Niedersachsens Justizminister Busemann fordert eine tragfähige Lösung des Konflikts. Diese dürfe “nicht an der Justiz scheitern“.

Hamburg/Hannover. Der Fall des Hamburger Pflegekindes Dennis beschäftigt nun auch den niedersächsischen Justizminister. Bernd Busemann (CDU) hat gegenüber dem Abendblatt gestern deutlich gemacht, dass er sich eine Lösung des Konflikts wünscht, die in erster Linie dem Kindeswohl dient. Und an der alle Beteiligten des Falls, über den er Anfang Juni vom Landesverband für Kinder in Adoptiv- und Pflegefamilien (KiAP) informiert worden war, tatkräftig mitwirken.

Diese mögliche Lösung sieht auch eine Rückkehr von Dennis zu seinen Pflegeeltern Anna und Peter Schneider (Namen geändert) vor, "wenn alle Beteiligten unter Zurückstellung aller eventuell aufgetretenen Verletzungen ausloten, ob zwischen Kind und Pflegeeltern nicht doch eine unverändert tragfähige Eltern-Kind-Beziehung besteht". Sollte dies so sein, so Busemann, "darf dieser wichtige Kontakt nicht abbrechen". Dennoch müsse "für den Kleinen eine Lebenswelt organisiert werden, die die Rechte des Kindesvaters angemessen berücksichtigt und die Wahrung der Aufgaben der Pflegeeltern einschließt".

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+++ Justizdrama: Der Fall Dennis +++

Abschließend bat der Justizminister die Behörden und beteiligten Stellen, an einem solchen Projekt mitzuarbeiten. "Alles, was tragfähig ist, dürfte nicht an der Justiz scheitern", sagte Minister Busemann. Gescheitert waren die Pflegeeltern zuletzt an der Umgangsregelung, die der Richter am Amtsgericht Winsen im Januar 2011 für den kleinen Dennis festgelegt hatte. Danach sollte alle vier Wochen ein unbegleiteter Besuchskontakt von Dennis mit seinem leiblichen Vater und der Großmutter in Hamburg stattfinden. Nach Angaben von Anna und Peter Schneider reagierte Dennis auf diese Treffen regelmäßig mit massiven Essstörungen. "Er hat danach 14 Tage lang beim Essen gewürgt und sich erbrochen. Dennis hat praktisch keine feste Nahrung mehr zu sich genommen und rapide an Gewicht verloren", sagen die Schneiders.

Eine Ernährungstherapeutin, der Kinderarzt und Professor Hans-Ludwig Spohr von der Berliner Charité haben in ärztlichen Stellungnahmen deshalb von unbegleiteten Treffen abgeraten. Genau wie eine vom Gericht bestellte Betreuerin, der sogenannte Verfahrensbeistand von Dennis. Sie schrieb nach einem Hausbesuch bei den Schneiders im August 2010 an den Richter: "Nach allem kann ich mich nur dafür aussprechen, dass Dennis auf jeden Fall in den nächsten Monaten (mindestens 1 Jahr) nur begleiteten Umgang mit seinem Vater haben sollte. Auf keinen Fall sollte dem Kind noch zugemutet werden, die Großmutter besuchen zu müssen ohne eine entsprechende Begleitung."

Schließlich verweigerten die Pflegeeltern mit Rücksicht auf Dennis' Gesundheit unbegleitete Umgänge und wurden deshalb vom Winsener Richter regelmäßig mit einem Strafgeld belegt.

Nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen fehlten Anna und Peter Schneider zuletzt die Kraft und die finanziellen Mittel für einen weiteren Kampf um Dennis. Sie baten vor drei Wochen das Jugendamt, das bereits im Sommer 2011 einen Herausgabebeschluss für Dennis beantragt hatte, den Jungen abzuholen, um ihm weitere seelische Qualen zu ersparen.

Seitdem lebt Dennis in einem Heim, die Pflegeeltern bereuen ihren "Akt der Verzweiflung" und möchten, dass Dennis wieder zu ihnen zurückkommt.

Ein Sachverständigen-Gutachten, das derzeit erstellt wird, soll Aufschluss über Dennis' Zukunft geben.

Die Gruppe Grüne/Linke im Kreistag des Landkreises Harburg hat gestern einen Antrag gestellt, den Jugendhilfeausschuss in einer schnellstmöglich dafür anzusetzenden nicht öffentlichen Sitzung über den Fall Dennis zu unterrichten. "Angesichts der massiven Öffentlichkeit, die dieser Fall nun erhalten hat, halten wir es für äußerst ratsam, zumindest den Fachausschuss über den Fall detailliert zu informieren und die von der Presse formulierten Vorwürfe zum Fehlverhalten unserer Verwaltung zu klären", sagen Katrin Munz (Grüne) und Elisabeth Meinhold Engbergs (Linke). Sie beantragen außerdem, "dass die Pflegeeltern zu dieser Sitzung geladen und bei einer Sitzungsunterbrechung Rederecht bekommen". Weiterhin stellen sie die Anträge, dass der Fachausschuss über das weitere Vorgehen in diesem Fall entscheidet. Und dass "Maßnahmen zur Verhinderung einer Wiederholung eines solchen Falls von der Verwaltung vorgestellt, diskutiert und dem Kreistag zur Verabschiedung empfohlen werden".