Der Satz des Kunsthistorikers Alfred Lichtwark von der “Freien und Abrissstadt“ ist in Hamburg längst zum geflügelten Wort geworden. Auch wenn der erste Direktor der Kunsthalle ursprünglich nur das Schleifen des Hafenviertels für die Speicherstadt kritisieren wollte.

Hamburg. Der Satz des Kunsthistorikers Alfred Lichtwark von der "Freien und Abrissstadt" ist in Hamburg längst zum geflügelten Wort geworden. Auch wenn der erste Direktor der Kunsthalle ursprünglich nur das Schleifen des Hafenviertels für die Speicherstadt kritisieren wollte, beschrieb er treffend den bis heute gültigen Hamburger Bau-Stil. Der ist oftmals so schlicht wie schlecht, neigt er doch dazu, das Gewachsene überhastet abzureißen, um an seine Stelle etwas Zeitgemäßes zu setzen. Diesem merkantilen Geist der Moderne fielen große Teile der Hamburger Neustadt zum Opfer, unzählige Gründerzeitbauten, aber auch das erste Kontorhaus, der Dovenhof. Und hätten nicht junge Leute ab Ende der Sechzigerjahre viele Altbauten durch Besetzungen gerettet - die Bilanz im Stadtbild fiele noch vernichtender aus.

Es passt ins Bild, dass es Künstler waren, die nun in letzter Sekunde in die Gänge gekommen sind, um das vor sich hinrottende Viertel zwischen Caffamacherreihe und Valentinskamp zu erobern. Ihnen gelang es, eine breite Öffentlichkeit zu mobilisieren und einem weit verbreiteten Unbehagen ein Sprachrohr zu geben. Viele Hamburger sehen mit Sorge, wie historische Bausubstanz durch gesichts- und geschichtslose Glaspaläste ersetzt wird. Dabei sind es gerade über Jahrhunderte gewachsene Ecken wie das Gängeviertel, die einer Stadt ihr unverwechselbares Gesicht geben und sie interessant für Bewohner wie für Investoren machen. Daher sind die 20 Millionen Euro, die die Stadt jetzt in die Hand nimmt, auch in Zeiten leerer Kassen richtig investiert. Unter dem Strich darf sich der Senat trotz seines Zickzack-kurses sogar als Sieger fühlen. Erstmals verleiht er dem bislang eher beliebigen Leitbild "Wachsen mit Weitsicht" Konturen und gibt ihm im Gängeviertel ein Gesicht. Mittelfristig könnte daraus ein Stadtbild werden, das Lichtwark Lügen straft.