Der Hamburger Versandhandelskonzern kündigt Preissenkungen wegen der wachsenden Konkurrenz im Internet an. Die Gewinne schrumpfen.

Hamburg. In der Haut von Hans-Otto Schrader möchte derzeit wohl kaum jemand stecken. Gleich aus mehreren Richtungen prasselt die Kritik auf den meist bescheiden und überlegt auftretenden Vorstandschef des Hamburger Otto-Konzerns ein. Der Betriebsrat des weltgrößten Versandhändlers bemängelt ein fehlendes Konzept und drohenden Jobabbau, große Internetkonkurrenten wie Amazon setzen den Konzern zunehmend unter Druck, und in Frankreich fahren die Hanseaten nur noch Verluste ein.

Wie stark der Hamburger Konzern im vergangenen Geschäftsjahr Federn lassen musste, räumte Schrader bei der gestrigen Bilanzvorlage ein. Trotz leicht gesteigerter Umsätze von weltweit 11,6 Milliarden Euro schrumpfte der Betriebsgewinn (Ebit) um nahezu ein Drittel auf 259 Millionen Euro. Der Jahresüberschuss brach sogar um fast 90 Prozent auf nur noch 23 Millionen Euro ein. Hintergrund waren auch deutlich gestiegene Rohstoff- und Beschaffungspreise, Investitionen in neue IT-Technik sowie Restrukturierungskosten.

Angesichts dieser Entwicklung holt der Otto-Chef nun zum groß angelegten Befreiungsschlag aus. Mit günstigeren Angeboten im deutschen Kerngeschäft will der Vorstand auf die immer aggressiver auftretende Online-Konkurrenz reagieren. "Wir mussten feststellen, dass unsere Angebote bei Preissuchmaschinen im Internet nicht immer auf den vorderen Rängen auftauchen", sagte Schrader. "Daher werden wir die Preise gezielt in verschiedenen Sortimenten senken." Starten soll die Offensive im Oktober dieses Jahres. Welche Produktgruppen genau betroffen sein werden, ließ der Otto-Chef noch offen.

Der Nettogewinn bricht um fast 90 Prozent ein

Otto geht neue Wege

Damit die Preisoffensive nicht auf die ohnehin niedrige Marge geht, hat der Konzern für die drei deutschen Versender OTTO (der frühere Otto-Versand), Baur und Schwab das Umstrukturierungs- und Kostensenkungsprogramm "Fokus" aufgelegt, das zu einer Zentralisierung des Einkaufs und anderer, bislang getrennt geführter Bereiche an den Standorten Hamburg, Hanau und Burgkunstadt führen könnte.

"Wir müssen schneller und effizienter werden", betonte Schrader. Dies werde auch zu Personalabbau bei den betroffenen Versendern führen. Wie viele Arbeitsplätze verloren gehen, wollte er aber erneut nicht beziffern. Insgesamt arbeiten bei den drei Unternehmen rund 7000 Beschäftigte auf 4500 Vollzeitstellen. Global beschäftigt die Otto-Gruppe 53 100 Arbeitnehmer.

Im wichtigen Internetgeschäft belegt die Otto-Gruppe weltweit den zweiten Rang hinter dem großen Wettbewerber Amazon. Trotz des heftigen Gegenwinds durch die wachsende Konkurrenz konnten die Hamburger ihren Umsatz in diesem Bereich im vergangenen Geschäftsjahr noch um 9,2 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro steigern. Grund genug für Schrader, auf die eigeneE-Commerce-Strategie zu bauen, die im Gegensatz zu dem US-Konzern auf eine Vielzahl von Marken von Otto über Bonprix und Heine bis hin zu Manufactum setzt. "Wir wollen kein Amazon-Klon werden", betonte er.

Immer stärker betätigen sich die Hamburger auch als Geldgeber für Internet-Start-ups oder bauen neue, reine Internetportale auf. Allerdings sind auch diese Bemühungen nicht immer von Erfolg gekrönt. So hat sich etwa die Wiederbelebung der traditionsreichen Marke Quelle als Internetmarktplatz bislang nicht ausgezahlt. "Hier sind wir nicht zufrieden und erreichen unsere Ziele nicht", sagte Schrader. Offenbar habe man die Strahlkraft der Marke Quelle überschätzt. Über Quelle.de verkaufen selbstständige Händler vor allem Elektronik und Haushaltsgeräte.

Fehler räumte Schrader im Frankreich-Geschäft ein, wo der Konzern im vergangenen Geschäftsjahr Verluste in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro hinnehmen musste. "Wir haben die Situation dort zu spät erkannt und zu spät auf E-Commerce gesetzt", so der Konzernchef. Nun werde die Tochtergesellschaft Trois Suisses saniert.

Viel Freude macht dem Vorstand dagegen der Geschäftsbereich Service, der im Wesentlichen durch die Logistiktochter Hermes geprägt ist und erstmals mehr als eine Milliarde Euro umsetzte. Die Finanzdienstleistungen, unter anderem Ratenkredite für Otto-Kunden, wuchsen sogar um 17 Prozent auf 530 Millionen Euro. Beide Bereiche sollen weiter ausgebaut werden und schon in diesem Jahr 20 Prozent zum Gesamtumsatz der Gruppe beitragen.

Gut lief es auch im Wachstumsmarkt Russland: Der Umsatz stieg um 35 Prozent auf 490 Millionen Euro. Ein ähnliches Wachstum soll nun in Brasilien folgen, wo die Otto-Gruppe in fünf Jahren auf ein Umsatzvolumen von 500 Millionen Dollar wachsen will. Auch in der Türkei soll investiert werden.

Im laufenden Jahr rechnet Konzernchef Hans-Otto Schrader mit einem leichten Umsatzwachstum sowie einem höheren operativen Gewinn. Ob auch der Jahresüberschuss steigen wird, sagte er allerdings nicht.