Stadt gibt Millionen aus. Politik fordert mehr Kontrolle. SPD-Abgeordneter: “Eine Art behördenübergreifendes Controlling ist unerlässlich.“

Hamburg. Die Bildungsbehörde war der 10. Geburtstag des bundesweiten Netzwerks Tusch (Tanz und Schule) mehr als 100.000 Euro wert. Die Einweihungsfeier des neuen Biogas- und Kompostwerks Bützberg ist mit 21.771 Euro zu Buche geschlagen; der WebfutureAward mit 40.000 Euro. Die Präsentation des Bestattungsforums auf dem Friedhof Ohlsdorf zählt da mit 5000 Euro noch zu den kleineren Ausgabeposten. Finanziert ist jedenfalls alles von der Stadt beziehungsweise städtischen Unternehmen. Wie auch Hunderte weitere Kosten für Kongresse, Preisverleihungen, Konferenzen, Tagungen oder Produktpräsentationen. Aufgeführt ist all dies in einer Liste, die der Senat als Antwort auf eine Kleine Anfrage des SPD-Abgeordneten Jan Balcke zusammengestellt hat. Gefragt wurde nach Veranstaltungen seit 2010 - die Kosten summieren sich auf rund 6,5 Millionen Euro.

Balcke sieht Handlungsbedarf. Im Abendblatt-Gespräch fordert er: "Es muss genau der Sinn und Nutzen für die Stadt hinterfragt werden, wenn Geld für Veranstaltungen und Sponsoring ausgegeben wird." Balcke weiter: "Eine Art behördenübergreifendes Controlling ist unerlässlich." Diese Forderung unterstützt auch Grünen-Wirtschaftsexperte Anjes Tjarks ebenso wie CDU-Vizefraktionschef Roland Heintze. Der vermutet: "Der Senat scheint orientierungslos ob der Fülle der Einzelaktivitäten, und jeder darf machen, was er will." Den Haushaltsexperten ist vor allem eine Veranstaltung aufgestoßen: "Kein Verständnis habe ich, wenn 42 648,15 Euro aus Anlass einer Konferenz zum 25. Jubiläum der Sanierung der Deponie Georgswerder mit 114 Teilnehmern ausgegeben werden." Welchen Inhalt diese Veranstaltung hatte und wo der Nutzen für die Stadt lag, diese Frage ließ Kerstin Graupner, Sprecherin der Umweltbehörde, unbeantwortet. Stattdessen griff Graupner die frühere schwarz-grüne Koalition an: "Die meisten aufgeführten Veranstaltungen sind vom Vorgängersenat konzipiert worden. Senatorin Jutta Blankau hat sich dagegen sehr schnell von Symbolveranstaltungen verabschiedet."

Die komplette Liste mit Veranstaltungen: Teil 1

Die komplette Liste mit Veranstaltungen: Teil 2

Der FDP-Wirtschaftsexperte Thomas-Sönke Kluth warf der Stadt vor, dass sich Behörden und städtische Unternehmen "offensichtlich inflationär als Veranstalter von Konferenzen, Tagungen und Kongressen betätigen". Auch Kluth übte konkrete Kritik an dem 10. Geburtstag des Netzwerks Tusch (Tanz und Schule): "Die fast 100.000 Euro hätte die Behörde besser für Schultheaterprojekte verwenden können", sagte Kluth. Die Behörde legt Wert darauf, dass Tusch eine "hohe Außenwirkung habe" und damit "künstlerische, ästhetisch und kulturelle Bildung" vermittelt wird, so Sprecher Peter Albrecht. In Verbindung mit zehn Jahren Tusch habe es neben Senatsempfang und Fachtagung auch 20 Großprojekte an Schulen gegeben.

Die Bandbreite der staatlich geförderten Veranstaltungen ist vielfältig. So finanziert die Senatskanzlei viele Events der Initiative Hamburg@work. Ein Beispiel: Für den Neptun Award - hier wurden Preise für die "besten crossmedialen Kampagnen" vergeben - bezahlte die Senatskanzlei 2011 und 2012 insgesamt 100.000 Euro. Inbeiden Jahren kamen zusammen etwa 800 Gäste. Der Nutzen für die Stadt?: "Zur Förderung des Medien- und IT-Standorts werden innerhalb der Schwerpunktthemen von Hamburg@work auch Awards und Kongresse durchgeführt", sagte Senatssprecher Christoph Holstein. Sie zeigten die künftigen Anforderungen innerhalb einer Branche auf und skizzierten Lösungsmöglichkeiten. Deutlich günstiger ist da die Ehrung der Ausbildungsbesten in der Pflege 2012 der Gesundheitsbehörde. Es kamen 150 Gäste, die Kosten: 1000 Euro. Für die Wellingsbüttler Gespräche mit je 100 Teilnehmern hat Hamburg Wasser 2010 und 2011 insgesamt 80.000 Euro ausgegeben. "Es handelte sich um eine Fachveranstaltungsreihe, bei der eine Vielzahl hochrangiger Experten aus dem gesamten Bundesgebiet aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik Entwicklungen rund um die Wasserwirtschaft interdisziplinär diskutiert haben", sagte Sprecher Matthias Sobottka. 2012 gab es keine Neuauflage. Begründung: "Inhaltliche Erwägungen."