Kampf beendet: Hamburg bleibt Eigentümer und gibt der Initiative viel Raum im Viertel. Über den Sanierungsträger wird noch verhandelt.

Wer hätte das vor einem halben Jahr gedacht? Die Künstler vom Gängeviertel feiern eine Art Verlobung mit der Stadt Hamburg. "Wir haben ein hohes Maß an Übereinstimmung erzielt", teilte am Freitag die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt mit. Das heißt, Hamburg ist der Initiative in weiten Teilen entgegengekommen: Die Stadt will das Gängeviertel selbst sanieren. Alle Häuser sollen erhalten bleiben. Und die Künstler spielen im Quartier mit Ateliers, Künstlerwohnungen und einem Haus für Veranstaltungen eine große Rolle. Aber nicht die erste Geige. Über diesen Punkt will die Initiative weiter verhandeln.

"Klar: Die Stadt ist mit ihrem Angebot über ihren eigenen Schatten gesprungen", sagt Gängeviertel-Sprecherin Christine Ebeling, "doch sie hätte ein Stück weiter springen sollen; wir wollen schließlich die Stadt heiraten und nicht die Steg." Das Projekt solle Modellcharakter haben. Christine Ebeling: "Da sind zwei Gebäude in Eigenverwaltung zu wenig." Die Initiative "Komm in die Gänge" begrüßt jedoch die städtische Lösung, bei der die Stadt Eigentümer der Grundstücke bleibt.

Die Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg (Steg) soll als Sanierungsträger wie "ein Puffer zwischen Stadt und Künstlern wirken", wie Markus Schreiber, Bezirksamtsleiter Mitte, sagt. Diese Lösung sei "richtig gut", weil bürokratische Schwierigkeiten vermieden werden. "Ich glaube, die Steg und die Künstler können sich gut vertragen", sagt Schreiber. Er fordert, dass die BSU die Steg ohne Ausschreibung zum Zug kommen lässt.

Im Frühjahr 2009 war eine Künstlerkolonie in den heruntergekommenen Gebäuden nur eine virtuelle Idee, die in Internetforen geisterte.

Im Sommer besetzten dann mehr als 200 Künstler, vorwiegend jung und freundlich, das Viertel. Plötzlich herrschte friedliches Leben in einem winzigen Stück von original Alt-Hamburg, das fast alle vergessen hatten und das der Abrissbirne geopfert werden sollte. Unterstützung erhielt die Initiative von dem berühmten Maler Daniel Richter - und auch von Behörden-Mitarbeitern, die mehr oder minder offen ihre Sympathie (wie Oberbaudirektor Jörn Walter) bekundeten.

Zehntausende Hamburger und Touristen besuchte "das Viertel", sorgen für einen bundesweiten Bekanntheitsgrad und merkten, dass genau hier wie in einem Schmelztiegel einige Probleme einer großen Stadt wie Hamburg konzentriert waren: Darf die Mitte einer Stadt sich zu einem profitmaximierten Mix von stählernen, häufig seelen- und noch häufiger Mieterlosen (Büro-)Neubauten entwickeln? Nein. Genau hier setzte dann die "Recht-auf-Stadt-Bewegung" an, und neben der Frage, wie Hamburg mit seinen jungen Künstlern umgeht, standen plötzlich soziale Fragen, wie zum Beispiel nach neuen Wohnungen oder städtischen Freiräumen im Mittelpunkt.

Mit dem überaus vernunftorientierten Angebot, das die Stadt am Freitag der Initiative machte, ist tatsächlich der Sprung über den eigenen Schatten gelungen. Mehr noch: Das Viertel kann bundesweit zum Modellprojekt werden.

Denn die einst vom SPD-Senator Eugen Wagner hart geführte Behörde will sich unter der GAL-Senatorin Anja Hajduk "auf einen Prozess einlassen", wie Behörden-Sprecher Enno Isermann sagte. Die Eckpunkte: Hamburg bleibt Eigentümer der Grundstücke. Alle Häuser sollen (soweit möglich) erhalten bleiben. Keine Tiefgarage, kein Privatinvestor, keine Luxus-Sanierung. 20 Prozent Gewerbe, nur Sozialwohnungen. Selbstverwaltung durch die Künstler nur in wenigen Gebäuden.

Und die Umwandlung in ein Sanierungsgebiet. Damit gibt es Bundesgeld aus Berlin. Ein Sanierungsgebiet war das Gängeviertel schon in den 90er-Jahren einmal, wurde jedoch aus den Planungen "herausgenommen, weil man der Meinung war, das könne ein Privater besser", sagt Markus Schreiber. Und er sagt auch: "Das war ein Fehler."