Der komisch geformte Ast, der da ins Wasser ragt, ist gar keiner! Es ist ein gepanzerter Schwanz ...

Hamburg. Zuerst sieht man viele kleine bunte Fische. Dann, plötzlich, stockt der Atem: Der komisch geformte Ast, der da ins Wasser ragt, ist gar keiner! Es ist ein gepanzerter Schwanz, und hebt man den Blick über die Wasserlinie, hängt ein ganzes Krokodil daran. 3,20 Meter urtümliche Kraft, zahnbewehrt, unbewegt. Es ist Rhaya: Das Chef-Reptil in Hagenbecks Tropen-Aquarium.

Seit Öffnung des Hauses 2007 zählen die vier Nilkrokodile zu den absoluten Publikumslieblingen. Wie oft hatten gerade Kinder in den Jahren davor nach den großen Echsen im Hamburger Tierpark gesucht! Heute können auch große Besucher den Blick kaum abwenden, hingerissen zwischen Faszination und wohligem Schauer, wenn sie Rhaya und seine drei Damen Audrey, Vicky und Mangrovia ins Wasser des Krokodilsees gleiten sehen. Aufpassen müssen vor allem die Fisch-Mitbewohner der räuberischen Reptilien: die Barsche und Tilapien. "Für die stehen die Krokodile schon mal in Warteschleife", sagt Dr. Guido Westhoff (40), Leiter des Tropen-Aquariums.

Nicht dass die vier Krokodile, die im Mai 2007 als Jugendliche aus Frankreich nach Hamburg kamen, nicht ausreichend gefüttert würden. Westhoff: "Dreimal pro Woche gibt es bei einer Show-Fütterung, bei der die Tiere auch aus dem Wasser schnellen müssen, je zwei Fische pro Tier. Alle drei Wochen gibt es außerdem eine Fütterung, die der reinen Nahrungsaufnahme dient. Dabei füttern wir Ratten und Kaninchen." Insgesamt 3000 Zähne kann ein Nilkrokodil in die Beute schlagen - insgesamt, über sein Leben verteilt, da ihm ausgefallene Zähne nachwachsen.

Rhaya wird von Westhoff als ruhiger Charakter beschrieben - und als "ziemlich schlau". Mit 14 Jahren ist er gerade aus der Pubertät heraus - "und hat das dieses Jahr auch leidlich genutzt", berichtet der Biologe. Wirbt ein Nilkrokodil-Männchen um ein Weibchen, blubbert es so lange Luftblasen um seine Auserwählte herum, bis sie sich wie in einem Whirlpool vorkommen muss. Das Resultat in Hamburg: Ein Weibchen legte sechs Eier im Sand ab, zwei kleine Krokos schlüpften. Westhoff: "Damit hatten wir nicht gerechnet. Aber es spricht für unsere Haltung." In freier Wildbahn bewachen die Weibchen ihre Jungen zwei Jahre lang - dennoch passiert in 80 Prozent der Fälle das, was bei Hagenbeck passierte: Ein erwachsenes Krokodil fraß die Jungen. Jäger oder Gejagter? Auch das ist Natur.

Etwas anderes jedoch hatte die gewaltigen Echsen, die bis zu sechs Meter Länge erreichen können, bereits an den Rand des Aussterbens geführt: die Krokoleder-Mode. Ein umfassender Schutz ließ die Population in Seen und Flüssen Afrikas wieder anwachsen. Doch zu sicher sollten sich die Reptilien dennoch nicht fühlen, wie eines gerade dieser Tage in der Serengeti zu spüren bekam: Als es dreist über die Rücken einer Gruppe im Fluss ruhender Flusspferde hinwegmarschieren wollte, bezahlte es das mit seinem Leben. Rhaya hingegen hat höchstens die Zickereien seiner Weibchen zu fürchten.

Nächsten Mittwoch: Jerry, das Minipig