Was Frauen wirklich wollen? Die schönen, kleinen Boxen in Türkis, Orange und Schwarz. Eine Übersicht der Hamburger Geschäfte.

Es gibt einen Ort in Hamburg, an dem sich Frauen sofort ihre Haare hochstecken, ein Croissant besorgen und verlieben möchten: am Neuen Wall 19. Schon ein paar Meter vor der Tiffany-Filiale geht der hektische Schritt in romantisches Schlendern über. Am Schaufenster angekommen sieht man neben den Juwelen bereits Audrey Hepburn alias Holly Golightlyin„Frühstück bei Tiffany“ und mit ihr den „Vom Aschenputtel zur Prinzessin“-Traum, gegen den selbst die coolste Hanseatin nicht resistent ist. Eines Tages wird der Richtige mit der richtigen Verpackung (dem für die New Yorker Schmuckmarke typischen Türkis mit weißer Schleife) vor einem niederknien. Ob die hübsche Schachtel den Klassiker, den mit sechs Krappen gefassten Diamantring, enthält oder nur einen bei Tiffany graviertenBlechring, wie Holly ihn im Film von ihrem Verehrer Paul bekommt, spielt dabei keine Rolle. Paul hatte nur zehn Dollar - aber eine Ahnung davon, was Frauen wollen. Es ist nicht der Preis, der eine Sache wertvoll macht.

Gerade in der Mode sind es die Kleinigkeiten, die den großen Unterschied machen. Die ein Outfit der Note „Okay“ in einen Auftritt à la „O! Hey!“ verwandeln. Zur Zeit geht das besonders leicht: Rock, Pumps (Marke und Preis vollkommen gleichgültig) und dazu die Prada-Strümpfe, die vergangene Woche im Schaufensterder Marke an den Hohen Bleichen die Blicke der Passanten hypnotisierten. Brauner grober Strick mit rotem Zopfmuster; wärmend und hot! 100 Euro kostet das kontrastreiche Beinkleid, ein echtes Schnäppchen, denn mit eingeflochten ist automatisch ein Gefühl von Luxus und Zugehörigkeit. Anna Wintour, Chefredakteurin der „Vogue“, adelte die italienische Marke 2004, als sie gegenüber Chefdesignerin Miuccia Prada bekannte, sie sei der einzige Grund, nach Mailand zu kommen. Der Kenner trägt Prada.

Wer den eigentlich unbezahlbaren Mehrwert des Besonderen ergattern will, muss nicht gleich einen Streit mit seinem Bankberater heraufbeschwören. Fast alle Luxus-Marken bieten inzwischen auch Produkte für den sogenannten kleinen Geldbeutel an. Wie gefiele beispielsweise die runde Geldbörse von Jil Sander mit eingeprägtem Logo für 90 Euro, erhältlich am Neuen Wall 43? In dem Portemonnaie der Hamburger Modeschöpferin, die für ihren minimalistischen Stil bekannt wurde, fühlt sich selbst ein Fünf-Euro-Schein wie eine American Express Platinum-Karte. Die Scheine zusammen halten können wir auch wunderbar mit der an Schlichtheit nicht zu übertreffenden Geldklammer aus Sterlingsilber (ca. 147 Euro) von Bulgari (Neuer Wall 24). Eines dieser ausladenden Colliers, mit denen das römische Traditionshaus seit 125 Jahren Aufsehen erregt, erlauben wir uns dann (vielleicht) im nächsten Lebensjahrzehnt.

Die Luxus-Unternehmen entwickeln die Accessoires auch, um den Kunden frühzeitig an die Marke zu binden. Als Student kaufe ich diese wundervollen Post-Its von Hermès (Neuer Wall 40) für lächerliche 19 Euro, später gönne ich meinem Nachwuchs das niedliche Plüschpony für 395 Euro, und irgendwann besitze ich sicher den handgenähten Reitsattel (Preis auf Anfrage) des französischen Labels, dessen Markenzeichen – welch Überraschung - Pferde sind.

Andere Länder, andere Tiere: Die britische Firma Burberry (Große Bleichen 21) galoppierte mit seinem legendären Trench, der die Mäntel von Schafhirten kopierte, an die Spitze des Modezirkus. Aber anstatt der über 1000 Euro teuren Oberbekleidung kann man den Gürtel auch enger schnallen - beispielsweise aus Leder mit kariertem Canvas-Überzug (168 Euro). Eine liebevolle Nützlichkeit ist außerdem der Stockschirm mit traditionellem Check an der Innenseite für 215 Euro, und in der letzten Saison gab es sogar Regenschirme mit aufgedrucktem Herz (um 175 Euro). Da wird einem doch warm ums selbige, selbst wenn man im Regen steht.

Accessoires sind wie Einstiegsdrogen oder - kulinarisch formuliert - Appetizer. Hat man erst mal probiert, wird der Hunger immer größer. Und ein knurrender Magen verträgt sich nicht unbedingt mit der im saisonalen Fashion-Business ohnehin obsoleten Tugend der Geduld. Hier gilt der klamottalische Imperativ: „Kaufe nur diejenigen Stücke, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeiner Trend werden. Dafür sofort!“

Anstattalso ewig auf den ersehnten Diamantring von Tiffany zu warten, frage ich mich doch lieber selbst, ob ich nicht die silberne Kette mit Herzanhänger und der berühmten Gravur „Pleasereturnto Tiffany &Co. New York“ für 95 Euro haben möchte? Ja, ich will. Genauso wie den rosa Handyanhänger aus Leder für 72 Euro von Chopard (Jungfernstieg 34), der weltbekannten Schweizer Uhrenmanufaktur. Die Zeit für ein bisschen Luxus ist bei den Preisen gekommen.

Gut, manche Kleinigkeiten tragen immer noch große Zahlen auf den Etiketten. Cartier mit Sitz am Neuen Wall 22 etwa ist der Juwelier der Könige und der König der Juweliere. Dass dieses royale Prädikat mit Preisen korrespondiert, die ungeadelten Prinzessinnen wie uns einen Zacken aus der Krone brechen können, liegt auf der Hand. Statt Geschmeide starten wir deshalb mit einem Halstuch aus feiner Seide (um 174 Euro).

Und auch das Bettelarmband von Louis Vuitton (Neuer Wall 37) für 305 Euro macht seinem Namen alle Ehre und den Käufer erstmal ärmer, aber die bunten Monogramm-Blüten der erfolgreichsten Luxusmarke der Welt strahlen wie vergoldete Smarties. Für das kleinere Budget kommt einfach Modeschmuck wie der wunderschöne Farandole-Strassring für 115 Euro zum Tragen.

Es gab und gibt keinen Grund, sich mit billigen Kopien zufrieden zu geben. Denn: „An die Qualität erinnert man sich noch lange, nachdem der Preis längst vergessen ist.“ Aldo Gucci prägte diesen Satz in den 40er-Jahren, als Grace Kelly und Elizabeth Taylor die legendäre BambooBag der italienischen Marke spazieren führten. Heute wertet man seine No-Name-Tasche einfach mit einem der entzückenden Guccioli-Anhänger aus schwarzem Wildleder für 105 Euro auf. Selbstverständlich trägt es das charakteristische Emblem des Unternehmens mit einem Laden am Neuen Wall 34, das ineinander verschlungene doppelte G.

Einen ähnlich hohen Erkennungswert hat Chanel (Neue ABC-Straße 2) mit den markanten Initialien, die an die Unternehmensgründerin Coco Chanel erinnern – ob nun auf einem gesteppten Handtäschchen oder, mit rund 420 Euro fast ein Schnäppchen, am Bügel einer Bouton-Sonnenbrille. Ebenfalls am Bügel: ein handgemachter Knopf aus Gold, Silber oder Gussmetall, der beim Öffnen einen kleinen Spiegel zum Vorschein bringt. Wem dieser kleine Luxus dennoch zu teuer ist, der kann sich ganz umsonst mit Coco Chanels Weisheit schmücken: „Ein gewinnendes Lächeln ist das passende Accessoire für jede Kleidung.“