Die Form der Kinderbetreuung wird zunehmend unattraktiv. Gründe sind bürokratische Hürden und die Konkurrenz durch Kitas.

Hamburg. Die Kindertagespflege in Hamburg ist auf dem Rückzug. Die Zahl der Kinder, die von Tagesmüttern oder den wenigen Tagesvätern betreut werden, nimmt ab. Wurden im Jahr 2008 noch 5582 Kinder von Tagespflegeeltern betreut, sind es zurzeit mit 4742 Kindern (Stand Februar 2012) 840 Kinder weniger.

Mit dem Ausbau der Krippenplätze in Kitas hat sich der Anteil der unter Dreijährigen, die in der Kindertagespflege betreut werden, kontinuierlich verringert. Bürokratische Hürden machen es den Tageseltern zunehmend schwer. Unterstützung bekommen Hamburgs 1600 Tagespfleger von der Politik. Fraktionsübergreifend setzen sich die Familienexperten der Parteien jetzt für bessere Bedingungen in der Tagespflege ein.

Ute Ratzmer arbeitet seit zwölf Jahren als Tagesmutter. In ihrer Wilhelmsburger Doppelhaushälfte betreut die Erzieherin vier Kinder im Alter zwischen ein und fünf Jahren. "Ich bin total genervt", sagt die 48-Jährige. Und das liegt nicht an den Kindern, sondern an neuen strengen Hygiene-Auflagen . Frau Ratzmer müsste unter anderem, um den EU-Vorschriften zu genügen, täglich die Temperatur in ihrem Kühlschrank messen oder beim Kochen helle Schutzkleidung tragen. "Ich möchte nicht, dass Fremde in meine Wohnung zum Kontrollieren kommen", sagt Ute Ratzmer. Eltern, die ihr täglich ihre Kinder anvertrauen, seien die besten Kontrolleure.

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Dass immer mehr Tagesmütter ihre Arbeit aufgeben, liegt auch an solchen bürokratischen Hürden. Arbeiteten Ende 2008 noch 1952 Tagesmütter und Tagesväter in Hamburg, waren es im Juli 2011 schon 345 weniger. Hinzu kommt die Konkurrenz durch die Kitas: "Vielen Eltern, die sich in den vergangenen Jahren aus Mangel an Krippenplätzen in Kitas für die Betreuung ihre Kindes in Kindertagespflege entschieden haben, steht mittlerweile ein bedarfsentsprechendes Betreuungsangebot in Kitas zur Verfügung", heißt es in einer Antwort des Senats auf eine schriftliche Kleine Anfrage des familienpolitischen Sprechers der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Christoph de Vries.

Der Senat gibt in der Antwort zu, dass die Regelungen für die Kindertagespflege "komplex" seien. "Wenn wir beispielsweise neue Räume suchen, sind so viele verschiedene behördliche Stellen involviert, dass es schwierig zu organisieren ist", sagt Anja Reinke, Erste Vorsitzende des Vereins Hamburger Tagesmütter und -väter. Hinzu kommen gesteigerte Qualitätsanforderungen an Tagespflegeeltern. Die seit 2009 geltende Steuerpflicht für Einkünfte aus der Kindertagespflege machten die Arbeit zusätzlich unattraktiv. Tageseltern kritisieren die Vorschriften als "überzogen".

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Immerhin: Der Familienausschuss der Bürgerschaft hat beschlossen, die EU-Hygienevorschriften in der Kindertagespflege unbürokratisch auszulegen. "Es ist gelungen, überzogene Vorgaben, die für die Arbeit der Tagesmütter in privaten Räumlichkeiten völlig untauglich sind, nicht zur Anwendung kommen zu lassen", so Christoph de Vries.

Unbürokratisch bedeute, dass Tagesmütter und -väter sich künftig nicht mehr als "Lebensmittelunternehmen" anmelden müssen. Darüber hinaus soll bei der Anwendung der Hygienevorschriften unterschieden werden zwischen der Betreuung in einer Privatwohnung einzelner Tageseltern und der Betreuung in einem Verbund einer Großtagespflegestelle. Der Leitfaden für Lebensmittelhygiene in der Kindertagespflege wird zurzeit mit dem Verein Hamburger Tagesmütter und -väter überarbeitet. Heute soll er noch einmal endgültig abgestimmt werden und Ende März in den Druck gehen. Dazu Christiane Blömeke, Familienexpertin der GAL-Bürgerschaftsfraktion: "Lebensmittelhygiene ist wichtig, aber man muss die Kirche im Dorf lassen." Sie kritisiert Sozialsenator Detlef Scheele (SPD), der die Vorgaben des Bundesernährungsministeriums in vorauseilendem Gehorsam umgesetzt habe.

Der Familienausschuss der Hamburger Bürgerschaft fordert den Senat unter anderem auf zu prüfen, inwieweit Tageseltern leichter in die höhere Qualifikationsstufe aufsteigen können. Mit den Tagespflegebörsen sollen Standards zu den räumlichen Anforderungen sowie zur Vermittlung von Tagespflegepersonen entwickelt und mittels Öffentlichkeitsarbeit stärker für die Tagespflege geworben werden. Außerdem sollen Anträge auf Zuschüsse innerhalb von sechs Wochen beschieden werden.