Dassendorf. Oberliga-Primus verpflichtet früheren Zweitliga-Profi und Jugend-Nationalspieler. Der zeigt im Spitzenspiel gegen HEBC, ob er was kann.

An einem sonnigen Tag Ende Mai wird Okan Kurt beim Fußball-Regionalligisten Chemnitzer FC verabschiedet. Die damalige Vereinschefin Romy Polster überreicht dem 28-Jährigen ein Bild, das ihn im Trikot der „Himmelblauen“ in einer Jubelpose zeigt. Der Club ist in finanzielle Schieflage geraten, kann den Vertrag nicht verlängern. Der gebürtige Hamburger ist plötzlich erwerbslos, findet keinen neuen Verein, obwohl er für den FC St. Pauli zehn Zweitliga-Partien bestritt, für Fortuna Köln in der Dritten Liga auflief und Auslandsstationen in den Niederlanden und der Türkei vorzuweisen hat.

Vier Monate später steht Okan Kurt im Dauerregen an der Mittellinie des Sportplatzes der TuS Dassendorf am Wendelweg und wartet im Spitzenspiel gegen den HEBC auf seine Einwechslung. 48 Stunden zuvor hat er sich für ein Engagement beim Fußball-Oberligisten entschieden. „Er hat schon ein paar Wochen bei uns mittrainiert, aber noch abgewartet, ob sich etwas Interessantes im Profibereich ergibt. Nun hat er bei uns einen Fünfjahresvertrag unterschrieben“, erklärt TuS-Ligamanager Alexander Knull.

TuS Dassendorf erobert durch 2:1-Sieg gegen den HEBC die Tabellenspitze zurück

Der frühere türkische U16-Nationalspieler Okan Kurt braucht bei seinem Debüt gerade einmal vier Minuten, um anzudeuten, welchen Wert er in Zukunft für die TuS Dassendorf haben könnte: Kurt spielt einen messerscharfen Pass in den Lauf von Len Aike Strömer, der mit einem Linksschuss den 2:1-Siegtreffer erzielt. Dieser Erfolg bringt die TuS Dassendorf zurück an die Tabellenspitze.

TuS-Neuzugang Okan Kurt, zuletzt beim Chemnitzer FC, bereitet das 2:1 von Len Aike Strömer (nicht im Bild) vor. Links: Sven Möller.
TuS-Neuzugang Okan Kurt, zuletzt beim Chemnitzer FC, bereitet das 2:1 von Len Aike Strömer (nicht im Bild) vor. Links: Sven Möller. © BGZ/Hanno Bode | Bode

Die TuS-Verantwortlichen hatten um den für Fünftliga-Verhältnisse spektakulären Transfer keinerlei Aufhebens gemacht. Erst bei der Verlesung der Mannschaftsaufstellungen wurde Kurt den 171 Zuschauern am Wendelweg als „neuer Spieler“ vorgestellt. Der 28-Jährige trug dabei das Trikot mit der Rückennummer 9 mit dem abgeklebten Namen von Tarec Blohm, der den Club jüngst wegen mangelnder Einsatzzeiten verlassen hatte.

Neuzugang Okan Kurt soll künftig das Spiel der TuS Dassendorf prägen

Dass Okan Kurt am Wendelweg einen Kontrakt bis 2028 erhielt, unterstreicht, dass der Regisseur in den kommenden Jahren eine tragende Rolle in einer Mannschaft einnehmen soll, deren Gesicht sich aus Altersgründen verändern wird. Verändern muss. Viele der Leistungsträger sind bereits über 30 und haben häufiger Wehwehchen. Und einem Anfang-20-Jährigen hinterherzulaufen fällt im Herbst der Karriere auch nicht mehr so leicht.

Das Rückzugsverhalten war auch gegen den HEBC wieder einmal ein Problem des Teams von Coach Thomas Seeliger. „In der ersten Halbzeit haben wir schwer Zugriff bekommen“, resümierte der langjährige Bundesliga-Spieler. So kamen die Gäste mit ein paar Ballkontakten einige Male schnell vor das TuS-Gehäuse. Als Abwehrchef Maximilian Ahlschwede schließlich Fabian Lemke im Strafraum nur noch mit unlauteren Mitteln stoppen konnte, verwandelte Erciyes Palo – übrigens Kurts Cousin – den fälligen Strafstoß zum 1:0 (14.). Zu diesem Zeitpunkt war der HEBC Tabellenführer.

Durch zwei Treffer von Len-Aike Strömer dreht die TuS Dassendorf die Partie

Aber die Hausherren zeigten Charakter, wie Seeliger erfreut feststellte. Nur vier Minuten später gelang dem nimmermüden Antreiber Strömer nach Vorarbeit von Kapitän Martin Harnik und Sven Möller der Ausgleich. Hernach bestürmten die Gastgeber weiter auf das HEBC-Gehäuse, blieben jedoch konteranfällig.

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In einem von beiden Seiten sehr intensiv geführten und unterhaltsamen Spiel arbeitete die Seeliger-Elf nach der Pause konzentrierter gegen den Ball und hatte das Geschehen im Griff. In Ballbesitz tat sich die TuS bis zur Einwechslung Kurts jedoch schwer. Der Debütant initiierte dann aber sogleich einige schöne Angriffe, von denen Strömer einen erfolgreich abschloss.

Zurück an der Tabellenspitze: „Das war ein hartes Stück Arbeit“

Dass die Dassendorfer in der Nachspielzeit durch einen Kopfball des völlig freistehenden Johann Buttler, der knapp das Ziel verfehlte (90.+4), fast noch den Ausgleich kassierten, stand sinnbildlich für eine offensiv ansprechende, jedoch defensiv verbesserungswürdige Leistung des neuen Spitzenreiters. „Das war ein hartes Stück Arbeit“, sagte Seeliger.

Neuverpflichtung Kurt soll künftig dazu beitragen, dass beim Hamburger Vizemeister die Balance zwischen Abwehr und Angriff besser wird. Viele seiner besten Spiele für den Chemnitzer FC machte der 28-Jährige nämlich im defensiven Mittelfeld. Er kann also nicht nur Traumpässe spielen, sondern ist auch ein zuverlässiger „Staubsauger“. Vor allem aber ist der in Rahlstedt wohnende Allrounder ein „richtig netter Typ, den gefühlt schon die halbe Mannschaft kannte, als er zu uns kam“, lobt Ligamanager Knull.

TuS Dassendorf: Gruhne – Kleine, Ahlschwede, K. Carolus – Dettmann, Lam (62. Kurt), Doege (62. Celikten), Möller, Strömer (79. Özalp), Maggio (89. Dittrich) – Harnik.