Beamte dürfen Autofahrer nicht gegen ihren Willen zur Wache mitnehmen. Senator will Gesetzesnovelle.

Es scheint widersinnig, ist seit November 2009 jedoch Alltag auf den Straßen Hamburgs: Polizeibeamte halten einen Autofahrer an, der vor ihnen in Schlangenlinien unterwegs war. Sie fordern ihn auf, zu "pusten", messen den Atem-Alkohol-Wert des mutmaßlichen Trunkenheitsfahrers. Der Alkoholtester zeigt einen Wert von zum Beispiel 1,5 Promille. Doch mit ihm zur Wache fahren, wo ein Arzt Blut abnehmen und somit gerichtsfeste Beweise für die Alkoholfahrt gewinnen könnte, dürfen die Beamten nicht.

Die konsequente Umsetzung eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts zwingt die Hamburger Beamten, gemeinsam mit dem Alkoholisierten am Ort des Geschehens zu bleiben - so lange, bis ein Richter beschließt, dass der Delinquent einer Blutprobe unterzogen werden solle. Mehrere Stunden kann eine solche Entscheidung im Einzelfall dauern. Stunden, in denen die Beamten folglich keine weiteren Kontrollen oder andere Einsätze vornehmen können. Polizeigewerkschaften sprechen von einem massiven Verlust an Präsenz auf den Straßen.

"Alkoholfahrten sind eine der Hauptursachen schwerer Unfälle. Zugleich gib es in diesem Bereich eine hohe Dunkelziffer. Die wird jetzt sicher noch deutlich steigen", fürchtet Uwe Koßel von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ralf Meyer, Sprecher der Hamburger Polizei, bestätigt, dass die Zahlen kontrollierter Autofahrer und der angeordneten Blutproben seit Anfang November deutlich rückläufig sind: "Die aktuelle, gesetzlich vorgeschriebene Regelung sieht vor, dass Polizisten Alkoholsünder nur mit zur Wache nehmen dürfen, wenn sie selbst zustimmen, wenn sie zu flüchten versuchen oder wenn ein Bereitschaftsrichter einen entsprechenden Beschluss übermittelt hat. Es wäre gewiss wünschenswert, wenn es hier eine praktikablere Lösung gäbe." Bis zum November 2009 konnten die Beamten die notwendige richterliche Genehmigung auch nachträglich einholen.

Andere Bundesländer sind zunächst bei der bisherigen Praxis geblieben. Doch für die Beamten ist sie mit rechtlichen Risiken verbunden: Alkoholsünder konnten die Probe als Beweismittel vor Gericht ausschließen lassen, wenn sie "unrechtmäßig" genommen war. Immer wieder wurden Beamte, die Blutproben selbst anordneten, wegen Körperverletzung angezeigt. Und unterließen die Polizisten die Anordnung, konnten sie wegen Strafvereitelung im Amt belangt werden, weil der Blutalkoholwert als Beweismittel nicht gesichert worden war.

Die Hamburger "Konsequenz-Offensive" soll auch den Zustand der Rechtsunsicherheit beenden. Polizei und Innenbehörde erhoffen sich eine Gesetzesnovelle, die es zukünftig auch Staatsanwälten und Polizeibeamten erlaubt, Blutproben anzuordnen. Tenor der Innenbehörde: Der Eingriff in die Rechte des Betroffenen sei nicht so gravierend, als dass die Beweissicherung dahinter zurückstehen müsse. Innensenator Christoph Ahlhaus: "Es geht hier um die Verkehrssicherheit. Alkohol am Steuer ist eine der Hauptursachen für schwerste Unfälle. Hier können wir uns keine Einschränkungen leisten."