Seegras-Feilenfisch Tosu ist genauso exotisch wie sein Name klingt, denn das Tier sieht eher aus wie ein Handteller - und weniger wie ein Fisch.

Hamburg. Was ist grün und stinkt nach Fisch? Nein, das ist nicht Werder Bremen, auch wenn viele St.-Pauli- und HSV-Anhänger da anderer Meinung sein werden. Es ist jedoch auch nicht Tosu, der ansonsten die passenden Attribute dafür mitbringt: Er ist Grün, und er ist ein Fisch. Sein Geruch ist bisher nicht aufgefallen.

Dafür ist er ein echter Hingucker. Der Seegras-Feilenfisch ist genauso exotisch wie sein Name. "Er sieht eher aus wie ein Handteller und weniger wie ein Fisch, aber das ist wohl auch seine Strategie", sagt Dr. Guido Westhoff, Leiter des Tropen-Aquariums im Tierpark Hagenbeck. Hier lebt Tosu als Einziger seiner Art in der sogenannten Schatzkammer, wo er sich ein Becken mit den Zebraschnauzen-Seepferdchen teilt.

Mit seiner leuchtend grünen Färbung sollte er schnell zu entdecken sein. Denkt man. "Er steht immer in den Algen drin, da ist er perfekt getarnt", sagt Westhoff. Dass sich der Fisch dabei absolut still verhalte, würde zu seiner Tarnung beitragen. Ebenso wie ein weißer Strich auf der Körpermitte, "der die Fischform optisch weiter auflöst", und auch die Haltung, erklärt Westhoff: "Er steht meist mit der Schnauze leicht nach unten geneigt im Becken. Auch das sieht für mögliche Fressfeinde nicht auf Anhieb nach Fisch aus."

Ein Jahr lebt Tosu jetzt in Hamburg. Ob er, der tropische Fisch, ein Weibchen oder ein Männchen ist, kann der Biologe nicht sagen. "Viele Korallenfische können ihr Geschlecht wechseln." Im Indischen Ozean und Westpazifik besiedeln Seegras-Feilenfische Korallenriffe und angrenzende Seegraswiesen, sie kommen aber auch in geschützten Lagunenriffen in Tiefen zwischen einem und 25 Metern vor. Da sie normalerweise Einzelgänger sind, vermisst Tosu nicht unbedingt die Anwesenheit anderer Seegras-Feilenfische.

Bekäme er doch einmal einen Partner oder eine Partnerin, würde das Weibchen (spätestens dann müssen sie sich beim Geschlecht geeinigt haben!) die Brutpflege übernehmen. Dabei werden die Eier auf dem Sandboden ständig von ihr mit den Brustflossen befächert und so mit sauerstoffhaltigem Frischwasser versorgt. Andere Fische und selbst das eigene Männchen hätten dann dort nichts mehr zu suchen und würden vehement von dem Seegras-Feilenfischweibchen vertrieben. So gehütet, würden bereits nach drei Tagen die Larven schlüpfen, die als Jungfisch nach rund vier Monaten vier Zentimeter Länge (von insgesamt einmal zwölf Zentimetern) erreicht hätten. Dann ist aber längst Schluss mit Pension Mama.

Bei Hagenbeck beschränkt sich das Kümmern in der Schatzkammer hauptsächlich auf das Füttern und die Säuberung der Aquarien. "Der Seegras-Feilenfisch bekommt bei uns Kleinkrebse und Garnelen", sagt Westhoff. Mit Futter in Reichweite werde der "langsame Vertreter richtig lebendig", sagt Westhoff und muss lachen.

Die tägliche Säuberung der Scheibe und das wöchentliche Absaugen des Aquarienbodens nehme Tosu hingegen gewohnt gelassen hin. Selbst wenn die Algen zurückgeschnitten und die Borstenwürmer eingesammelt werden, könne es höchstens einen dezenten Farbwechsel zwischen Grau, Braun und Grün geben, zu dem die Fische fähig sind. Sogar ihre Flecken können sie bei Bedarf verblassen lassen, wenn es der Tarnung dienlich ist.

Eine Verhaltensweise Tosus, der seinen Namen übrigens nach der lateinischen Artbezeichnung Acreichthys tomentosus erhalten hat, kann sich Dr. Guido Westhoff aber noch nicht genau erklären: "Den ersten Rückenflossenstachel, der isoliert von den anderen steht und stark vergrößert ist, stellt er immer einmal wieder auf. Keine Ahnung, warum." Vielleicht, mutmaßt der Biologe, sei das ein Warnzeichen oder eine Geste der Verteidigung. Doch gegen wen? Da die Seepferdchen in der aquatischen Wohngemeinschaft ähnlich lethargische Vertreter sind, wohl kaum gegen sie. Und ob da vielleicht ab und zu einer der Besucher das Werder-Bremen-Schmählied summt und Tosu damit kränkt, ist bisher nicht belegt.

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