Hamburg. 2700 Nachwuchsreporter haben in diesem Jahr bei “Schüler machen Zeitung“ mitgemacht. Hier können Sie die Siegertexte lesen.

Das Leben, so wie sie es kannte, hat sie verloren. Sie musste sich von ihrem Zimmer, ihrem Bett, ihrem Haus, den Gassen, den Straßen und den Menschen verabschieden. „Man soll sich an nichts gewöhnen“, sagt Maryam heute. „Denn es ist schwer, Dinge zu verlieren, an die man sich gewöhnt hat. Und wenn man etwas verliert, musst man bereit sein, wieder bei null anzufangen.“ Das hat die 15 Jahre alte Schülerin getan. Bei null angefangen. In Hamburg. Maryam flüchtete vor einem Jahr mit ihrer Familie aus dem Iran nach Deutschland. Das Mädchen weiß: „Es dauert seine Zeit, aber alles wird gut.“

So titelt sie ihren Artikel, der am 21. Februar im Hamburger Abendblatt erschien. Am Donnerstag wurde Maryam Jamalzada vom Gymnasium Ohlstedt für ihren Text geehrt – und mit ihr neun weitere Nachwuchsjournalisten -- für ihre herausragenden Artikel für das Abendblatt-Projekt „Schüler machen Zeitung“.

Rekordbeteiligung im 22. Durchgang des Abendblatt-Projekts

2700 Schülerinnen und Schüler aus 102 Klassen und Kursen in Hamburg und im Umland haben im 22. Durchgang der Aktion mitgemacht. Das ist ein Rekord. Die Jugendlichen recherchierten, führten Interviews, fotografierten und schrieben, schickten ihre Werke ans Abendblatt. Die besten Artikel wurden zwischen Dezember und Mai veröffentlicht. Ein Jury aus der Chefredaktion und Redakteurinnen des Abendblatts, Lehrerinnen, Vertretern der Projektpartner – das waren die Commerzbank, das MediaCampus-Team der Funke Mediengruppe in Essen sowie die Hamburger Schulbehörde – wählte schließlich die spannendsten Artikel aus.

Viele der jungen Autorinnen und Autoren geben den Abendblatt-Lesern mit ihren Artikeln ganz persönliche Einblicke in ihre Lebenswelten. So wie Elmira Akbarzada: In ihrem Artikel „Bin ich jetzt kein Flüchtling mehr, Mama?“ schildert die 16 Jahre alte Schülerin vom Helmut-Schmidt-Gymnasium, wie sie deutsche Staatsbürgerin wurde. Ihre Eltern flüchteten vor ihrer Geburt nach Deutschland. Elmira erzählt, wie es sich anfühlt, nach 16 Jahren – also ihrem ganzen Leben in Deutschland -- die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen.

Der kleine Bruder als besonderer Mensch

Fiona Habelt vom Gymnasium Oberalster erzählt mit ihrem Text „Liebeserklärung an einen kleinen Bruder“ vom ihrem manchmal auch anstrengenden Leben als große Schwester. Mit einem nassen Lappen im Gesicht aufwachen, nächtelang vorlesen – all das erträgt sie tapfer, denn der kleine Bruder ist für sie ein ganz besonderer Mensch.

In einem weiteren preisgekrönten Artikel steht ebenfalls ein kleiner Bruder im Mittelpunkt. Kira Graf von der Privaten Stadtteilschule St. Georg beschreibt mit „Es schreit, es krampft – ein Zombie oder was“ den Familienalltag, wenn der kleine Bruder geistig behindert und Epileptiker ist. “Epileptische Anfälle sind unberechenbar, schreibt Kira. „Man kann sie weder vorhersehen, noch verhindern“. Sie beschreibt die regelmäßigen Wutanfälle und die Erschöpfung des Zwölfjährigen. Aus den Zeilen liest sich heraus: So schwer der Alltag mit ihm ist, den kleinen Bruder liebt Kira über alles.

Interview mit dem Kapitän der "Sea Watch 2"

Kiras Mitschüler Anton Wempner hat mit Ingo Werth, zum Zeitpunkt des Interviews Einsatzleiter einer Crew der „Sea Watch 2“ und verantwortlich für Einsätze im Mittelmeer, über die Rettung von Tausenden Menschen gesprochen. Wir erfahren, was beim Suchen, Finden und Retten der Menschen auf See passiert. Bei all der Not, die Interviewpartner Werth schildert, gibt es für die Retternauch schöne Erlebnisse während der Arbeit. Nämlich dann, wenn die Geretteten schließlich lächeln. Anton Wempner konnte wegen einer Schulprüfung nicht zur Preisverleihung kommen. Kapitän Ingo Werth nahm stellvertretend die Urkunde engegen.

Von zwei 13 Jahre alte Jungen, die in unterschiedlichen Zeiten geboren wurden, handelt der Artikel „Zwei Jungen – zwei Leben“ von Ole Ottermann vom Helene Lange Gymnasium. Der Achtklässler verglich seine eigenen Lebensumstände mit denen seines 1931 geborenen Großvaters August Ottermann und brachte den Opa mit zur Preisverleihung beim Abendblatt.

Der Traum vom eigenen Bauernhof

Wie es sich auf einer Insel in Hamburg lebt, beschreibt Marie Ullrich in ihrem Text. Die Wichern-Schülerin lebt mit ihrer Familie in einem Kleingarten auf der Billerhuder Insel. Marie beschreibt die Natur, die Sommeraktivitäten und das einsame Inselleben im Hamburger Winter.

Ihre Zukunft hat Lena Brussog von der Gyula-Trebitsch-Schule bis ins kleinste Detail geplant. In ihrem Artikel „Mein Lebenstraum vom eigenen Bauernhof“ verrät sie den Abendblatt-Lesern ihren ausgeklügelten Business-Plan für einen ökologisch betriebenen Ferien-Bauernhof für Kinder und Erwachsene mit Schafen, Ziegen, Kühen, Nymphensittichen, Pferden, Hühnern, Kaninchen Fischen und Gänsen...

Warum wird ein Mensch obdachlos? Diese Frage beantwortet Sophie Scheutzow vom Gymnasium Oberalster mit dem bewegenden Porträt „Zum Abgrund und zurück ins Leben“ über den ehemaligen Obdachlosen Thomas aus Hamburg.

Suche nach Antworten

Die Frage „Wer bin ich eigentlich?“ beschäftigt viele junge Menschen. Eine Antwort sucht auch Selin Manaz. Die Schülerin der Stadtteilschule Wilhelmsburg hat ihre Gedanken dazu aufgeschrieben. Anlass, sich mit den eigenen Ängsten und Freuden im Leben auseinanderzusetzen, ist der Blick in den Spiegel.

Er sei so begeistert von den Schüler-Artikeln gewesen, dass er sie zwei- und dreimal gelesen haben, so Abendblatt-Chefredakteur und Juror Lars Haider bei der Siegerehrung. „Einige sind so intensiv, dass ich beim Lesen eine Gänsehaut bekommen habe.“

Stolzer Projektpartner Commerzbank

Auch Frank Haberzettel, Chef der Commerzbank in Norddeutschland, war begeistert. „Sie haben mich bewegt, und sicher auch viele andere Leser des Abendblatts“, sagte Haberzettel zu den preisgekrönten Nachwuchsjournalisten. „Mit ihren Geschichten über Engagement, Identität und Schicksale, die unter die Haut gehen und die dazu eingeladen haben, nachzudenken. Und in der Hektik des Alltag mal innezuhalten. Ich bin stolz darauf, dass wir dieses Projekt unterstützen können.“ Auch Thomas Bressau von der Hamburger Schulbehörde attestierte den ausgezeichneten Schülern beeindruckende journalistische Kompetenz.

18.000 Artikel in 22 Jahren

Das Abendblatt-Projekt „Schüler machen Zeitung“ gibt es seit 1995. Mehr als 28.000 Schülerinnen und Schüler der weiterführenden allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen in Hamburg und in der Region haben in den Jahren an diesem Projekt teilgenommen und mehr als 18.000 Artikel an die Redaktion beim Hamburger Abendblatt geschickt. Projektpartner ist die Commerzbank. Die Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung unterstützt das Projekt seit dem Beginn als Kooperationspartner. Im 22. Durchgang wurde die Aktion vom MediaCampus-Team der Funke Mediengruppe in Essen betreut.