Bergedorf. Am 1. September 1939 marschiert die Wehrmacht in Polen ein, „um den Frieden zu sichern“. Die gleichgeschaltete Zeitung jubelt.

„Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen. Und von jetzt ab wird Bombe mit Bombe vergolten. Wer mit Gift kämpft, wird mit Giftgas bekämpft!“ Hitlers berüchtigte Rede zum Beginn des Zweiten Weltkriegs, gehalten am Vormittag des 1. September 1939 im Reichstag, füllt in der Bergedorfer Zeitung jenes Freitags gleich drei Seiten. Und getitelt wird angesichts des angelaufenen Überfalls auf Polen mit der Überschrift „Der Führer gibt die Parole – Zum unerbittlichen Kampf für die Sicherung des deutschen Friedens entschlossen“.

Die Worte sind ebenso berühmt wie gelogen. Sie gehören zu den perfiden Tricks der Nazi-Propaganda, mit denen Menschen in einen angeblich gerechten, Deutschland aufgezwungenen Krieg gezogen werden sollten. Über die schon 1934 gleichgeschaltete Presse, zu der auch unsere Zeitung gehörte, wurde ein Hitler-Bild transportiert, das den Diktator auch am ersten Tag des Zweiten Weltkriegs noch als Friedenskanzler beschreibt.

Hitler will Deutschland wieder Platz unter Europas Großmächten erobern

Hitlers Führungsclique habe sich lediglich dem „gerechten Kampf“ verschrieben, dem auferstandenen „Großdeutschen Reich“ wieder einen gleichberechtigten Platz unter den Großmächten Europas zu verschaffen, heißt es täglich in der Zeitung. Dieser Platz sei Deutschland durch den Versailler Vertrag von 1919, den „Diktatfrieden“ nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg, zu Unrecht aberkannt worden.

Titelseite der Bergedorfer Zeitung zum Kriegsausbruch am 1. September 1939: „Der Führer gibt die Parole“ ist die Überschrift zu Hitlers grausam-berühmter Rede in Berlin am ersten Tag des Zweiten Weltkriegs.
Titelseite der Bergedorfer Zeitung zum Kriegsausbruch am 1. September 1939: „Der Führer gibt die Parole“ ist die Überschrift zu Hitlers grausam-berühmter Rede in Berlin am ersten Tag des Zweiten Weltkriegs. © BGZ | Ulf-Peter Busse

Tatsächlich war das Dritte Reich auf dem Weg dahin schon seit Jahren erfolgreich: Österreich, die Tschechoslowakei und sogar das Memelland, ein großer Teil Litauens, waren besetzt und teilweise ins Reich eingegliedert worden. „Ohne einen einzigen Schuss“, wie die Bergedorfer Zeitung regelmäßig stolz vermeldete – und die britisch-französische Appeasement-Politik jener Jahre damit als Schwäche brandmarkte. Dabei versuchten beide Regierungen mit ihren unzähligen Zugeständnissen an Hitler nichts anderes zu erreichen, als ihren kriegsmüden Völkern kaum zwei Jahrzehnte nach 1918 einen neuen Waffengang mitten in Europa zu ersparen.

Adolf Hitler übte seine Reden einschließlich der Gestik stets akribisch ein. Hier spricht der Diktator in Graz nach dem umjubelten Einmarsch deutscher Truppen in Österreich 1938.
Adolf Hitler übte seine Reden einschließlich der Gestik stets akribisch ein. Hier spricht der Diktator in Graz nach dem umjubelten Einmarsch deutscher Truppen in Österreich 1938. © picture-alliance / IMAGNO/Lothar | dpa picture-alliance / Lothar Rübelt

Überfall auf Polen war lange geplant und basiert auf einer Lüge der Nazis

Nun also Polen, der erste gewalttätige Schritt der kraftstrotzend-expansiven Nazi-Außenpolitik. Deren Propaganda hatte sich schon über Monate gemüht, den Polen die Schuld am intern längst geplanten Überfall der Wehrmacht in die Schuhe zu schieben. Regelmäßig wurden ihnen Angriffe auf die große deutsche Minderheit im Land unterstellt, die angeblich zu großen Teilen längst unter Arrest stehe: „Viehische Misshandlungen in Polen-Gefängnissen – Deutsche werden mit Spürhunden gehetzt“ lesen die Bergedorfer 13 Tage vor dem Kriegsausbruch auf der Titelseite ihrer Zeitung.

Propaganda-Lügen auf der Titelseite der gleichgeschalteten Bergedorfer Zeitung: Am Wochenende 19./20. August 1939, dem vorletzten im Frieden, werden den Polen Verbrechen gegen die deutsche Minderheit im Land vorgeworfen.
Propaganda-Lügen auf der Titelseite der gleichgeschalteten Bergedorfer Zeitung: Am Wochenende 19./20. August 1939, dem vorletzten im Frieden, werden den Polen Verbrechen gegen die deutsche Minderheit im Land vorgeworfen. © BGZ | Ulf-Peter Busse

Fingiert ist schließlich auch der Anlass für Hitlers Kriegsrede vom 1. September: Ein SS-Kommando unternimmt am Abend des 31. August in polnischen Uniformen einen bewaffneten Angriff samt Besetzung des Senders von Gleiwitz auf deutscher Seite der Grenze – und lässt sich von der Polizei überwältigen. „Die Besetzer erklärten, dass sich Stadt und Sender Gleiwitz jetzt in polnischen Händen befänden. Sie schlossen gemeinste Schmähreden auf Deutschland an“, berichtet unsere Zeitung tags darauf unter der vom Propagandaministerium bestellten Überschrift „Polnischer Überfall auf den Sender Gleiwitz“.

Trotz riesiger nationalistischer Propaganda: Bergedorfer haben Kriegsangst

„Ich habe mich daher nun entschlossen, mit Polen in der gleichen Sprache zu reden, die Polen seit Monaten uns gegenüber anwendet“, greift Hitler den Vorfall in seiner Kriegsrede auf. Wobei das Benutzen des Begriffes „Krieg“ von der Propaganda zunächst ausdrücklich untersagt war. Man sprach dagegen von einer „Strafaktion“ wegen der angeblichen Provokationen und der Grenzverletzung.

Buchstäblich Geld wie Heu: Bei der Hyperinflation von 1923 liegt die Teuerungsrate bei mehr als 1000 Prozent – pro Tag.
Buchstäblich Geld wie Heu: Bei der Hyperinflation von 1923 liegt die Teuerungsrate bei mehr als 1000 Prozent – pro Tag. © akg-images | akg-images

Wirklich begeistert von einem neuen Krieg waren neben Franzosen, Briten und Polen allerdings auch die meisten Deutschen nicht. Zu präsent waren ihnen noch die Leiden im Ersten Weltkrieg und vor allem seine katastrophalen Folgen wie Wohnungsnot, Hungerkrisen und die Hyperinflation von 1923, die die Bevölkerung völlig verarmen ließ. Das ist zwischen den Zeilen auch in der Bergedorfer Zeitung nachzulesen, die sich in der lokalen Berichterstattung nach Kräften mühen muss, die Menschen auf den neuen Krieg einzuschwören.

Pflicht zur „Umstellung der gesamten Lebensweise und Lebenshaltung“

Am 8. September heißt es unter der Überschrift „Eherne Heimatfront“ im Bergedorf-Teil: Neben dem Soldaten habe „auch der sogenannte Zivilist mit allen Kräften und allen tragbaren Entbehrungen am von England und Polen aufgezwungenen Abwehrkampf teilzunehmen“. Neben „Maßnahmen des Luftschutzes“ in Form des Ausbaus privater Schutzräume sei auch die „Umstellung der gesamten Lebensweise und Lebenshaltung“ Pflicht.

Entbehrungsreich: Das Leben in Hamburg während des Zweiten Weltkriegs – die sogenannte Heimatfront, hier nach den Bombenangriffen vom Juli 1943.
Entbehrungsreich: Das Leben in Hamburg während des Zweiten Weltkriegs – die sogenannte Heimatfront, hier nach den Bombenangriffen vom Juli 1943. © Staatliche Landesbildstelle | Staatliche Landesbildstelle

Wie schmerzhaft die bereits am 4. September 1939, drei Tage nach dem deutschen Überfall auf Polen erfolgte Umstellung von der Friedens- auf die Kriegswirtschaft jeden Einzelnen trifft, wird so beschrieben: „Indem wir unsere persönlichen Bedürfnisse an Kleidung, Nahrungsmitteln und sonstigen Lebensgütern radikal einschränken, ermöglichen wir die Freisetzung von Arbeitskräften und Rohstoffen für die Zwecke der Rüstungsindustrie und der sonstigen Kriegsführung. Diese Kräfte, die in der Heimat mobilisiert werden, bilden eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Endsieg.“

„Um sein Recht bittet man nicht, das erkämpft man sich!“

Schon vor Kriegsausbruch wird auch im Bergedorf-Teil gegen das Ausland gehetzt. Etwa in der Wochenendausgabe 19./20. August mit einem angeblichen Gespräch unter Straßenarbeitern, die sich auf der Wentorfer Straße mit der angespannten Weltpolitik befassen: „In jenen Ländern, die uns Deutschen nicht wohl wollen, erklingen Hassgesänge, wird das Recht gebeugt, hetzt man und spritzt man Gift und Galle“, berichtet unsere Zeitung. „Bei uns hingegen ist jeder im Bewusstsein unseres Rechtes und unserer Stärke ruhig und sicher. Überall gelassene Zuversicht in die Richtigkeit der Politik unseres Führers“, sollen die Arbeiter gesagt haben. Und beim Blick auf Hitlers Ansprüche in Polen: „Um sein Recht bittet man nicht, das erkämpft man sich!“

Erfolgsmeldung drei Wochen nach Kriegsausbruch: Polen steht schon am 21. September 1939 kurz vor der Kapitulation.
Erfolgsmeldung drei Wochen nach Kriegsausbruch: Polen steht schon am 21. September 1939 kurz vor der Kapitulation. © BGZ | Ulf-Peter Busse

Unter die Räder kommt bei den Nazis auch das neue, in der Weimarer Republik entstandene Selbstbewusstsein der Frauen. Selbst wenn sie ihr 1919 nach langem Kampf endlich erstrittenes Wahlrecht nicht verlieren, so werden sie von der Propaganda am Vorabend des Zweiten Weltkriegs doch auf die Rolle der Mutter, Haushälterin und Kindererzieherin reduziert: „Die deutsche Frau“ ist der Titel einer Sonderseite der Bergedorfer Zeitung vom 8. August 1939 mit der Überschrift „Der Wille zum Kind“.

Aufgabe der Frau in der Nazi-Ideologie: „Dem Volke Kinder schenken“

Im Text wird die Rassenideologie deutlich: „Wenn wir den Geburtenrückgang bekämpfen wollen, so müssen wir die deutsche Frau wieder zu der inneren Haltung bringen, dass sie weiß, ihre schönste und höchste Aufgabe ist es, dem Volke Kinder zu schenken.“ Ein selbstbestimmtes Leben wie in der Weimarer Republik mit nur einem oder gar keinem Kind sei nichts anderes als „Egoismus und Selbstsucht der Frau, die sich ihrer naturgegebenen Aufgabe entzieht“.

Idealbild der Familie im Dritten Reich: Propagandaminister Joseph Goebbels mit seiner Frau Magda und den ältesten drei ihrer später sechs Kinder..
Idealbild der Familie im Dritten Reich: Propagandaminister Joseph Goebbels mit seiner Frau Magda und den ältesten drei ihrer später sechs Kinder.. © picture alliance / dpa | picture alliance

Der neue Alltag unter Kriegsbedingungen scheint in Bergedorf trotz aller Widrigkeiten aber schnell vom wachsenden Nationalstolz überdeckt worden zu sein. Schon am 5. September 1939 berichtet unsere Zeitung über einen „gewaltigen Andrang von Freiwilligen“ bei der Wehrmacht – fast wie beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Die Dienststellen seien buchstäblich überlaufen worden, sodass „eine rechtzeitige Abfertigung nicht möglich war und die Dienststellen vorübergehend keine Meldung mehr annehmen“. Freiwillige werden gebeten, vorerst „weitere Richtlinien des Oberkommandos der Wehrmacht abzuwarten“.

Überraschend erfolgreicher Blitzkrieg gegen Polen löst Siegeseuphorie aus

Tatsächlich sollten die rasanten Erfolge der Wehrmacht schnell zu einer Begeisterung bei der Bevölkerung führen, ja sogar zu einer spürbaren Siegeseuphorie. Die sogenannten Blitzkriege überraschten sogar die deutschen Militärs: Polen wurde – zusammen mit der damals durch den Hitler-Stalin-Pakt noch verbündeten Roten Armee – innerhalb von nur fünf Wochen besiegt und weitgehend unter den beiden Siegern aufgeteilt.

Dänemark kapituliert 1940 kampflos, Norwegen nach heftigem Widerstand am 10. Juni. Und auch Frankreich sowie die Benelux-Länder sind nur sechs Wochen nach dem Beginn der deutschen Westoffensive vom 10. Mai 1940 überrannt: Am 14. Juni wird Paris nahezu kampflos von der Wehrmacht besetzt. Alles wird auch von der Bergedorfer Zeitung gefeiert.

Adolf Hitler gilt im Sommer 1940 als „Größter Feldherr aller Zeiten“

Jeder der vielen Erfolge, einschließlich des unerwartet schnellen Sieges über den im Ersten Weltkrieg noch unbezwingbaren „Erbfeind Frankreich“, wird Hitler persönlich zugeschrieben. Im Sommer 1940 steht er als „größter Feldherr aller Zeiten“ auf dem Höhepunkt seiner Popularität.

Adolf Hitler bei einer Rundfunkansprache. Die Deutschen lauschten ihm an den Radiogeräten, die im Dritten Reich als Volksempfänger weit verbreitet wurden.
Adolf Hitler bei einer Rundfunkansprache. Die Deutschen lauschten ihm an den Radiogeräten, die im Dritten Reich als Volksempfänger weit verbreitet wurden. © picture alliance / akg images | picture alliance

Doch weitere Erfolge sollte es nicht mehr geben. Die von Hitler und seinen Militärs erwartete Kapitulation Großbritanniens blieb aus – und die Pläne, die Insel zu erobern, wurde nach hohen Verlusten der deutschen Luftwaffe im Frühjahr 1941 aufgegeben. Dafür begann mit dem Überfall auf Russland am 22. Juni 1941 der Krieg gegen die offensichtlich völlig überraschten sowjetischen Truppen.

1942 wird klar: Deutschland kann den Zweiten Weltkrieg nicht mehr gewinnen

Nach dem Polen-Feldzug war das die Fortsetzung von Hitlers propagiertem Kriegsziel, „neuen Lebensraum im Osten“ zu erobern. Und der Vorstoß führte die deutschen Panzerverbände bis Weihnachten tatsächlich bis vor die Tore Moskaus. Hier blieb der Eroberungskrieg allerdings im russischen Winter stecken. Und es sollte das finale Ende der großen Erfolgsmeldungen sein, denn ab 1942 wurde immer deutlicher, dass Deutschland den Krieg mit ganz Europa nicht wird gewinnen können.

Das Foto vom 24. Juni 1941 zeigt deutsche Infanteristen am dritten Tag des Russland-Feldzuges. Sie ziehen die schweren Gefechtsfahrzeuge ihrer Züge in der litauischen Ortschaft Vilkija bergauf.
Das Foto vom 24. Juni 1941 zeigt deutsche Infanteristen am dritten Tag des Russland-Feldzuges. Sie ziehen die schweren Gefechtsfahrzeuge ihrer Züge in der litauischen Ortschaft Vilkija bergauf. © dpa | buss

Dennoch machten sich die Nazis jetzt daran, Hitlers zweites Kriegsziel umzusetzen: die Vernichtung des Judentums in ganz Europa. Auf der Berliner Wannsee-Konferenz vom Januar 1942 wurde der Völkermord auch logistisch detailliert geplant. Ohnehin war der Feldzug im Osten ein rücksichtsloser Vernichtungskrieg: Um den neuen „Lebensraum“ für die Deutschen frei zu machen, wurde neben der Deportation der Juden auch die gesamte Zivilbevölkerung terrorisiert, als Zwangsarbeiter verschleppt, vertrieben oder gleich ermordet.

Rote Armee treibt riesige Trecks deutscher Flüchtlinge vor sich her

Die SS leistete dabei ganze Arbeit, auch wenn die deutschen Truppen spätestens ab 1943 auf dem Rückzug waren und an Orten wie Stalingrad völlig aufgerieben wurden. Als im Juni 1944 auch noch die Alliierten in der Normandie in Frankreich landeten, befand sich Deutschland im Zwei-Fronten-Krieg, der am 8. Mai schließlich mit der bedingungslosen Kapitulation endete.

Mit Pferdefuhrwerken waren die Flüchtlinge 1945 in Richtung Westen unterwegs.
Mit Pferdefuhrwerken waren die Flüchtlinge 1945 in Richtung Westen unterwegs. © Imperial War Museum | Imperial War Museum

Von Osten kommend, hatte die Rote Armee dabei riesige Trecks von deutschen Flüchtlingen vor sich hergetrieben, die das besiegte Land noch über Jahrzehnte vor zusätzliche große Probleme stellen sollten. Das galt besonders für Bergedorf: Es war von den Bombardements der Alliierten auf Hamburg weitgehend verschont geblieben – mit Ausnahme mancher Notabwürfe und dem Angriff auf die Sternwarte, bei dem am 26. Juli 1942 bis zu 100 Brandbomben auf das für Zeitmessung und Navigation kriegswichtige Institut fielen. Ab 1944 wurden in Bergedorf etwa am Ladenbeker Furtweg und in Fünfhausen großflächig einfache Hütten zur Unterbringung der vielen Flüchtlinge und ausgebombten Hamburger aufgestellt, die jetzt nach Bergedorf strömten.

Eines der letzten Holzhäuser für Flüchtlinge in den 60er-Jahren in Bergedorf.
Eines der letzten Holzhäuser für Flüchtlinge in den 60er-Jahren in Bergedorf. © Kultur- & Geschichtskontor | Kultur- & Geschichtskontor

50-jähriger Hitler will den Krieg unbedingt noch „in voller Manneskraft“ beginnen

Wie Hohn musste jetzt für sie klingen, was Adolf Hitler in seiner Rede im Reichstag zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 sagte: „Deutschland und Russland haben heute einen Pakt geschlossen, der jede Gewaltanwendung ausschließt.“ Und weiter: „Ich habe den Staatsmännern im Westen feierlich versichert und wiederhole es hier, dass die Grenze zwischen Frankreich eine endgültige ist. Ich habe England immer wieder eine Freundschaft angeboten und wenn notwendig das engste Zusammengehen. Aber Liebe kann nicht nur von einer Seite geboten werden, sie muss von der anderen ihre Erwiderung finden.“

Dreiste Lügen auf dem Weg in einen Krieg, der rund 60 Millionen Tote fordern sollte. Und den Hitler im September 1939 auch unbedingt beginnen musste: Einerseits war er war gerade 50 Jahre alt geworden, was aus seiner Sicht keinen Aufschub mehr zuließ. Denn er wollte die Rolle als Oberkommandierender „in voller Manneskraft“ ausfüllen.

Anderseits war Deutschland sechs Jahre nach der Machtergreifung der Nazis pleite, weil die rasante Aufrüstung und die Beschäftigungsprogramme für Millionen Arbeitslose die Staatskasse überforderten. Es brauchte also ganz schnell den Staatsschatz der Nachbarländer, um nicht in den Bankrott zu schlittern. Wie jüngste Forschungen belegen, wurden deren Goldreserven nach der Eroberung dann in der offiziell neutralen Schweiz in harte Devisen getauscht – und mithilfe der Eidgenossen in neue Rüstungsgüter investiert. Eine Partnerschaft, die über den gesamten Zweiten Weltkrieg hinweg lief.

Auch die hochgerüstete Wehrmacht hatte am 1. September 1939 eine erstaunliche Achillesferse, wie man heute weiß: Es fehlte in allen Waffengattungen an Munition. Hitlers Armee zog in einen Krieg und hätte vermutlich schon nach zwei Wochen keinen Schuss mehr abgegeben können. Ihr Glück: Der Blitzkrieg gegen Polen führte unerwartet schnell zum Erfolg und verbrauchte deutlich weniger Munition als befürchtet.