Während die Fachwelt über neue Architektur in Hamburg streitet, sind auswärtige Besucher beeindruckt. Ein Ortstermin im früheren Hafenareal.

HafenCity. Es ist grau, windig und frostig an diesem Nachmittag in der HafenCity. Man könnte sich jetzt so richtig an den scharfen Worten von Hamburgs früheren Oberbaudirektor Egbert Kossak wärmen, mit der er eine neue Architekturdebatte in der Stadt entfacht hat. "Hamburg verliert seine Identität", zürnte er in einem Abendblatt-Beitrag und bezog sich damit auch auf die HafenCity. Mit kalten Füßen und den Blick auf die Hauskonturen im Nebel könnte man ihm jetzt vielleicht eher zustimmen als an einem heiteren Sommernachmittag. Doch die zwölfköpfige Besuchergruppe, die Stadtplaner Peter Kowalsky an diesem Januartag durch das frühere Hafenareal führt, ist so gar nicht auf harte Architekturkritik gestimmt. "Nein", sagt Eberhart Gläser, "ich finde das alles sehr imposant."

Der pensionierte Chemiker aus Rheinsberg (Brandenburg) ist mit seiner Frau auf Städtereise in Hamburg, schaut sich Musicals und Reeperbahn an. "Und natürlich die HafenCity", wie er sagt. Gerade ist die Kowalsky-Gruppe am Traditionsschiffhafen entlanggeschlendert. Kowalsky hat großformatige Fotos gezeigt, wie es früher hier aussah. Er zeigt die Kaimauer, die noch immer so aussieht wie früher. Rechts und links säumen die Neubauten das Hafenbecken. Meist eher quadratische Flachdachbauten, mal aufreizend mit riesigen Stahlträgern in der Fassade, dann wieder mit dunklen Holzelementen. Da ein runder Wohnturm, dann wieder eine futuristische, wabenartige Außenansicht. "Würfelhusten, Klötzchenarchitektur", so nennen Kritiker das. "Ich finde es großartig, das ist schon Hamburg hier, das moderne Hamburg eben", sagt dagegen Gläser und hakt seine Frau unter. Weiter geht's, Kowalsky zeigt Details - wie etwa die Flutschutz-Elemente bei einem Restaurant, die automatisch aufschwimmen können. Er berichtet vom Mix im Wohnungsangebot, von Genossenschaftshäusern und teuren Luxusbauen. Heiko Bernhardt und Mary Knopf hören konzentriert zu, schauen sich immer wieder um, machen Fotos. Das Pärchen aus Dresden ist auf freizeitorientierter Städtetour, schaut aber nicht völlig unbedarft hin. Er, 44, ist Haustechnik-Planer, sie 33, junge Architektin. HafenCity - davon haben sie eben schon viel gelesen. Und jetzt hier mittendrin? Im Realitätscheck ohne Hochglanz der Fachmagazine? "Beeindruckend, einfach beeindruckend", sagen beide.

Führungen durch die HafenCity

Olaf Scholz: "Selbst Hochhäuser sind vorstellbar"

Auf einem der neuen Plätze macht die Gruppe wieder einen Stopp. Stadtführer Kowalsky nennt einige Zahlen: 157 Hektar groß sei der neue Stadtteil am Wasser, etwa so groß wie die Außenalster, und genauso dicht an der Innenstadt. "Das ist der Riesenvorteil für eine solche Erweiterung", sagt er. Mehr als 12 000 Menschen werden bis 2025 hier einmal wohnen, gut 1700 sind es jetzt schon, berichtet er. Auf der anderen Seite des Platzes sind Menschen zu erkennen, die alle gelbe Gummistiefel und weiße Helme tragen - eine andere Besuchergruppe, die sich speziell die Elbphilharmonie anschaut. Zwei weitere Besuchergruppen des HafenCity-Informationszentrums schlendern vorbei. Nachmittagsführungen am Sonnabend, Radtouren, Themenführungen und Fachbesucher-Gruppen - auch an diesem kalten Sonnabend wirkt die HafenCity wie ein gut besuchter Architektur-Zoo. In welchen Straßenzug man auch blickt - überall schlendern Sparziergänger, in Gruppen, als Pärchen, sie bleiben stehen, schauen sich um, fotografieren. Längst schon dürfte die HafenCity auf der touristischen Landkarte Hamburgs ein Ziel sein, wie sonst nur Hafen, Michel oder St. Pauli. "Auch bei kaltem Wetter wie heute haben wir eigentlich immer volles Programm", sagt Peter Kowalsky.

Zum Aufwärmen und Staunen führt er seine Gruppe schließlich ins Unilevergebäude, das im Erdgeschoss öffentlich zugänglich ist. Viele Architekturpreise hat das Haus bekommen, auch wegen seiner transparenten Membranfassade, die jetzt ein wenig verschmutzt erscheint. Wenn man hart wie mancher Architekturkritiker wäre, könnte man sagen, sie sehe aus, als hätten die Bauarbeiter eine Schutzfolie vergessen. Doch nach solchen Gemeinheiten, wie sie kürzlich auch in überregionalen Medien wie der "Zeit" zur Architektur in Hamburg und speziell zur HafenCity zu lesen war - danach ist niemandem in der Gruppe zumute.

Kowalsky führt nun heraus aus dem Haus, direkt an die Elbe, wo gerade ein großer Autofrachter wie bestellt aus dem gegenüber liegenden Hafenbecken gleitet. Andreas Jacoby, 61, bleibt kurz stehen. Seinen Freunden, die zu Besuch sind, wollte er die HafenCity zeigen. Eigentlich hatte der Hamburger Informatiker die Befürchtung, dieser neue Stadtteil könne zu einer Geisterstadt werden, wie er sagt. "Doch wenn ich das jetzt so sehe - bin ich doch stolz, dass wir so etwas haben."