Nach dem Tod der kleinen Sophie geht Behörde von Einzelfall aus. An der Grundschule erschienen nur 70 der 450 Kinder zum Unterricht.

Hamburg. Am gestrigen Rosenmontag sollte in der Gorch-Fock-Schule in Blankenese Fasching gefeiert werden. Eigentlich. Doch statt Kostümen und Kinderlachen bestimmten besorgte Gesichter die Atmosphäre in der Grundschule. Nach Feiern war niemandem zumute - denn in der Nacht zum Sonntag war Erstklässlerin Sophie, 6, im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) an den Folgen einer EHEC-Erkrankung gestorben.

"Das ist das Schlimmste, was ich bisher in meiner Laufbahn erlebt habe", sagt Schulleiterin Vera Klischan, 60, über den Tod der Schülerin aus der Klasse 1e. "Ich bin tief getroffen und in Gedanken bei den Eltern." Aber auch an die Mitschüler des Mädchens denke sie viel. "Sie müssen jetzt lernen, damit umzugehen, dass ein Stuhl in ihrem Klassenzimmer für immer leer bleibt."

Nur 14 der 20 Schüler der 1e waren gestern zum Unterricht erschienen. Schulleiterin Klischan hatte die Eltern noch am Sonntagabend telefonisch über den Tod des kleinen Mädchens informiert und den Eltern freigestellt, ob sie ihre Kinder zur Schule schicken. Viele hatten dies dann bewusst getan, damit die Kinder mit der ihnen vertrauten Klassenlehrerin über den Verlust reden konnten. Die meisten Eltern aber ließen ihre Kinder zu Hause. Morgen soll es eine Trauerfeier für die kleine Sophie in der Schule geben. Ihre Klasse 1e gehörte gestern sogar zu den eher gut besuchten. Denn viele Schüler aus den anderen Klassen kamen nicht zum Unterricht. Von insgesamt 450 Schülern erschienen nur rund 70. Nach den Erfahrungen der EHEC-Epidemie im vergangenen Frühsommer, bei der bundesweit 53 Menschen gestorben waren, hatten offenbar viele Eltern Angst vor einem erneuten Ausbruch der Seuche.


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Um ihnen diese Sorge zu nehmen, fand gestern eine Informationsveranstaltung statt, zu der zwei Ärzte des Gesundheitsamtes Altona gekommen waren. Die meisten Fragen der anwesenden Eltern betrafen die Übertragung des Erregers und wie sie ihre eigenen Kinder schützen könnten.

"Die Hauptaussage war, dass die Krankheit vermutlich über ein Lebensmittel übertragen wurde und Schmierinfektionen eher selten sind", sagt Schulleiterin Vera Klischan. Das habe viele Eltern beruhigt. "Wir gehen von einem Einzelfall aus", sagt Kerstin Godenschwege, Sprecherin des Bezirksamtes Altona. Bundesweit gebe es jedes Jahr fast 1000 Fälle unterschiedlicher EHEC-Infektionen. Selten sei das Ausmaß so schlimm wie im Frühsommer 2011. "Unser Vorgehen verläuft nun auf zwei Schienen", sagt Godenschwege. Zum einen würden weitere Infoveranstaltungen organisiert, Fragen beantwortet und Desinfektionsmittel verteilt. Zum anderen würde nach dem Krankheitsüberträger gesucht. Dies macht das Hamburger Institut für Hygiene und Umwelt.

Erste Untersuchungen ergaben gestern, dass in den Lebensmitteln im Umfeld der Familie keine EHEC-Bakterien nachgewiesen werden konnten. Zudem sind das Geschwisterkind und der Vater des Mädchens nicht infiziert. Das Ergebnis der Mutter steht noch aus. Weiterhin wird untersucht, ob es sich in diesem Fall um den gleichen EHEC-Typ wie im Frühsommer 2011 handelt. "Sollte dies zutreffen, liegt das Ergebnis voraussichtlich schon am heutigen Dienstag vor", sagt Sinye Köpke, die Sprecherin des Instituts für Hygiene und Umwelt. Der Nachweis eines anderen Typs würde länger dauern.

Nach der Veranstaltung in der Gorch-Fock-Schule waren viele Eltern etwas beruhigter. "Ich habe keine Angst", sagte Gesa Carvill, 42, deren Kind eine Parallelklasse der 1e besucht. "Ich bin nur aufmerksamer." Aber dies sollten Eltern ja ohnehin immer sein. "Ich achte darauf, dass mein Kind die Hygiene einhält, sich gründlich die Hände wäscht. Und ich werde mich konstant informieren." Sie wolle erst am Abend entscheiden, ob sie ihr Kind wieder in die Schule schicke.

Nicola Blöcker, 43, hatte die Entscheidung schon getroffen: "Meine Tochter geht weiter zum Unterricht." Sie sehe keinen Grund, ihr Kind zu Hause zu lassen, da eine Ansteckung von Kind zu Kind sehr unwahrscheinlich sei. Und die Gefahr, über Lebensmittel an EHEC zu erkranken, die bestehe schließlich immer.

Dieses Faktenwissen ändert aber nichts an der Trauer über den Tod der sechsjährigen Sophie. Am Sonntagabend schon hatte Blöcker ihrer Tochter Merle erklärt, dass eine Mitschülerin gestorben sei. "Da steht man am Kinderbett und heult ohne Ende", sagt sie. Merle findet den Verlust ihrer Mitschülerin auch traurig, obwohl sie Sophie nur flüchtig kannte: "Was machen denn jetzt ihre Eltern ohne sie?", fragt Merle ihre Mutter.