Eine Glosse von Maike Schiller

Frauen, die lesen, sind gefährlich. Weiß man ja, alter Hut. Wegen der Folgeschäden, natürlich. Plötzlich wollen sie nicht nur lesen, diese Frauen, sondern auch denken. Die Stimme erheben. Mitreden. Mitmachen. Eine Haltung verkörpern. Puh.

Frauen, die lesen, leben aber auch gefährlich. Auch wegen der Folgeschäden. Jedenfalls wenn sie so lesen wie auf dieser Aufnahme des Leipziger Fotografen Oskar Schmidt (siehe oben), die der "Tagesspiegel" gestern kurzerhand zur Buchmessen-Titeloptik machte. Ein Schelm, wer "Sex sells" dabei denkt. Denn was hier verkauft wird, ist nicht so ganz eindeutig: Literatur? Fräuleinwunder? Physiotherapie? Auf Dauer jedenfalls kann das Ganze nicht ohne osteopathische Konsequenzen vonstattengehen, wie ein spontaner, nicht repräsentativer Plagiatsversuch auf dem Redaktionsteppich ergab. Eine Haltung zu verkörpern - das ist dieser jungen Dame wahrhaftig nicht abzusprechen.

Ein Haufen Fragen bleibt dennoch: Liest sie? Simuliert sie? Warum bringt ihr niemand einen Pulli? Lesen 14-Jährige überhaupt ? Ist das womöglich der Fehler im Bild? Und was macht eigentlich Helene Hegemann?

Immerhin trägt das Mädchen Socken. Denn das wusste schon meine Oma, die eher querbeet gelesen hat, vor allem aber aus Ostpreußen stammte und schon deshalb selten an klugen Lebensweisheiten sparte: Was im Leben auch passiert - Hauptsache, der Kopf ist kühl und die Füße warm.