Das Hamburger Biotechnologie-Unternehmen Evotec erforscht die Ursache für die Zuckerkrankheit. Weitere Wissenschaftler gesucht.

Hamburg. Sie ist streng abgeriegelt, die Zentrale des Hamburger Biotechnologie-Unternehmens Evotec. Die Türen öffnen sich nur mit einer Plastikkarte, die belegt, dass der Betreffende auch das Recht auf Zutritt hat. Im Hauptquartier, dem Manfred Eigen Campus, wird mit Hochdruck nach neuen Wirkstoffen gegen Krankheiten geforscht. Zigtausende Substanzen werden dazu täglich ausgewertet. Die Firma hat alle Hände voll zu tun. Nach dem Umzug von Stellingen nach Langenhorn im Januar ist die Beschäftigtenzahl allein am Standort Hamburg um 27 auf 194 gestiegen. "Wir suchen weitere Mitarbeiter", sagt Evotec-Chef Werner Lanthaler. Hoch qualifizierte Wissenschaftler würde er sofort einstellen - nicht nur in Hamburg, sondern auch am Evotec-Standort Göttingen.

+++ Es geht aufwärts: Evotec setzt auf Alzheimer-Mittel +++

Das Unternehmen forscht im Auftrag großer Pharmakonzerne. Doch das Erfinden von Medikamenten ist ein teures Geschäft. 99 Prozent aller Tests mit möglichen neuen Arzneimitteln gehen laut Lanthaler schief, etwa wegen gefährlicher Nebenwirkungen des potenziellen Wirkstoffes. Doch selbst wenn nur ein Kandidat tatsächlich von der Zulassungsbehörde genehmigt wird, hat sich die Mühe für Evotec und den Pharmahersteller gelohnt. Lanthaler kann hoffen, dass auch bald ein Mittel gegen Alzheimer zugelassen wird, das Evotec mit dem Arzneimittelkonzern Roche erforscht hat. Im zweiten Halbjahr soll eine Phase 2b gestartet werden. Konkret bedeutet dies, dass Menschen das Medikament und seine Auswirkungen testen.

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Der Wiener ist seit gut drei Jahren Evotec-Chef. Er hat das Unternehmen umgekrempelt und in die Gewinnzone geführt. "Das, was bei uns Weltklasse ist, haben wir ausgebaut, vom Rest haben wir uns getrennt", sagt er. "Und wir haben inzwischen ein gutes Produktportfolio." Weltweit arbeiten fast alle großen Konzerne mit den Hamburgern zusammen. Die Forschung wird von den Unternehmen finanziert. Beim Alzheimer-Wirkstoff zum Beispiel erhält Evotec im Erfolgsfall in verschiedenen Tranchen bis zu 820 Millionen Euro - und wird am Umsatz beteiligt, falls das Mittel tatsächlich auf den Markt kommt. Zehn solcher Projekte betreibt Evotec derzeit mit Pharmapartnern.

Wohl auch, weil die Hamburger in der Fachwelt einen guten Namen haben, ist es dem Unternehmen vor knapp zwei Jahren gelungen, eine Forschungskooperation mit der amerikanischen Harvard-Universität einzugehen. "Wir haben uns vorgenommen, einen Wirkstoff gegen Diabetes zu finden", sagt Lanthaler. Derzeit haben betroffene Patienten nur die Möglichkeit mit Medikamenten wie etwa Insulin, ihr Leiden zu behandeln. Doch das kann mit Nebenwirkungen wie Sehschwäche oder Nierenproblemen verbunden sein.

Der Harvard-Forscher Douglas Melton will dagegen präventiv gegen die Krankheit vorgehen. Im Zentrum der Zusammenarbeit stehen deshalb Wirkstoffe, die die Regeneration von Insulin produzierenden Betazellen im Körper auslösen können. "Wir bekämpfen damit die Ursache von Diabetes und nicht nur die Symptome", so Lanthaler. Die Wirkstoffe seien aber noch in einem frühen Entwicklungsstadium, es wird also noch Jahre dauern, ehe die Arzneimittel auf den Markt kommen - falls sie sich als tauglich erweisen.

Harvard hat die Wirkstoffe entwickelt, die jetzt von Evotec weiter analysiert werden. Melton gilt als führender Wissenschaftler in der Betazellen-Forschung. Evotec hingegen verfügt laut Lanthaler über die weltweit wohl beste Testinfrastruktur für das Projekt. Das sei der Grund gewesen, dass die renommierte US-Universität Forschungspartner des Hamburger Unternehmens geworden ist. Der Markt ist lukrativ. Im vergangenen Jahr gab es laut der International Diabetes Federation weltweit 366 Millionen Zuckerkranke, Schätzungen zufolge werden es bis 2030 rund 552 Millionen Menschen sein.

Auch deshalb haben sich mehrere große Pharmaunternehmen als Partner der Forschungskooperation beworben. Den Zuschlag bekam Jannsen, die Pharmatochter des US-Riesen Johnson & Johnson. "Die Kosten für einen Medikamententest können in die Milliarden gehen. Deshalb haben wir uns für ein Unternehmen entschieden, das finanziell in der Lage ist, solche Versuche bis zum Ende zu führen", so Lanthaler.

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Im ersten Schritt haben Harvard und Evotec von dem Unternehmen zusammen acht Millionen Dollar (6,5 Millionen Euro) erhalten. Je nach Fortschritt winken Evotec zudem erfolgsabhängige Zahlungen in Höhe von 200 bis 300 Millionen Dollar. Ob die Forschung erfolgreich verlaufen wird, kann Lanthaler heute noch nicht sagen. "Aber durch unsere Testinfrastruktur werden wir dies zügig feststellen können. Falls wir falsch liegen, wissen wir wenigstens, dass Betazellen gegen Diabetes nicht helfen können."

Die Forschungskompetenz von Evotec in Hamburg und Göttingen soll auch anderen Unis angeboten werden. "Natürlich würden wir auch gerne mit Universitäten in Europa zusammenarbeiten", sagt Lanthaler. Im Manfred Eigen Campus trimmt er die Firma auf weiteres Wachstum. "In diesem Jahr soll der Umsatz von zuletzt 80,1 Millionen Euro im zweistelligen Prozentbereich zulegen, wie auch der Gewinn, der 2011 bei 6,7 Millionen Euro lag", sagt er.

"Wir haben das Haus bewusst nach dem Nobelpreisträger Manfred Eigen benannt", sagt er. Dem deutschen Forscher wurde 1967 der Nobelpreis für Chemie in Anerkennung seiner Arbeiten zur Geschwindigkeitsmessung von schnellen, chemischen Reaktionen verliehen. Eigen hat auch mit dazu beigetragen, dass sich die Biotechbranche in Deutschland ansiedeln konnte. Er war Mitbegründer unter anderem von der Biotechfirma Qiagen - und von Evotec. "Ohne sein Engagement hätte es Evotec nie gegeben", sagt Lanthaler.