Hamburg. Er spielte bei internationalen Turnieren, aber jetzt kümmert sich der 30-Jährige um den Nachwuchs. Diesen will er vor Fehlern bewahren.

Sein neues Projekt heißt Lual Ring Lual. Und natürlich muss Julian Reister grinsen, als er die fragenden Blicke seiner Gesprächspartner wahrnimmt. Könnte das eine neue Massagepraktik sein, mit der Wellnesstempel Kundschaft zu ködern versuchen? Weit gefehlt. Zwar hatte der ehemalige Tennisprofi nach seinem Ausstieg aus der Profitour im Oktober 2016 auch Alternativen außerhalb des Sports in Betracht gezogen. Aber nach einer Phase der Besinnung, in der der 30-Jährige mit Golfspielen Abstand gewann von dem, was er viele Jahre geliebt und am Ende nur noch verteufelt hatte, war ihm klar geworden, dass er nicht kann ohne die gelben Filzbälle.

Und so ist die Auflösung des Rätsels recht einfach: Lual Ring Lual ist ein 13 Jahre altes Tennistalent, das seinen Namen dem aus dem Südsudan stammenden Vater verdankt. Die Eltern haben in Lütjensee (Kreis Stormarn) eine Dreifeld-Tennisanlage renoviert und Reister als Privattrainer für ihren Sohn engagiert. Und genau das ist es, worin der in Reinbek aufgewachsene Ex-Profi, der im November 2013 mit Rang 83 die beste Weltranglistenplatzierung seiner Karriere erreichte, seine mittelfristige Zukunft sieht. „Ich möchte Talenten dabei helfen, Fehler zu vermeiden, die ich selbst gemacht habe“, sagt er.

"Ich hatte niemanden"

Rückblickend würde er, sagt Reister, einiges anders machen. Die Entscheidung, Profi zu werden, sei zwar goldrichtig gewesen, auch wenn er heute kaum noch Kontakt zu damaligen Mitspielern hat und auch nichts vermisst. „Aber ich habe manchmal falsch trainiert, meine Turnierplanung war auch nicht optimal“, sagt er, „ich hatte leider zu Beginn meiner Karriere niemanden, der mir in diesen Dingen zur Seite stand. Deshalb glaube ich, dass ich vielen Jugendlichen mit meiner Erfahrung helfen könnte.“

Um diese Hilfe anzubieten, hat Julian Reister mit der Idee gespielt, eine Akademie unter seinem Namen zu gründen. Nun jedoch arbeitet er als Einstieg fünfmal pro Woche mit Lual Ring Lual. Dazu hilft er beim Hamburger Verband, mit dem er eine enge Kooperation plant, Landestrainer Guido Fratzke bei der Betreuung von Supertalent Marvin Möller (18) – und ab und zu auch seinem besten Kumpel aus Profitagen, Tobias Kamke. „Wenn Tobi mal in Hamburg ist und einen Trainingspartner braucht, bin ich für ihn da“, sagt er.

Viele Reisen

Dauerhaft als Trainer mit einem Profi auf Tour zu gehen, kann er sich indes derzeit nicht vorstellen. Das viele Reisen war ja ein Grund dafür, warum ihn sein Beruf in den letzten eineinhalb Jahren so sehr nervte. Nun wolle er Freundin Isabel, die ihm seit mehr als zehn Jahren die Treue hält und die er im Sommer heiraten möchte, etwas zurückgeben und nicht mehr ständig auf Achse sein. „Sie und meine Familie waren immer für mich da, vor allem in der Zeit, als das Karriereende an mir nagte. Dafür stecke ich jetzt zurück“, sagt er.

Julian Reister hat sich sein sonniges Gemüt, das ihm durch die vielen Verletzungspausen während der Karriere half, bewahrt. Er hatte, nachdem er seinen Abschied von der Profitour mit einem bemerkenswerten Offenen Brief verkündet hatte, eine Reihe an Angeboten erhalten. Co-Trainer der russischen Starspielerin Maria Scharapowa hätte er werden können, zwei Immobilienagenturen warben um ihn. Er aber entschied sich ganz bewusst für den Schritt zurück aus dem Rampenlicht.

Nun möchte er seinem Entdecker und Vorbild Herby Horst nacheifern. „Herby hat so viele Talente zu Topspielern entwickelt. Er hat mir gezeigt, wie wichtig diese Arbeit an der Basis ist. Jetzt möchte ich daran anknüpfen“, sagt Julian Reister, der im Herbst seinen B-Schein erwerben will. Und wer weiß: Wenn Lual Ring Lual so außergewöhnlich Tennis spielt, wie er heißt, dann ist die Rückkehr ins Rampenlicht vielleicht gar nicht so fern.