Tübingen. Ein Forscherteam untersucht die fast 300.000 Jahre lang andauernde konfliktreiche Beziehung zwischen Höhlenbär und Mensch in Europa.

Knapp 300.000 Jahre lebten Höhlenbär und Mensch in Europa nebeneinander. Archäoligische Funde belegen, dass der Mensch dem Höhlenbär (Ursus spelaeus) bereits vor 320.000 Jahren das Fell abzog. Mit 1,70 Meter Schulterhöhe und einer Länge bis zu 3,5 Metern war er deutlich größer und massiger als sein Verwandter, der Braunbär, der bis heute überlebt hat. Ausgestorben ist der Höhlenbär vor knapp 24.000 Jahren. Sein endgültiges Aus besiegelte wohl das Auftreten des Homo sapiens in Europa vor 45.000 Jahren.

Die konfliktreiche Beziehung zwischen Höhlenbär und Mensch in Europa wird nun erstmals über diesen langen Zeitraum in Deutschland von einem Forscherteam der Universität Tübingen, der Universität Göttingen, des Senckenberg Centres for Human Evolution and Palaeoenvironment und der Landesämter für Denkmalpflege Baden-Württemberg und Niedersachsen dokumentiert. Die Forscher können demnach die lang umstrittene Frage beantworten, ob der Klimawandel oder auch der Mensch Ursache für das Aussterben des Höhlenbärs war.

Jagd auf Höhlenbär wurde intensiver

Wie das Online-Portal „Archäologie-Online“ berichtet, belege die Studie durch Funde eine immer intensiver werdende Jagd auf den Höhlenbären und legt somit auch den Menschen als Ursache für das Aussterben des Höhlenbären nahe. Die Studie ist in der Fachzeitschrift Quarternary Science Reviews erschienen. „Der Mensch machte sich den Höhlenbären auf vielfältige Weise zunutze: er aß sein Fleisch, fertigte Kleidung aus dem Fell, trat auch in eine symbolische Beziehung mit dem Tier über Schmuckstücke aus dessen Zähnen oder Bärenfiguren aus Elfenbein“, sagt Dr. Giulia Toniato, die Koordinatorin des Forscherteams.

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Die Wissenschaftler hätten fünf Fundorte in Deutschland (Schöningen, Einhornhöhle, Hohle Fels, Geißenklösterle, Schafstall), in denen Knochen des Höhlenbären über einen Zeitraum von 300.000 bis 28.000 Jahren vor heute nachweisbar sind, und setzten sie in Beziehung zu bestehenden Studien über Funde von Bärenknochen in Frankreich, Belgien, Italien, Bulgarien und Polen. In Deutschland sei dabei eine der ältesten Nachweise der Nutzung des Höhlenbären durch den Menschen aus der Freilandstation Schöningen in Niedersachsen bekannt.

Konkurrenz um Höhlen als Lebensraum

Die Funde aus Einhornhöhle, Geißenklösterle und Hohle Fels würden dabei zeigen, dass die Bärenjagd auch bei den Neandertalern eine gelegentliche und gefestigte Praxis war. Mit der Ausbreitung des modernen Menschen in Europa wurden die Bären dann intensiver genutzt, wie die größere Häufigkeit und Vielfalt modifizierter Bärenreste aus Schafstall II, Geißenklösterle und Hohle Fels belegen würden. Dabei wurde dem Höhlenbär offenbar auch zum Verhängnis, dass er um den selben Lebensraum mit dem Menschen konkurrierte. Das Tier zog sich zum Überwintern in Höhlen zurück, die auch zunehmend von Menschen genutzt wurden.

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Die Begegnungen häuften sich, wie die Forscher durch die Auswertung der Fundstätten nachweisen konnten, und der Mensch machte immer intensiver Jagd auf den Höhlenbären, vorzugsweise während dessen Winterruhe. Ein abgebrochenes Projektil aus Feuerstein in den Brustwirbeln eines Bären aus dem Hohle Fels, zeuge von so einem Überfall. Die jüngsten Funde von Höhlenbärenknochen seien 24.000 Jahre alt und wurden in Norditalien entdeckt. Danach verliere sich seine Spur.

Höhlenbär war Vegetarier

Was dem Höhlenbär neben dem Menschen noch zum Verhängnis wurde, ist, dass er Vegetarier war und während der Eiszeit in den Wintern immer weniger Nahrung fand. Die bis heute noch lebenden Braunbären waren dagegen in dieser Zeit Fleischfresser. „Nach der Maximalvereisung und dem Aussterben der Höhlenbären erweiterten sie ihr Spektrum auf hauptsächlich pflanzliche Nahrung. Das bedeutet, dass sich Braunbären besser an die veränderten Umweltbedingungen angepasst haben“, so Dr. Susanne Münzel vom Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie der Universität Tübingen. (red)