Es ist ein bemerkenswerter Sinneswandel, der sich in den vergangenen Monaten bei Otto-Chef Hans-Otto Schrader vollzogen hat. Noch vor wenigen Wochen wollte sich der Vorstandsvorsitzende des weltgrößten Versandhändlers nicht auf einen Preiskampf mit den großen und immer aggressiver auftretenden Onlinehändlern einlassen.

Nun kündigt Schrader eine Preisoffensive an, weil er anscheinend erkannt hat, dass beim Onlinekauf von TV-Geräten, Mode und Waschmaschinen nur zählt, wo die Ware am günstigsten zu bekommen ist. Vergleichsportale sorgen im Internet für ein Maximum an Transparenz, die gut ist für die Kunden, schwierig aber für einen Konzern wie Otto, der seine höheren Preise immer auch mit einem besonderen Service und einer anständigen Bezahlung der Mitarbeiter rechtfertigte.

Die nun geplante Offensive ist zwar richtig, kommt aber reichlich spät und zu einem Zeitpunkt, an dem sich der Hamburger Konzern nicht gerade in Bestform befindet. Der Gewinn ist im vergangenen Geschäftsjahr deutlich zurückgegangen, und Schrader muss ihn wieder steigern, was die Spielräume für die versprochenen Preissenkungen deutlich einschränkt.

Möglich sind sie nur, wenn das geplante Umstrukturierungsprogramm "Fokus" zu einer deutlichen Kostenreduzierung bei den drei deutschen Versendern Otto, Baur und Schwab führt. Dafür aber müsste Schrader viele Stellen im Kerngeschäft streichen, was einer Zerreißprobe in dem Konzern gleichkäme. Der Otto-Konzern steht vor schwierigen Zeiten.