Beschäftigte kämpfen Tag und Nacht gegen die Datenprobleme. Ein Besuch in der Krisenzentrale der Hamburger Sparkasse.

Hamburg. Thomas Tänzer sieht müde aus. "Natürlich habe ich hier schon einige Nächte verbracht", sagt der Chef der IT-Abteilung der Hamburger Sparkasse. Seit der teilweise missglückten elektronischen Umstellung auf ein SAP-System zum Monatsanfang arbeiten er und seine bis zu 600 Kollegen auf Hochtouren, im Drei-Schicht-Betrieb, Tag und Nacht. Normalerweise hat Tänzer weniger Mitarbeiter unter sich. Ein Drittel der Belegschaft besteht jetzt aus externen IT-Experten.

10 000 Haspa-Firmenkunden, die ihre Konten online führen, haben immer noch keinen Zugang zu ihren Daten. "Auswirkungen in diesem hohen Ausmaß haben wir nicht erwartet", sagt Leitstandmanager Thorsten Wulf. Er hat bereits dunkle Ringe unter den Augen. Während Wulf seinen Urlaub vorsichtshalber erst gar nicht in den Sommerferien plante, hat der IT-Experte Joachim Marx inzwischen seine Ferien abgesagt, um seinen Kollegen im Leitstand zu helfen. Seine Lebenspartnerin Sandra Krause, mit der er eine Radtour nach Sylt machen wollte, muss sich damit abfinden.

Im fünften Stock in der Haspa-Niederlassung am Wikinger Weg befindet sich das Zentrum, in dem die Krise gemanagt wird. Es sieht dort unspektakulär aus, viele Schreibtische mit Computern, manche leer, weil dort die Kollegen aus anderen Schichten arbeiten. Bilder von Datenströmen auf Bildschirmen. Wulf und seine Kollegen suchen nach den Gründen der Probleme, diskutieren Lösungswege, spielen diese immer wieder durch, bis sie sicher sein können, die Datenpanne der Haspa damit zu beheben. Einer davon ist Sascha Sturmberg. Er gehört zu den Experten, die die Haspa für die Umstellung angeheuert hat. Sturmberg reist quer durch die Republik, begleitet solche Megaprojekte. Seine Familie in Bonn hat er seit Ende Juni nicht mehr gesehen.

Wann die Probleme gelöst sind, kann heute noch keiner sagen. Immerhin, Fehler auf Kontoauszügen, wie etwa bei dem Norderstedter Haspa-Kunden, der über Nacht auf dem Papier zum Millionär geworden ist, sind ausgemerzt. Auch kommen die meisten der zuvor gesperrten 1000 Onlinekunden schon wieder an ihr Konto. Jetzt wird mit Hochdruck an den Firmenkonten gearbeitet. Doch nun taucht offenbar ein neues Problem auf. Der Hamburger Unternehmer Peter Bardehle, der seit Tagen keinen Zugriff mehr hat, sagte gestern dem Abendblatt, dass inzwischen seine Überweisungen im Inland zwar ausgeführt würden. "Aber bei EU-Überweisungen hapert es weiterhin. Ein gutes Dutzend meiner Zahlungsaufträge in die EU sind seit zwei Wochen wegen des Bankfehlers nicht ausgeführt worden. Die Haspa hat angeboten, diese manuell zu bearbeiten, allerdings müssen wir dazu aus der Buchhaltung vom Steuerberater noch mal alle Rechnungen heraussuchen lassen."

In der Haspa-Filiale an der Ecke Grindelallee/Rentzelstraße ist es inzwischen ruhiger geworden. "Heute ist der erste Tag mit weniger Aufwand. Vielleicht wegen der Ferien", sagte Ronny Tiedemann, der stellvertretende Filialleiter. Er und seine Kollegen haben in den vergangenen Tagen Tausende Überweisungen und Lastschriftverfahren für Firmenkunden erledigt, die immer noch nicht am Haspa-Netz sind. "In normalen Tagen arbeiten wir in unserer Filiale zwei Taschen mit Überweisungen für Kunden ab. In den vergangenen Tagen waren es im Schnitt neun", sagt Serviceleiterin Anja Schulze. Das entspricht mindestens 1000 Stück. Jeder Vorgang muss manuell am Computer eingetippt werden. "Damit blieb weniger Zeit für andere Aufgaben", sagt Tiedemann. Oft saß er deshalb noch abends am Schreibtisch und beschäftigte sich mit den alltäglichen Dingen wie Kreditanfragen, die tagsüber liegen geblieben sind.

Auch wenn sich die Lage gestern beruhigt hat, ist für die 5600 Mitarbeiter von Deutschlands größter Sparkasse noch keine Entspannung in Sicht. Sie werden weiter per Hand Kontonummern, Summen und Bankleitzahlen in den Computer tippen müssen, weil Kunden dies wegen der Panne nicht selbst tun können. Sie machen dies, um ihre Kollegen zu entlasten.

Über der Filiale am Grindel befindet sich die Abteilung für Firmenkunden mit 55 Mitarbeitern. Das Kundencenter selbst hat 19. Gestern fand mal wieder ein Krisengespräch statt. Firmenkundenleiter Thorsten Ruck brauchte noch einen weiteren Beschäftigten. Sein Kollege aus der Individualkundenabteilung hat ihm Lucas Kostka geschickt. Jetzt tippt der Finanzexperte, der ansonsten die vermögenden und vermutlich anspruchsvollsten Kunden des Instituts betreut, die Kundenaufträge in den Computer.

Die Filiale hat viele Firmenkunden. Auch deshalb haben Mitarbeiter wie Christian Heins und Stefan Gläser inzwischen auch schon freiwillig einige Stunden am Wochenende gearbeitet, um nachzuholen, was aus ihrem Bereich wegen der Datenpanne über die Woche liegen geblieben ist.

"Sie hätten mal am Sonnabend kommen sollen", sagt Andreas Wanner, Filialleiter am Jungfernstieg. Sie hat auch an diesem Tag geöffnet, und Wanner hatte die Zahl der Mitarbeiter um zwei auf zwölf erhöht. Verunsicherte Kunden und solche mit Pannen auf dem Konto rannten ihm die Bude ein. "Vor lauter Menschen konnte man fast nicht mehr den Boden erkennen."