Melissa ist Herrscherin über Hagenbecks individuenstärkste Tierart - der Blattschneiderameisen - auch wenn ihr Gehege eines der kleinsten ist.

Hamburg. Ob Melissa schon von der Planung weiß? Sollte eine ihrer Arbeiterinnen davon Wind bekommen haben, wird sie es der Königin sicherlich durch ein aufgeregtes Fühlertrillern weitergeleitet haben. Melissa ist Herrscherin über Hagenbecks individuenstärkste Tierart - auch wenn ihr Gehege eines der kleinsten ist. Doch eben das könnte sich für die Blattschneideameisen schon bald ändern.

"Wir planen eine Erweiterung für die Ameisen", sagt Tierpflegerin Marion Minde. In Hagenbecks Tropen-Aquarium kann man das emsige Volk neben dem Eingang zum Stollen beobachten. Drei Kammern stehen den mehreren Hunderttausend Insekten zur Verfügung: die Blätter-, Pilz- und die Abfallkammer. Alles verbunden durch Plexiglas-Röhren, damit Besucher jeden Schritt der sechsbeinigen Tiere verfolgen können. Und diese Röhren sollen, so die Planung, zukünftig über den Stollen hinweglaufen und größere Kammern miteinander verbinden, sagt Minde.

Mit ihren Blattsegeln, die sie in langen Reihen von den Futterbäumen zum Bau schleppen, gehören Blattschneideameisen zu den auffälligsten Vertretern der Ameisen. Ihr Verbreitungsgebiet umfasst die Tropen und Subtropen Amerikas, von Texas bis in den Süden Argentiniens. Die Ameisen fressen die Blattstückchen, die die Erntearbeiterinnen aus den Blättern herausbeißen, allerdings nicht: Die Insekten sind kunstvolle Gärtner. Auf einem Rasen aus zerkauten Blättern - mit Hohlräumen durchzogen, fast wie ein Badeschwamm - züchten sie sorgfältig einen Pilz heran. Und von diesem ernähren sie sich.

"Bei uns bekommen die Ameisen zweimal täglich Blätter, von Brombeerbüschen und Liguster", sagt Marion Minde. Eine große Hand voll Grünzeug zerlegen die Insekten in nur 20 Minuten. Wenn die Pfleger an die Kammern herantreten und sie öffnen, werden sie immer schon erwartet: "Die Ameisen verteidigen ihr Gehege gut, spüren unser Kommen schon durch die Vibration", sagt Minde. Ein paar würden bei solchen Gelegenheiten immer ausbüxen - aber das sei nichts gegen den großen Ausbruch neulich. Da hatten sich die Ameisen an einer Stelle durch die Dichtung gebissen und bereits eine Straße in die umliegende Bepflanzung angelegt. "Die wollten wohl ihr Nest verlegen", vermutet Minde. Doch wie fängt man Ameisen ein? Minde: "Mit einem Staubsauger, auf niedrigster Stufe."

Die Königin hat Minde übrigens nach ihrer Patentochter (6) benannt (ist nicht jede Patentochter eine kleine Königin?). Die Königin der Blattschneideameisen hat mit 20 Jahren die längste Lebensdauer. "Aber sie sitzt ja auch nur gemütlich in der Mitte des Pilzes rum, lässt sich bedienen und legt ab und zu ein paar Eier", sagt Minde und lacht. "Ein paar" ist dabei großzügig untertrieben: Bis zu 150 Millionen Arbeiterinnen produziert eine Königin in ihrem Leben. Wenn die bis zu 15 Millimeter langen Insekten sterben, werden sie von speziellen Arbeitern auf die Abfallhalde transportiert. Minde: "Das ist die einzige Kammer, die wir säubern - den Rest machen die Tiere selbst."

Insgesamt seien die Blattschneideameisen unkompliziert in der Haltung. Man müsse nur darauf achten, dass es in den Kammern nicht zu feucht würde, so Minde: "Dann schimmelt der Pilz und geht ein. Und mit ihm die Ameisen." Bevor das passiert, würden sie den Tieren Haferflocken füttern. Die binden so schön die Feuchtigkeit.

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