partie gewinnen zu können“, führt Reister weiter aus.

Heute berät er einen Hamburger Profi und ein Kieler Top-Talent

Solche Erfahrungen gibt er beispielsweise an Marvin Möller weiter, den Reister seit drei Jahren betreut. Der 24-jährige Hamburger ist bereits die Nummer 303 der Welt und nach überstandenem Long Covid nun auf dem Vormarsch. Die Top 100 – und damit die Teilnahme an den großen Turnieren – ist das Ziel.

Noch schneller könnte es bei Philippa Färber gehen. Die 16-jährige Kielerin, die ebenfalls von Reister betreut wird, ist aktuell die Nummer 13 der deutschen Juniorinnen-Rangliste. „In einem Jahr könnte sie bereits so gut sein, dass es für das Hauptfeld beim Juniorinnen-Turnier der Australian Open reicht“, hofft Reister.

Warum eine Rückkehr nach Melbourne für Julian Reister schwierig wird

Dann könnte es auch für Reister ein Wiedersehen mit dem schönsten Turnier der Welt geben, falls er Marvin Möller und Philippa Färber als Coach bei den Australian Open zur Seite stehen würde. Dann würde er im Januar 2025 wieder in der Hitze Melbournes schwitzen, anstatt über die am Tag unserer Fotoaufnahmen tief verschneiten Bahnen des Wentorf-Reinbeker Golf-Clubs zu blicken.

Wenn, ja wenn nicht jemand ganz anderes da noch ein Wörtchen mitspricht. Denn Ehefrau Isabel Reister, die übrigens weder Tennis noch Golf spielt, ist schwanger. Im Juni erwarten die Reisters ihr erstes Kind. Und das ist dann doch der schönste Grund, um den Träumen von fliegenden Tennisbällen am anderen Ende der Welt noch ein wenig länger Lebewohl zu sagen.