Hochtief hat die Arbeiten an der Elbphilharmonie weitgehend eingestellt. Eröffnungstermin steht wegen Planungsstreits erneut infrage.

Hamburg. An Hamburgs neuem Wahrzeichen sind die Bauarbeiten fast vollständig zum Erliegen gekommen. Nach Informationen des Abendblatts wird an vier neuralgischen Punkten der Elbphilharmonie seit Monaten nicht mehr gearbeitet - in einigen Bereichen sogar seit mehr als einem Jahr. Betroffen sind die historische Bestandsfassade, die gesamte Haustechnik im Konzert- und öffentlichen Bereich, das Tragwerk des Daches vom Großen Konzertsaal sowie die Verkleidung der rund 80 Meter langen Rolltreppe ("Tube"). Grund für den Stillstand sind heftige Auseinandersetzungen um die Planung und Ausführung der Arbeiten.

Die Stadt als Bauherr und der Essener Baukonzern Hochtief als Generalunternehmer streiten vor Gericht und mit eigenen Gutachtern derart heftig um die ordnungsgemäße Fortführung der Baumaßnahmen, dass Hochtief in zahlreichen Bereichen die Arbeiten gestoppt oder eingestellt hat. "So, wie es jetzt läuft, werden wir das Projekt zu keinem guten Ende bringen können", sagte Hochtief-Sprecher Bernd Pütter dem Abendblatt. "Wir wünschen uns eine komplette Neuordnung und stehen dafür zur Verfügung, mehr Verantwortung zu übernehmen." Unter anderem würde der Konzern auch die Planung des Bauwerks übernehmen, die überwiegend in den Händen der Architekten Herzog & de Meuron liegt. Dieses komplizierte Dreiecksverhältnis zwischen Stadt, Architekten und Baufirma gilt als Auslöser vieler Probleme.

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Dramatisch ist die Lage bei der hochkomplexen Statik für das gewaltige Dach des Großen Saals. Hier wird seit mehr als einem Jahr über die Berechnungen des Tragwerks gestritten. Die Auseinandersetzung gipfelte in einem Schreiben von Hochtief an Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos), in dem der Konzern am 20. September dieses Jahres ankündigte, "die Arbeiten am Saaldach aus Sicherheitsgründen Mitte Oktober einzustellen". Hochtief ist der Meinung, "dass eine erhebliche Gefahr für Sache und (schlimmstenfalls) auch Personen entstehen kann". Die befürchteten statischen Überbeanspruchungen könnten auch erst nach geraumer Zeit eintreten, dann drohe "auch eine Einstellung des Konzertbetriebs". Die Kulturbehörde zeigte dafür kein Verständnis und verwies auf Abendblatt-Anfrage darauf, dass die Bauaufsichtsbehörden auf Bitte von Hochtief die Planungen abgesegnet hätten. Am 10. November werde es dazu ein Gespräch geben.

Ein weiterer Beleg für den Stillstand auf der Baustelle ist die Anzahl der dort momentan tätigen Arbeiter. Während in der Spitze schon gut 500 Menschen an dem Konzerthaus werkelten, und diese Zahl eigentlich auf bis zu 900 hätte steigen sollen, sind es derzeit nur etwa 250. Mittlerweile geraten nach Darstellung von Hochtief auch erste Subunternehmer in Schwierigkeiten, weil sie nicht weiterarbeiten können und kein Geld erhalten. Einige Firmen sollen bereits angedroht haben, die Baustelle zu verlassen. Während Hochtief die niedrige Zahl der Arbeiter als Folge fehlender Pläne und Abstimmungen betrachtet, wirft die Stadt dem Konzern umgekehrt vor, die Verzögerungen am Bau seien Folge des unzureichenden Personaleinsatzes.

Die Situation ist mittlerweile so verkantet, dass der bereits mehrfach verschobene Eröffnungstermin erneut zur Debatte steht. Nachdem das Konzerthaus gemäß geltendem Vertrag Ende dieses Monats fertig sein müsste, hatte Hochtief zuletzt Mitte April 2014 als Termin genannt. Jetzt heißt es in einer Stellungnahme der Baufirma, die dem Abendblatt vorliegt: "Der zuletzt von uns avisierte Fertigstellungstermin am 15.4.2014 kann vor dem Hintergrund der aktuellen Situation nicht mehr eingehalten werden." Auch die Kosten für die Stadt von bislang 323 Millionen Euro dürften weiter steigen.

Dennoch hatte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) noch am Mittwoch geäußert, es gebe "einen ordentlichen Stand der Kooperation mit dem Bauunternehmen". Gestern sagte ein Senatssprecher: "Der Bürgermeister ist sehr an einer Lösung der momentan angestrengten Situation interessiert." Vorrang habe aber "die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Stadt gegenüber Hochtief". Die Einberufung eines "Gipfels" sei nicht erforderlich, weil Bürgermeister und Kultursenatorin mit Hochtief in Kontakt stünden.