Die Menschen im Stadtteil sind empört über die Vorwürfe eines Geschäftsmannes. Der wurde zuvor von dem Verein für Mieterhöhungen kritisiert.

St. Georg. Der Streit um immer höhere Gewerbemieten an der Langen Reihe eskaliert. "Propaganda", die "eindeutig antisemitische Untertöne" enthalte, unterstellt Immobilienmakler Frank Jendrusch dem Bürgerverein zu St. Georg in einem Brief. Der Verein, der sich gegen immense Mietsteigerungen ausgesprochen hatte, prüft rechtliche Schritte gegen Jendrusch.

Der Vorwurf hat bei Einwohnern von St. Georg und Politikern für große Empörung gesorgt: "Mit dieser völlig abwegigen Unterstellung diffamiert Herr Jendrusch einen aktiven Bürgerverein, der sich um das Wohl des Stadtteils kümmert", sagte Grünen-Fraktionschef Michael Osterburg. Die bekannte jüdische Autorin Peggy Parnass, die in St. Georg lebt, sagt: "Diese Behauptung von Frank Jendrusch ist absurd, einfach Quatsch."

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Darum geht es: Hauseigentümer Jendrusch wird vorgehalten, dass er die Miete für die Fläche der traditionsreichen Buchhandlung Wohlers an der Langen Reihe um fast 200 Prozent, von 1400 auf 4100 Euro, anheben will. Das kann sich Jürgen Wohlers nicht leisten und muss das Geschäft an diesem Standort zum Jahresende schließen. Die angekündigte Mieterhöhung hatte zu Protesten geführt - im Juni hatten sich rund 400 Bürger zu einer Solidaritätskundgebung in der Langen Reihe zusammengefunden.

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Bereits vorher hatte der Vorsitzende des Bürgervereins, Helmut Voigtland, im Abendblatt kritisiert, dass eine Mietensteigerung um 200 Prozent wie im Falle der Buchhandlung unanständig sei. In einem offenen Brief, der auch im Stadtteilmagazin St. Georg abgedruckt wurde, hatte Voigtland zudem an Jendrusch appelliert: "Geben Sie Ihren Mietern eine faire Chance, hier zu bleiben. Als Makler und Grundeigentümer wissen Sie genau, dass nachhaltige Wertschöpfung sinnvoller ist als das schnelle Geld."

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Nachdem Helmut Voigtland den Brief mit den Vorwürfen von Jendrusch erhalten hatte, hatte er wiederum in einem Brief an den Makler "für diese Entgleisung" eine Entschuldigung gefordert und dafür eine Frist bis Dienstag, 18 Uhr, gesetzt - es kam aber nichts. Voigtland sagte dem Abendblatt: Es könne von Propaganda oder gar antisemitischen Untertönen keine Rede sein, der Bürgerverein habe lediglich seine Meinung kundgetan.

Unterstützung kommt auch von St. Georgs Quartiermanager Wolfgang Schüler: "Sicherlich muss Herr Jendrusch zurzeit viel Kritik aushalten, aber seine Reaktion ist falsch und entbehrt jeglicher Grundlage." Das Abendblatt hat Frank Jendrusch sowohl telefonisch als auch schriftlich um eine Stellungnahme gebeten. Bis Donnerstagabend gab es jedoch keine Reaktion.

Frank Jendrusch hat offensichtlich noch einen weiteren Gegner ausgemacht: Dem Verein Geschichtswerkstatt St. Georg wurde laut dem Vorsitzenden Michael Joho ein Schaukasten an einer Jendrusch-Immobilie an der Langen Reihe fristlos gekündigt: "Das wurde unter anderem damit begründet, dass die Geschichtswerkstatt über diesen Infokasten dem Einwohnerverein die Möglichkeit gebe, gegen Herrn Jendrusch Propaganda mit eindeutig antisemitischen Untertönen zu machen", sagte Michael Joho, der zugleich Vorsitzender des Einwohnervereins ist. Wegen dieses Vorwurfs prüfe der Einwohnerverein eine Verleumdungsklage.

Der ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeine, Ruben Herzberg, Direktor des Gymnasiums Klosterschule in St. Georg: "Ich schätze das Engagement des Bürgervereins und des Einwohnervereins, die sich für die Interessen der Menschen im Stadtteil einsetzen, völlig unabhängig von Herkunft und Religion." Der Vorwurf des Antisemitismus gegenüber diesen Vereinen sei vollkommen gegenstandslos.

Unterdessen gibt es neue Hoffnung für die Buchhandlung Wohlers. Heute will Andy Grote (SPD), Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, die Einladungen für einen runden Tisch Mitte September verschicken, an dem Vertreter aus dem Stadtteil, Wohlers und Jendrusch teilnehmen sollen: "Wir müssen gemeinsam eine Lösung finden, um dieses Traditionsgeschäft im Stadtteil zu halten", sagt Grote.

Einen weiteren runden Tisch soll es Ende September geben, zu dem er dann sämtliche Grundeigentümer der Langen Reihe einladen will: "Die Straße verliert durch überzogene Mieten immer mehr an Flair, weil dann bald nur noch Backshops, Cafés und Filialisten vertreten sind." Das könne nicht im Sinne der Vermieter sein.