Der Axolotl, ein Schwanzlurch aus der Familie der Querzahnmolche, bleibt sein Leben lang im Larvenstadium.

Hamburg. Meinem Kollegen Axel ging es bis vor Kurzem so wie den meisten Menschen: Er hatte von der Existenz des Axolotls keinen Schimmer. Während der Kollege erst an einen Scherz seiner kleinen Tochter ob seines Vornamens dachte, als sie mit detaillierten Informationen zu dem außergewöhnlichen Tier aus der Schule nach Hause kam, wurden viele andere Deutsche Anfang des Jahres durch Helene Hegemanns Debütroman "Axolotl Roadkill" mit dem Schwanzlurch bekannt - wenn auch nur literarisch. In Hagenbecks Tropenaquarium leben 27 dieser Tiere, die nicht erwachsen werden wollen.

Montezuma erblickte das Licht seiner Wasserwelt Ostern 2006. Das Axolotl-Männchen schlüpfte bei Maike Hansen aus dem Ei. Die Mitarbeiterin der Hagenbeck-Pressestelle züchtet die Amphibien seit 20 Jahren. "Ein Bekannter hatte ein Zoogeschäft, und eines Tages hatte er plötzlich einen Axolotl. Ich fand das Tier gleich spannend, und nach einer Weile hat er ihn mir geschenkt - weil er wie Blei im Regal lag, wie der Bekannte sagte." Seitdem ist Maike Hansen den "Wassermonstern", wie die grobe Übersetzung aus der aztekischen Sprache Nahuatl lautet, verfallen. "Diese Augen! Diese Münder! Und dann sind sie noch dazu pflegeleicht, fusseln nicht, machen keinen Krach und fassen sich an wie eine Mischung aus Samt und Gelatine." Und sie haben eine außergewöhnliche Entwicklungsgeschichte.

Der Axolotl, ein Schwanzlurch aus der Familie der Querzahnmolche, bleibt sein Leben lang im Larvenstadium. "Dabei erreicht er zwar die Geschlechtsreife, aber ohne seine Larvengestalt zu verändern und die für Amphibien übliche Metamorphose zu durchlaufen", sagt Hansen. Der Grund: ein Schilddrüsendefekt: Für die Metamorphose notwendige Hormone können nicht ausgeschüttet werden. Somit sitzt Montezuma also seit vier Jahren und - bei einer Lebenserwartung von 20 Jahren - vermutlich noch die nächsten 16 Jahre unter Wasser und atmet durch äußere Kiemenäste, ganz so, als habe er bei der Evolution den Landgang verpasst.

Alexander von Humboldt brachte 1804 die ersten beiden Axolotls nach Europa, die im Pariser Naturkundemuseum als Kuriosität bestaunt wurden. Mittlerweile stammen alle Aquarien-Tiere aus Nachzuchten, da der Export aus ihren Herkunftsseen in Mexiko streng verboten ist. Maike Hansen brachte Montezuma ("Er war der Hübscheste - und ein echter Casanova") und 15 seiner Geschwister zu Hagenbeck, wo die wildfarbenen, braunen Tiere mit zwölf Albinos in einem kleinen Teich im Tropenaquarium leben. Gleich unter den Geißelspinnen, die, sollten sie ins Wasser fallen, durchaus Beute der bis zu 28 Zentimeter langen Amphibien werden könnten. Hansen: "Axolotls fressen alles, was sie ins Maul bekommen."

Im Freiland erbeuten die Lauerjäger vor allem Krebstiere, Insektenlarven, kleine Fische und den Laich sowie die Jungtiere anderer Lurche und sogar eigene Nachkommen. Gerät dabei ein Arm oder Bein eines erwachsenen Artgenossen ins Maul, ist der Verlust nicht dauerhaft: Eine weitere spektakuläre Eigenschaft der Axolotls ist die Fähigkeit, Gliedmaßen, Organe und sogar Teile des Gehirns und Herzens wiederherstellen zu können. Hansen: "Arme und Beine wachsen komplett nach. Manchmal gleich doppelt." Vielleicht verehrten die Azteken den Axolotl auch deshalb als heiliges Tier. Was sie allerdings nicht davon abhielt, ihn an besonderen Tagen als Festessen zu verspeisen.

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