Neue bundesweite Regelung für Sexarbeit. Hamburger Polizei hofft auf mehr Transparenz. Kondome nun vorgeschrieben.

Hamburg/Berlin. Die Große Koalition in Berlin hat sich am Mittwoch nach monatelangen Verhandlungen auf eine Novellierung des Prostitutionsschutzgesetzes geeinigt. „Es wird erstmalig klare Regelungen für die legale Prostitution in Deutschland geben, die dem Schutz der Frauen dienen“, sagte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) dem Abendblatt. Für die Betreiber von Bordellen werde eine Erlaubnispflicht und eine Zuverlässigkeitsprüfung eingeführt. Für Prostituierte werde es künftig eine Anmeldepflicht geben, so die Ministerin weiter.

In Berlin ist das Geschäft mit der käuflichen Liebe am größten, aber Hamburg liegt bundesweit auf dem zweiten Platz. In der Hansestadt arbeiten derzeit etwa 2500 Prostituierte. „Da es bislang keine Anmeldepflicht für Prostituierte gab, basiert diese Zahl auf Schätzungen. Wir können aber relativ genau nachvollziehen, wie viele Arbeitsplätze es gibt, an denen der Prostitution nachgegangen wird. Dazu zählen wir die Straßenprostitution genauso wie das, was in Bordellen, Clubs und Laufhäusern geschieht“, sagt Jörn Blicke, 56, der die Abteilung Milieukriminalität des Hamburger Landeskriminalamts (LKA) leitet. Außerdem gebe es etwa 250 Modellwohnungen, in denen Sexarbeiterinnen ihrer Arbeit nachgingen, so Blicke weiter.

Mit der Gesetzesnovellierung soll es nun auch verbindliche Zahlen geben. Die Anmeldepflicht gehört zu den wichtigsten Punkten der neuen Regelung: Die Anmeldung muss jeweils bei Aufnahme gewerbsmäßiger Prostitution in einer Kommune erfolgen. Für Prostituierte, die sich bei der zuständigen Behörde angemeldet haben, wird ein Nachweisdokument eingeführt, dass zum Beispiel gegenüber Bordellbetreibern, Behörden und gegebenenfalls auch gegenüber Kunden vorgelegt werden kann.

CDU und SPD hatten intensiv über die Inhalte des Gesetzesnovellierung diskutiert. Zunächst hatten die Christdemokraten gefordert, dass künftig für die Ausübung der Prostitution ein Mindestalter von 21 anstatt derzeit 18 Jahren gelten solle. Das kam nicht durch, aber: „Bei unter 21-Jährigen muss die Anmeldung jährlich erneuert werden und der Nachweis über eine medizinische Beratung alle sechs Monate erbracht werden. Das ist ein sehr gutes Instrument, um junge Prostituierte vor Ausbeutung zu schützen“, sagte Marcus Weinberg, familienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Landesvorsitzender der Hamburger CDU, dem Abendblatt. Weinberg betonte zudem: „CDU und CSU war die Novellierung des Prostitutionsgesetzes ein sehr wichtiges Anliegen. Deutschland wird bald nicht mehr das unkontrollierbare Bordell Europas sein.“

Für Hamburg sei das Gesetz von großer Bedeutung, weil die Stadt „eine der Rotlichthochburgen des Landes“ sei, so der CDU-Familienpolitiker. Durchgesetzt hat sich die CDU mit der Einführung einer Kondompflicht. Das heißt: Wenn der Freier gegen diese Pflicht verstößt, droht ihm eine Ordnungswidrigkeit. Die Bordellbetreiber sind verpflichtet, Kondome bereitzuhalten. Allerdings werden die Prostituierten selbst, sollten Verstöße gegen die Kondompflicht festgestellt werden, künftig nicht bestraft.

Jörn Blicke vom LKA begrüßt die Novellierung des Prostitutionsgesetzes. Denn in diesem sei bisher kaum etwas geregelt, kritisiert er. Für Blicke steht fest: „Wir brauchen vor allem die Anmeldepflicht. Denn bislang wird einfach der Prostitution nachgegangen und ein Großteil der Frauen zahlt keine Steuern, ist aber auch nicht kranken- oder rentenversichert.“

Seit 1985 beschäftigt sich Blicke mit der Milieukriminalität. Seine Abteilung geht Straftaten nach, die von Prostituierten angezeigt und/oder an Prostituierten begangen werden, wie beispielsweise Menschenhandel oder Zuhälterei. Er verfolgt aber auch schwere Gewalttaten und Schießereien im Milieu. Im Einzelfall werden auch Verfahren übernommen, wenn zum Beispiel Freier im großen Stil betrogen werden. So zuletzt, als in einer Absteige auf der Reeperbahn die Zahl der Kunden immer größer wurde, von deren EC-Karten an Geldautomaten von Prostituierten viel zu viel Geld abgehoben wurden. Die Geheimnummer hatten die offensichtlich gutgläubigen Freier den Frauen zur Zahlung des Liebesdienstes preisgegeben, aber oft wurde dann deutlich mehr abgehoben als ursprünglich vereinbart.

Auch Prävention sei ein großer Teil seiner Arbeit, berichtet Blicke: „Wir sind im Milieu unterwegs. Suchen das Gespräch mit den Prostituierten, den Bordellbetreibern, aber auch mit den Zuhältern.“ Die momentane Situation im Milieu beschreibt Blicke so: „Es ist relativ ruhig. Die Gebiete sind aufgeteilt und die Zuhälter und Bordellbetreiber wissen: Falls es untereinander Streit gibt, dann ist das schlecht für das Geschäft.“ Etwa 1500 bis 1800 Prostituierte, so schätzt es das LKA, sind Ausländerinnen. Sie kommen vor allem aus Rumänien und Bulgarien, sind jedoch meist freiwillig hier: „Die Frauen wissen, warum sie nach Deutschland kommen. Sie haben in ihrer Heimat keine Perspektive und wollen hier Geld verdienen. Das nennt man Armutsprostitution“, sagt Blicke. „Aber natürlich müssen die Frauen ihren Zuhältern oder auch Beschützern viel Geld geben. Da bleibt manchmal kaum noch etwas übrig. Aber meist ist es immer noch mehr, als sie in ihrer Heimat hätten.“

Das Problem des Menschenhandels sei in Hamburg kaum auffällig. In diesem Zusammenhang gebe es nur etwa 30 bis 50 Anzeigen pro Jahr, so Blicke. Viele Frauen hätten schlicht Angst, gegen ihre Peiniger auszusagen.