Hamburg. Abschied mit Wehmut: Traditionsbetrieb in Bahrenfeld hat nach 100 Jahren geschlossen. Brötchen gibt es vor Ort weiterhin.

Wieder ist ein Traditionsgeschäft aus Hamburgs Stadtbild verschwunden: Zum Jahresanfang schloss Rögner’s Backstube an der Ebertallee in Bahrenfeld. Damit endet vor Ort eine rund 100-jährige Backtradition – auch wenn es dort weiterhin Brötchen zu kaufen gibt. Besuch im Laden von Hans-Dieter und Caroline Koslowski an einem ihrer letzten Arbeitstage.

Die Auslage an der Ebertallee sieht gut und abwechslungsreich aus, die Kunden stehen – im korrekten Abstand – Schlange, frische Brötchen und Brote gehen über den Ladentresen. Eigentlich ist alles wie immer – und auch wieder nicht. Die beiden Koslowskis wirken so aufgeschlossen, wie viele sie kennen, aber auch etwas still und wehmütig. Abschiedsstimmung.

Schon seit 1980 ist Hans-Dieter Koslowski mit dem Laden beruflich aufs engste verbunden, denn als Teenager machte er hier seine Lehre. Inhaber Günter Rögner nahm den viel versprechenden Jungen unter seine Fittiche, förderte ihn. Erst wurde Koslowski Betriebsleiter, 1997 übernahmen er und seine Frau die Bäckerei dann ganz. Mit Günter Rögner blieben beide freundschaftlich verbunden, als Zeichen der Wertschätzung behielten sie auch den gut eingeführten Namen bei „Es ist schon ein komisches Gefühl, nach so vielen Jahren hier aufzuhören“, sagt der leidenschaftliche Bäcker, der kein sentimental-zimperlicher Typ ist, „’n büschn mulmig wird mir da aber schon.“

Inhaberin: „Vorgefertigt war hier gar nichts“

Von Anfang an gab es in dem 1920 erbauten Haus eine Backstube, seit 1923 unter dem Namen Rögner. Eine eiserne „Brötchen-Pressmaschine“, die vor dem Laden steht, erinnert noch an diese ganz frühe Zeit. Die Koslowskis sind stolz darauf, dass es bei ihnen immer individuellen Teig für jede einzelne Backware gab. „Vorgefertigt war hier gar nichts“, sagt Caroline Koslowski, „dadurch unterschieden wir uns von vielen anderen.“ Viele Briefe und Mails hätten beide in den vergangenen Wochen und Monaten bekommen, erzählen sie, darunter „fast schon Liebesbriefe“. Der Tenor war überall derselbe: Macht weiter. Doch das Aus ist unwiderruflich, die Gründe dafür vielfältig.

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Mehr als 40 Jahre harte körperliche Arbeit haben bei Hans-Dieter Koslowski Spuren hinterlassen: Zwei künstliche Hüftgelenke und eine schwere Bandscheibenoperation sind der Preis. Um Mitternacht stand er zum Backen auf und legte los, danach machte er bis 10.30 Uhr im Laden weiter. Um 17 Uhr legte er sich wieder zum Schlafen hin, bevor alles von vorne losging – und das sieben Tage pro Woche. „Man gewöhnt sich an diesen Rhythmus“, sagt der 57-Jährige. „Was willst du machen, und der Mensch ist ja zum Glück ein Gewohnheitstier.“

Doch viele junge Leute wollen sich das nicht mehr antun, und ein potenzieller Nachfolger war nicht in Sicht. „Wir sind froh, dass alle unsere Mitarbeiter anderweitig weiter beschäftigt werden“, sagt Caroline Koslowski, aber insgesamt sei es schwer, im Bäckerhandwerk gute Leute zu finden, die auch dauerhaft dranbleiben. Hinzu kommen neue Umweltauflagen für Bäckereien in Wohngebieten, die jetzt hohe Investitionen nötig gemacht hätten. Dass der Kreisel vor dem Ladengeschäft lange eine Dauerbaustelle war, Bei Rögner’s ist der Ofen aus Abschied mit Wehmut: Traditionsbetrieb hat nach 100 Jahren geschlossen. Brötchen gibt es vor Ort weiterhin tat dem Umsatz nicht gut, hinzu kam die Coronakrise, die auch diesen Betrieb dauerhaft belastete.

Auf anrührende Weise ist hier das Flair des guten alten Backhandwerks erhalten

„Vor fünf Jahren gab es noch 278 Bäckereien in Hamburg“, berichtet Caroline Koslowski, „jetzt sind es 76. Daran sieht man deutlich, wie schwer es geworden ist, in diesem Handwerk zu bestehen.“ Hans-Dieter Koslowski führt durch die überraschend große Backstube, die einen weitläufigen Raum hinter dem Geschäft ausfüllt. Auf anrührende Weise ist hier das Flair des guten alten Backhandwerks erhalten, wie man es so in Hamburg kaum noch finden kann. Koslowski tätschelt den riesigen Thermoöl-Ofen, Baujahr 1972.

Angeblich ist er der älteste in ganz Hamburg, der noch in Vollbetrieb läuft, kaputt war er jedenfalls nie. Den Ofen hätten die Koslowskis nun bald austauschen und durch einen neuen ersetzen lassen müssen, der von der Höhe her überhaupt nicht in das Gebäude gepasst hätte. „Auch so eine Auflage, und es interessiert nicht, wie man so etwas umsetzen soll“, sagt Caroline Koslowski mit einem Anflug von Bitterkeit, da heißt es ,friss Vogel, oder stirb’, anders geht es nicht.“

Da die Wohnung über der Bäckerei an die Backstube gekoppelt ist, muss das Paar ausziehen

Doch das sympathische Ehepaar („Wir halten seit 36 Jahren zusammen“) will nicht grollend weichen, sondern geht mit den vielen guten Erinnerungen an die Kunden. „Alles in allem waren es sehr schöne Jahre“, sind sich beide einig. „Und Ärgerliches oder Trauriges haben wir immer im stillen Kämmerlein mit uns selbst ausgemacht. Die Zeiten ändern sich eben, und wir haben uns jetzt entschieden, den Weg nicht mehr mitzugehen.“ Pech: Da die Wohnung über der Bäckerei per Vertrag an die Backstube gekoppelt ist, müssen sie nun auch ausziehen. In Mecklenburg-Vorpommern wollen sie noch mal neu anfangen – „solange es uns körperlich noch gut geht“.

Im Schaufenster kündigt Sabine Möller, erfolgreiche Inhaberin von Bäckerei Körner an, dass Rögners künftig Körner heißen wird, als eine weitere Filiale ihrer Kette. Die traditionsreiche Backstube mit dem riesigen Ofen in Bahrenfeld wird sie aber nicht mehr nutzen, denn Körner backt schon seit 1901 an der Blankeneser Landstraße. Offizielle Eröffnung ist am 14. Januar.