Breiten- und Schulsport würden von Olympia in Hamburg profitieren. Schon heute werden viele Anlagen renoviert.

Hamburg. Was kostet Olympia, wer profitiert von den Spielen, sind derzeit zwei der am häufigsten gestellten Fragen. Beide können im Augenblick nicht erschöpfend beantwortet werden, was die Legendenbildung befeuert. Auf der Versammlung eines großen Hamburger Stadtteilclubs behauptete jemand kürzlich, er habe gehört, allein die Bewerbungskampagne würde eine Milliarde Euro verschlingen. Worauf ein Kundiger dann richtig stellte, die würde erfahrungsgemäß nicht mehr als 50 Millionen Euro kosten, wobei auf die Stadt Ausgaben von maximal 20 Millionen zukämen, wahrscheinlich noch weniger. Daraufhin sagte ein Dritter unter großem Beifall: „Wir wissen doch alle aus der Vergangenheit, was solche Zahlen am Ende wert sind. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo in der Mitte.“ Nun geht man in diesem Verein davon aus, dass Hamburg rund eine halbe Milliarde Euro für seine Olympiakandidatur zahlen muss.

Ein weiteres sensibles Thema bleibt der Breitensport. In Anrufen und Mails an das Abendblatt beklagen sich Sportler und Vereinsmitglieder immer wieder über den Zustand ihrer Anlagen, über Wildwuchs auf Laufbahnen und Sprunganlagen, Kuhlen auf Plätzen, kaputte Basketballkörbe in den Hallen, tröpfelnde Duschen, fehlendes warmes Wasser, zerstörte Toiletten, ausgefallene Heizungen und drohende Schließung von Freibädern. Tenor der Klagen: Bringt erst mal diese Dinge in Ordnung, bevor ihr Olympia nach Hamburg holt!

Weil diese Menschen recht haben, hat die Stadt längst reagiert. Im Rahmen der Dekadenstrategie werden bis ins Jahr 2020 noch rund 250 Millionen Euro ausgegeben für die Instandsetzung, Renovierung, Modernisierung und den Neubau von Sportstätten – unabhängig von der Bewerbung Hamburgs um die Olympischen Sommerspiele 2024 oder 2028. Für Baumaßnahmen bei vereinseigenen Anlagen fließen jetzt jährlich zusätzlich eine Million Euro aus dem Haushalt der Stadt an die Clubs. „Hamburg hat am Ende der Dekade seine staatlichen Sportanlagen saniert und leistungsgerecht ausgestattet. Daneben sind die vereinseigenen Sportanlagen saniert, woran sich die Stadt durch Zuschüsse beteiligt hat. Die Sportanlagen sind barrierefrei und für beide Geschlechter ohne Einschränkungen nutzbar“, lautet das Dekadenziel zwei „Platz macht Sport – Investition in die Zukunft der Sportanlagen“.

Kommt Olympia, würden das die Umsetzung dieser Maßnahmen nicht nur beschleunigen, viele weitere kämen in den Stadtteilen hinzu. Für die Spiele braucht Hamburg 29 Wettkampf- und etwa 80 Trainingsstätten (zehn Schwimmbäder, 23 Sportplätze und 47 Dreifeldhallen), die zum größten Teil bereits vorhanden sind. Sie müssten aber alle in einen olympiatauglichen, vorzeigbaren Zustand versetzt werden. Schul- und Breitensport wären damit zwei der Profiteure Olympias.

„Der Hamburger Sport würde durch Olympia eine hochmoderne Infrastruktur erhalten. Die Vereine und ihre Mitglieder wären die Nutznießer“, sagt Jürgen Mantell, Präsident des Hamburger Sportbundes (HSB; 580.000 Mitgliedschaften in 802 Vereinen). Schon heute verfügt Hamburg über 1600 Sportstätten, darunter sind 225 Sportplätze, etwa 680 Sporthallen, fast 50 private und öffentliche Schwimmbäder sowie 24 Leistungszentren. Und je besser diese Sportstätten gepflegt sind, desto mehr Sportler nutzen sie auch. Diese Erfahrungen haben in den vergangenen Jahren jene Vereine gemacht, die ihre Anlagen aus eigenen oder Mitteln der Stadt modernisiert haben.

Dass Olympia den Breitensport ursächlich beleben kann, wissen die Briten seit den Sommerspielen 2012 in London. Die Zahl der organisierten Sportlern stieg im Jahr darauf im Land um elf Prozent. Heute ist sie allerdings wieder unter das vorolympische Niveau gefallen, weil es zu wenig Konzepte gab, um den Boom aufzufangen. Die Lehre für Hamburg hieße: Olympia bietet zwar Steilvorlagen, Automatismen leiten sich daraus nicht ab. Die Vereine wären gefordert, der größeren Nachfrage mit Angeboten auch Rechnung zu tragen.

Ohne Spitzensport kein Breitensport lautet eine der Formeln. Umgekehrt stimmt sie natürlich auch. Vorbilder schaffen Nachahmer, Masse erzeugt dann Klasse. Boris Becker und Steffi Graf lösten einen Mitgliederansturm auf die Tennisclubs aus, Bernhard Langer puttete den Golfsport ins breite öffentliche Interesse. Tour-de-France-Sieger Jan Ullrich stand Pate für die Cyclassics in Hamburg, die aufgrund von 22.000 Jedermännern heute selbst ohne das Profiradrennen existieren könnten. Der Hamburger Triathlon schuf erst das Interesse für den vor 13 Jahren nach weitgehend unbekannten Dreikampf. Nach der Triathlon-WM 2007 in Hamburg stieg die Mitgliederzahl in den hiesigen Clubs im Folgejahr um 40 Prozent.

Dazu kämen die politischen Folgen. „Der Sport leistet heute mehr für den Staat – für Gesundheit und Integration – als der Staat für den Sport. Mit Olympia würde der Sport in Deutschland endlich die gesellschaftliche Anerkennung erhalten, die er seit Langem verdient“, sagt HSB-Präsident Mantell – was letztlich auch zu einer finanziell besseren Ausstattung gerade des Breitensports führen dürfte.

Olympische Sommerspiele in Hamburg, das ist der Plan des Senats, wären nicht nur ein Event für Spitzensportler, sie würden für die Menschen in der Stadt und der Region zu „Allympics“. Arenen und Stadien sollen von allen Hamburgern vor den Spielen, zwischen ihnen und den Paralympics sowie danach genutzt werden können. Jeder soll 2024 oder 2028 dabei sein können. Und dabei sein, wissen wir doch, ist alles.