Ein 55-Jähriger soll zehn Wagen angezündet haben. Er könnte auch der “Feuerteufel von Lurup“ sein. Jetzt drohen ihm mehrere Jahre Haft.

Neustadt. Der Mann bemüht sich, cool zu wirken. Die lässige Haltung, die leicht geblähten Wangen, der herablassende Blick, mit dem er abwechselnd das Gericht und die Zuschauer taxiert. Doch unter der Oberfläche ist auch eine gewisse Unsicherheit zu erahnen, vielleicht auch eine Spur Resignation. Wilfried M. wird wissen, dass es hier im Prozess vor dem Landgericht um sehr viel geht, möglicherweise um Jahre im Gefängnis. Der 55-Jährige steht im Verdacht, ein Verbrecher zu sein, ein Serienbrandstifter. Ist er gar der "Feuerteufel von Lurup"?

Lange hatte eine beispiellose Serie von Autobrandstiftungen die Hamburger in Atem gehalten. Allein im vergangenen Jahr hatten 293 Wagen in Flammen gestanden. Die Ermittlungen der Polizei liefen auf Hochtouren, Beamte patrouillierten zum Teil nächtelang auf den Straßen. Dann ging den Ermittlern nach längerer Observation mit Wilfried M. ein Verdächtiger ins Netz. Seit Ende vergangenen Jahres sitzt der arbeitslose Mann in Untersuchungshaft.

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Zehn Brandstiftungen legt die Staatsanwaltschaft dem gebürtigen Lüneburger zur Last. Demnach hatte er es offenbar vor allem auf hochwertige Fahrzeuge abgesehen. Zunächst soll er am 29. Mai vergangenen Jahres am Kroonhorst in Lurup vier Wagen in Brand gesetzt haben, indem er jeweils Grillanzünder auf einen Reifen legte und anzündete. Das nächste Mal schlug Wilfried M. laut Staatsanwaltschaft am 22. Dezember in Bramfeld zu, als er drei Autos, unter anderem einen Audi A 4, anzündete. Zuletzt soll er an der Claudiusstraße in Marienthal drei Wagen in Brand gesetzt haben, darunter einen BMW X 6. Der 55-Jährige stehe im Verdacht, weitere Brandstiftungen an Kraftfahrzeugen begangen zu haben, sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers dem Abendblatt. "Der Verdacht konnte aber bisher nicht erhärtet werden." Bei einer Hausdurchsuchung wurden bei dem Angeklagten zudem 132 Patronen scharfer Munition entdeckt. Deshalb muss er sich auch wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten. Er ist vielfach strafrechtlich vorbelastet, zuletzt wegen Diebstahls. Jetzt drohen ihm mehrere Jahre Haft.

Lustlos lässt Wilfried M. die Verlesung der Vorwürfe an sich abprallen, zu den angeklagten Taten mag der Mann mit der goldgeränderten Pilotenbrille, dem ausgeleierten T-Shirt und dem strähnigen Haar nichts sagen. Schon bei den elementaren Angaben zeigt Wilfried M. sich störrisch. "Das haben Sie doch alles", schnappt er auf die Frage der Vorsitzenden Richterin nach seinem Geburtsdatum. Und die Antwort auf die Frage nach seiner Adresse verweigert er ganz: "Ich möchte keine weiteren Angaben machen." "Mein Mandant macht von seinem Schweigerecht Gebrauch", sagt sein Verteidiger für ihn. Ein weiterer Anwalt hatte am Morgen vor dem Prozessauftakt mitgeteilt, er vertrete den 55-Jährigen nicht länger.

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Bei seiner polizeilichen Vernehmung hatte Wilfried M. die Taten bestritten. Doch er hatte sich mehrfach verdächtig gemacht, zum ersten Mal im Mai 2011, als er Zivilfahndern durch sein ungewöhnliches Verhalten aufgefallen war und kurz darauf vier Autos in Flammen standen. Damals wurde er zunächst festgenommen und später gegen ihn Anklage wegen Brandstiftung erhoben. Seit diesen Bränden hatten Zivilfahnder den 55-Jährigen beschattet und festgestellt, dass er sich bei Anschlägen im Dezember in direkter Nähe brennender Autos aufhielt. Am 28. Dezember hatten Polizisten Wilfried M. schließlich beobachtet, wie er mehrere Benzinkanister in sein Auto lud und später durch die Claudiusstraße in Marienthal fuhr. Unmittelbar danach standen dort drei Fahrzeuge in Flammen. Der 55-Jährige wurde festgenommen.

Elf Verhandlungstage hat das Gericht bislang anberaumt, der nächste ist für den 26. Juni vorgesehen, der vorerst letzte für den 9. August. Einer, der Wilfried M. jetzt vom Zuschauerraum aus mit Argusaugen beobachtet, ist Rentner Yilmaz C. Auch sein Auto hatte im Dezember gebrannt, ein Rover 75, den er an der Luruper Hauptstraße abgestellt hatte. Der Fall ist nicht mit angeklagt, und doch verfolgt der Mann interessiert den Prozess. "Das war ein Riesenschreck damals", erzählt der Rentner am Rande des Verfahrens. "Es war ein Totalschaden. Der Wagen war ein Liebhaberauto, es war schade um das Auto, es tat mir richtig weh." Er sei "aus Neugier hier", ergänzt der Zuschauer. "Ich will diesen Menschen sehen. Warum macht der so was?"