Sein hellbraun und weiß geflecktes Fell hat dem kleinen Nagetier den Namen der Wiener Kaffeehaus-Spezialität eingebracht.

Hamburg. Bei manchen Menschen hat man das Gefühl, das ständig etwas an ihnen nagt. Bei Melange ist es umgekehrt - sie nagt ständig an etwas! So sieht es die Natur aber auch vor, für ernst zu nehmende Hausmeerschweinchen. Und als solches lebt Melange im sogenannten Meerschweinchendorf im Tierpark Hagenbeck, gleich neben den Kaninchen.

Sein hellbraun und weiß geflecktes Fell hat dem kleinen Nagetier den Namen der aromatischen, milchschaumigen Wiener Kaffeehaus-Spezialität eingebracht. Nicht dass Melange je in den Genuss dieser koffeinhaltigen Spezialität käme - ganz zu schweigen von dem einer schokoladigen Mozartkugel. "Das wäre absolut schädlich für die Tiere", sagt Ina Gooßen.

Selbst Dinge, die auf den ersten Blick vielleicht geeignet zur Fütterung der Meerschweinchen erscheinen mögen, setzt die Reviertierpflegerin klar auf den Index: "Nudeln und Brot tun den Tieren nicht gut. Und Kohlblätter können zum Beispiel Blähungen und Magenkrämpfe verursachen." Deshalb appelliert die Reviertierpflegerin auch an alle Besucher, Vernunft walten zu lassen - und wenn der Wunsch des Fütterns bestehe, auf die am Infostand des Tierparks angebotenen Futtertüten zurückzugreifen. Da kommt nur rein, was auch in die Tiere reindarf, sozusagen.

Das Hausmeerschweinchen (Cavia porcellus) ist eine Zuchtform des Wildmeerschweinchens, das weite Teile Südamerikas besiedelt. In Peru leben halbwilde Tiere in vielen Dörfern, werden mit Grünabfällen gefüttert und schmecken den Bewohnern zuweilen als Festtagsbraten.

Seinen deutschen Namen verdanken die Tiere wahrscheinlich den Tatsachen, dass spanische Seefahrer die Tiere über das Meer nach Europa brachten und dass seine Quieklaute die Menschen mehr an Schweine als an Nagetiere erinnerten.

Die kompakt gebauten Meerschweinchen sind in der Regel tagaktiv und Bewohner von selbst gegrabenen oder von anderen Tieren übernommenen Bauen. Bei Hagenbeck gibt es da allerdings eine Besonderheit: Das oben genannte Dorf ist wirklich ein Dorf. Idyllische Bauernhäuser gruppieren sich elegant um eine liebevoll ausgestaltete Kirche mit einem zwei Meter hohem Kirchturm, deren lustige Geschichte man gar nicht oft genug erzählen kann; gab es um die Kirche doch einen 30 Jahre lang andauernden, abenteuerlichen Streit. Das Gotteshaus musste lange Zeit für die Tiere geschlossen bleiben, weil ein Theologe "Gotteslästerung" gewittert hatte. Erst 1999 lenkten Pastoren ein - und die Kirchentüren stehen den Nagetieren seitdem weit offen.

Dass sie die Kirche mehr oder weniger als die Häuser nutzen würden, kann man allerdings nicht sagen. "Überall sind Wärmelampen drin, und nachts treiben wir die Meerschweinchen auch rein", sagt Ina Gooßen. Nicht weil dann im Dorf die Bürgersteige hochgeklappt werden sollen, sondern um die Tiere vor Mardern, Füchsen oder Raubvögeln zu schützen.

Eng aufeinanderzuhocken, das macht Meerschweinchen nicht unbedingt viel aus - wenn die Rangordnung gewahrt wird. Die Tiere haben nämlich eine komplexe Sozialstruktur, die mit Lauten, Drohgebärden und notfalls Beißereien ausgefochten wird. "Da versteckt sich das eine oder andere Tier schon mal ganz gerne", sagt Gooßen. Normalerweise hält der Tierpark einen Meerschweinchenbock mit mehreren Weibchen und deren Nachkommen. Wobei Meerschweinchen aus verschiedenen Zuchtrassen darunter sind.

Erst seit wenigen Wochen können Melange und ihre Artgenossen das Leben im Dorf wieder genießen - im Winter sind die Tiere im Rinderrevier untergebracht. So können die 23 Tiere jetzt wieder an frischem Gras knabbern, wenn sie nicht gerade etwas Kräftigeres zwischen den Nagezähnen haben: "Wir füttern viel knackiges Obst und Gemüse, damit die Tiere immer etwas zu tun haben und die Zähne nicht zu lang werden", sagt die Tierpflegerin. Insgesamt kommen, weil sich die Aktivitäts- und Ruhephasen bei den Hausmeerschweinchen mehrfach abwechseln, so über den Tag 60 bis 80 kleine Mahlzeiten zusammen.

Schwierig zu sagen also, ob Melange sich ein kleines Bäuchlein angefuttert hat - oder ob Nachwuchs ins Haus steht. Meerschweinchen-Junge werden als sogenannte Nestflüchter geboren, gut entwickelt mit Fell, Zähnen und offenen Augen. "Damit sie Mama gleich überall hin folgen können", erklärt Ina Gooßen. Selbst in die Kirche.

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