Plötzlich wackelten die Wände des Kirchenbüros. Die Gemeide ist entsetzt über 16 Meter tiefe Bohrungen, wirft Hochtief Planungsfehler vor.

Hamburg. Neuer Ärger um St. Katharinen: Nach Bohrarbeiten auf dem Gelände vor dem Kirchturm kam es zu Erschütterungen der Kirche. Pastor Frank Engelbrecht telefonierte gerade. "Plötzlich zitterten die Wände meines Kirchenbüros", sagte er. Das erste Zittern kam am Dienstagmittag gegen 12.30 Uhr; und auch am folgenden Tag wackelten die Wände für kurze Augenblicke. "Wir sind in großer Sorge um die Standsicherheit", sagte Frank Engelbrecht, "die Kirche ist in Gefahr." Ein weiterer Vorwurf: "Wir sind nicht vorher informiert worden." Und man hätte erst ein Beweissicherungsverfahren in die Wege leiten müssen.

Nach Auskunft des Bezirks Mitte wurden Metallpfosten 14 bis 16 Meter tief in das Erdreich getrieben, mit denen später eine Baugrube abgesichert werden soll. In dieser 23 mal 15 Meter großen Grube soll das Helms-Museum archäologische Grabungen beginnen.

St. Katharinen reagiert nicht nur wegen der Arbeiten sensibel, sondern auch wegen des umstrittenen Projekts, für das es noch keinen Bebauungsplan gibt. Der Kirchenvorstand hat am Mittwochabend ein Kompromissvorschlag überraschend vehement abgelehnt, den der Bezirk Mitte zusammen mit der Baubehörde und dem Baukonzern Hochtief vorgelegt hatte.

Dabei geht es um die Bebauung eines 8500 Quadratmeter großen Areals mit Wohnhäusern und eines 25 Meter hohen Bürokomplexes. Nach Meinung des Kirchenvorstandes und der Interessengemeinschaft (IG) Katharinenquartier wird das Bürohaus den Blick auf St. Katharinen maßgeblich einschränken. Kirchenvorstand und IG befürchten, dass eine ähnliche Bausünde entsteht wie vor knapp zehn Jahren mit einem Gebäude, das den Blick auf den Michel aus mehreren Richtungen verdeckt. Die IG droht mit einen Bürgerbegehren, wenn der Bauplan ohne weiteren Diskurs durchgesetzt wird (wir berichteten).

"Wir haben die Arbeiten zur Einrichtung einer Baugrube zusammen mit der Stadt beauftragt", erklärte Gabriele Stegers von Hochtief. Die tiefen Bohrungen seien für den "Baugrubenverbau" nötig. "Mit Stahlträgern und Holzbohlen wird die Grube dann abgesichert", sagte Gabriele Stegers. Die Gemeinde solle erst am Freitag mit einer Mail über die Arbeiten informiert werden.

"Wir haben die Arbeiten allerdings mit dem Leiter der Sanierungsarbeiten abgesprochen; offensichtlich ist das nicht weitergegeben worden." Das findet bei der IG wenig Verständnis. "Bei derart sensiblen Arbeiten sind die Nachbarn zu unterrichten. Und es muss eine nachbarrechtliche Vereinbarung getroffen werden. Das ist nicht geschehen", sagte Architekt Christian Kottmeier, ein IG-Sprecher. Bei solchen Bohrungen bis in das Grundwasser könnten Gebäude soweit erschüttert werden, dass Wände einreißen und schwere Schäden entstehen. Kottmeier: "Die IG Katharinen hat das Vertrauen in Hochtief verloren."

Risse in Außenwänden hatte es 2007 bei Bauarbeiten in der Nachbarschaft am Steckelhörn gegeben. "Wir mussten über zwei Monate unsere Wohnung verlassen, das Haus war wegen Einsturzgefahr evakuiert worden", sagte Hartmut Gerbsch. Ein Grund für die Risse sei der sensible Boden gewesen, der sich nach dem Abriss eines Nachbarhauses verändert habe. Nach Auskunft von Christian Kottmeier, dessen Vater Peter in den 60er-Jahren Pastor an St. Katharinen war, ist der geologische Untergrund bei St. Katharinen wegen einer besonderen Torfschicht so sensibel. "Die Schicht schwimmt auf Wasser. Bohrt man diese an, ist das wie bei einem Luftballon, den man ansticht", sagte er.