Mutterkonzern ThyssenKrupp steckt in einem tief greifenden Umbauprozess und könnte Teile der Werft noch vor Ende September verkaufen.

Hamburg. Hamburgs letzte Großwerft Blohm + Voss könnte schon in den kommenden Wochen aufgeteilt werden. Nach Informationen des Abendblatts verhandelt der Mutterkonzern ThyssenKrupp mit einem europäischen Finanzinvestor über den Verkauf des Zivilschiffbaus, des Reparaturgeschäfts und der Maschinenbausparte bei Blohm + Voss. Dort arbeiten mehr als 1400 der insgesamt gut 1900 Beschäftigten der Werft.

Anfang Juli waren nach fast zweijährigen Verhandlungen die Gespräche zwischen ThyssenKrupp und Abu Dhabi Mar (ADM) aus den Vereinigten Arabischen Emiraten über einen Verkauf des größten Teils von Blohm + Voss gescheitert. Der Düsseldorfer Konzern kündigte daraufhin an, unverzüglich weiter an einem Verkauf der zivilen Bereiche bei der Hamburger Werft zu arbeiten. "Das gilt nach wie vor", sagte eine Sprecherin gestern dem Abendblatt. Zugleich dementierte ThyssenKrupp Medienberichte über Verhandlungen mit der französischen Staatswerft DCNS über einen Verkauf von Blohm + Voss. Es würden keine Gespräche mit DCNS geführt, es seien auch keine Termine dafür geplant.

Hamburger Experten äußerten gestern ihre Sorge darüber, dass Blohm + Voss bei einem raschen Verkauf des zivilen Schiffbaus Schaden nehmen könnte. "Wir möchten einen Investor mit einem industriellen Konzept für den zivilen und möglichst auch für den militärischen Schiffbau bei dem Unternehmen", sagte Heino Bade, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der ThyssenKrupp-Werftenholding TKMS, der bei der IG Metall Küste zuständig für den Schiffbau ist. "Die Chancen und die Potenziale der Werft können im harten internationalen Wettbewerb nur erhalten werden, wenn die Entwicklung und der Schiffbau auch künftig eng verbunden bleiben." ThyssenKrupp stehe unter erheblichem Druck seiner Aktionäre, noch vor dem Ende des Geschäftsjahres zum 30. September den zivilen Schiffbau zu verkaufen. Der Stahl- und Industriekonzern soll neu ausgerichtet, ertragsschwache Bereiche sollen abgestoßen werden. Die Entwicklung und den Vertrieb von Marineschiffen mit 500 Beschäftigten in Hamburg will der Konzern nach Angaben von Anfang Juli jedoch behalten.

Der Hamburger Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs (SPD) plädierte gestern ebenfalls für eine industrielle Lösung, und dies möglichst unter deutscher Regie. "Sollte ThyssenKrupp nur Teile von Blohm + Voss an einen Finanzinvestor verkaufen, wäre das schlecht für den Standort Hamburg", sagte Kahrs, in dessen Wahlkreis Hamburg-Mitte die Werft liegt.

Abu Dhabi Mar wollte nach einer Übernahme von Blohm + Voss speziell im arabischen Raum neue Kunden für Marineschiffe und Großyachten werben. Dabei sollte ThyssenKrupp zur Hälfte an dem Geschäft mit Marineschiffen beteiligt bleiben. Vor allem wegen der politischen Unruhen in der Region erschien dieses Konzept für eine Neuausrichtung von Blohm + Voss mit ADM aber offenbar kaum mehr tragfähig. "Die vergangenen zwei Jahre waren für Blohm + Voss verlorene Zeit", sagte Bade. "ThyssenKrupp hat in Hamburg kaum mehr investiert. Die Werft war am Markt praktisch nicht mehr präsent."

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