Hamburger Seniorenheimbetreiber wird Aufsichtsrat halbieren und muss weniger Auskunft geben. Gewinn verdoppelt.

Hamburg. Der Hamburger Seniorenheimbetreiber Marseille-Kliniken wird künftig nicht mehr so viele Auskünfte über sein Geschäft geben müssen. Das Unternehmen verabschiedet sich vom Regulierten Markt an der Frankfurter Börse und wechselt in den sogenannten Freiverkehr. In diesem Segment müssen die Firmen weniger an ihre Aktionäre berichten. Nur ein Halbjahres- und ein Jahresbericht sind Pflicht, aber keine Quartalsberichte. Das spart Verwaltungsaufwand. Aktionärsschützer sind dennoch beunruhigt über diese Nachricht. Noch mehr verblüfft die Kleinaktionäre aber, dass der Aufsichtsrat des Unternehmens von sechs auf drei Personen halbiert werden soll. Denn der Sinn dieses Plans besteht keineswegs darin, Kosten zu sparen. Vielmehr wird sogar mehr Geld ausgegeben. Die bislang sechs Kontrolleure bekamen im Jahr 2011/12 insgesamt 153 000 Euro als Aufwandsentschädigung. Künftig sollen drei Aufsichtsräte 184 500 Euro verdienen können.

"Die Marseille-Kliniken waren schon immer eine Gesellschaft mit Besonderheiten", sagte Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), dem Abendblatt. Er fürchtet, dass auch wegen des Wechsels in den anderen Börsenindex die Aktie an Wert verlieren könnte. Denn die meisten Aktionäre halten lieber Papiere von Unternehmen, von denen sie quartalsweise informiert werden und damit auch mehr Einblicke in die Geschäfte ihrer Firma erhalten.

"Die Marseille-Kliniken waren noch nie Transparenzweltmeister", so Hechtfischer. Es handele sich um ein Unternehmen, "das man mit Skepsis begleiten muss". Am 19. Oktober sollen die Aktionäre auf einer außerordentlichen Hauptversammlung in Hamburg über die Pläne entscheiden. "Da ist der Ärger vorprogrammiert", sagte gestern ein Anteilseigner. Doch das ist nichts Besonderes. Die Treffen der Mitinhaber des Unternehmens waren bereits in der Vergangenheit meist turbulent. Insider gehen davon aus, dass der bisherige Aufsichtsrats- und ehemalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff auch in dem neuen Gremium vertreten sein wird. Auch der frühere "Bild"-Chef Hans-Hermann Tiedje, ein langjähriger Freund der Familie Marseille, dürfte nichts zu befürchten haben. Marseilles Frau Estella-Maria wird vermutlich die Dritte im Bunde der Kontrolleure sein. Der Unternehmer Ulrich Marseille selbst hat die operative Führung des Unternehmens längst abgegeben und gehört zumindest derzeit nicht dem Aufsichtsrat an.

Der Wechsel kommt in einer Zeit, in der das krisengeschüttelte Unternehmen langsam den Sprung in eine höhere Profitabilität schafft. Im Geschäftsjahr 2011/12 (endet am 30. Juni) konnte der Pflegeheimbetreiber sein Ergebnis vor Zinsen und Steuern von 5,7 Millionen auf 10,9 Millionen verdoppeln. Unterm Strich betrug das Konzernergebnis 6,5 Millionen Euro. Die Marseille-Kliniken sind mit rund 4700 Beschäftigten auf stationäre und ambulante Altenpflege spezialisiert und betreiben in Deutschland 60 Senioreneinrichtungen. Das Unternehmen durchläuft momentan einen strategischen Umbau, wozu unter anderem der Verkauf der Rehabilitationsparte gehörte und die Schaffung einer regionalen Führungsstruktur. In der jüngsten Vergangenheit waren die Marseille-Kliniken auch immer wieder durch Führungsturbulenzen in die Schlagzeilen geraten. Firmenchef Michael Thanheiser, dessen Vertrag vor wenigen Tagen vorzeitig bis März 2017 verlängert wurde, soll die Firma wieder in ruhigere Fahrwasser führen.

Nach den Angaben des Managers konnte Marseille im abgelaufenen Geschäftsjahr bereits erste Früchte des Umbaus ernten. Zu dem Gewinnsprung trugen auch gesunkene Ertragssteuern bei. Zudem konnte das Unternehmen die Belegung in Einrichtungen steigern, die zuvor unterdurchschnittlich gefüllt waren. Die Marseille-Kliniken setzten 195 Millionen Euro um - ein Plus von drei Prozent.

Zur weiteren Geschäftsentwicklung äußerte sich Thanheiser zuversichtlich. "Man kann mit Recht den Pflegemarkt als den Wachstumstreiber des deutschen Gesundheitsmarkts bezeichnen", sagte er. Für das aktuelle Geschäftsjahr 2012/13 stellte er ein leichtes Umsatzplus und einen Zuwachs des operativen Gewinns in Aussicht. Im aktuellen Geschäftsjahr wollen die Marseille-Kliniken die Belegung ihrer Häuser auf mehr als 90 Prozent steigern.

In den Übernahmekampf um den Krankenhauskonzern Rhön-Klinikum will sich der Hamburger Seniorenheimbetreiber nicht einmischen. "Das ist eine andere Größenklasse", sagte Thanheiser. Das Desinteresse scheint verständlich. Schließlich hat der Manager im eigenen Haus noch viel zu ordnen, ehe der sich gedanklich mit Expansionsplänen beschäftigen kann.