Die ungewisse innenpolitische Lage in Israel belastet den Friedensprozess im Nahen Osten. Außenministerin Livni und Oppositionsführer Netanjahu sind fast gleichstark aus der Parlamentswahl herausgegangen. Aber beide wären auf wacklige Koalitionen angewiesen.

Tel Aviv. Das Kopf-an-Kopf-Rennen um die Macht in Israel belastet den Friedensprozess im Nahen Osten. Außenministerin Zipi Livni und Oppositionsführer Benjamin Netanjahu sind fast gleichstark aus der Parlamentswahl herausgegangen. Sowohl Livnis Kadima-Partei als auch der rechtsgerichtete Likud von Netanjahu feierten sich als Wahlsieger. Beide sind aber auf Koalitionspartner angewiesen.

Nach der Stimmauszählung wurde Livnis Kadima mit 28 der 120 Mandate stärkste Fraktion. Likud folgt mit 27 Sitzen. Die ultranationalistische Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) von Avigdor Lieberman kam auf 15, die sozialdemokratische Arbeitspartei von Verteidigungsminister Ehud Barak auf 13 Mandate.

Die Stimmen Tausender Soldaten werden erst am Donnerstag ausgezählt, dadurch könnte es noch geringfügige Verschiebungen geben. Rechtsgerichtete Parteien erhalten dem vorläufigen Ergebnis zufolge insgesamt 65 Sitze, linksgerichtete 55. Zu letzterem Lager wurde in den Analysen auch die konservative Kadima gezählt, weil sie zu territorialen Zugeständnissen an die Palästinenser bereit ist. Ferner gehören die Parteien der israelischen Araber dazu, die noch nie an einer Regierungskoalition beteiligt waren. Sie errangen insgesamt elf Mandate.

Die Entscheidung über den Auftrag zur Regierungsbildung liegt bei Staatspräsident Schimon Peres. Seine Sprecherin Ajelet Frisch erklärte, Peres werde in der kommenden Woche Gespräche mit den Chefs der großen Parteien führen und dann um den 20. Februar herum eine Entscheidung fällen.

Traditionell beauftragt der Präsident denjenigen Politiker, der die besten Chancen hat, eine Mehrheit in der Knesset zustande zu bringen, selbst wenn seine Partei nicht die stärkste Fraktion ist. Die Bildung einer Koalitionsregierung darf dann bis zu sechs Wochen dauern.

Netanjahu rief vor seinen Anhängern aus: "Ich werde mit Gottes Hilfe die nächste Regierung bilden." Als Königsmacher galt Lieberman, der die Grenzen Israels neu ziehen und israelischen Arabern nur nach einer Loyalitätserklärung gegenüber Israel das Wahlrecht gewähren will. "Wir wollen eine Rechts-Regierung", sagte Lieberman in der Wahlnacht, hielt sich aber auch eine Option mit Kadima offen: "Wir schließen niemanden aus."

Das rechte Spektrum in Israel ist kein einheitlicher politischer Block. Liebermans Partei wird von sowjetischen Einwanderern unterstützt, die meist weltlich eingestellt sind. Netanjahu hat aber auch enge Verbindungen zur orthodoxen Schas-Partei, deren geistlicher Führer erklärt hat, eine Stimme für Lieberman sei eine Stimme für den Satan. Die Zeitung "Jediot Ahronot" stellte ihre Berichterstattung denn auch unter die Schlagzeile "Politisches Durcheinander".

Livni dürfte kaum eine Mehrheit für ihre Position finden, jüdische Siedlungen im Westjordanland aufzugeben, um Frieden mit den Palästinensern zu schließen und ihnen einen eigenen Staat zu geben. Netanjahu hat stattdessen einen Ausbau der Siedlungen angekündigt. Der Friedensprozess würde in diesem Falle einen schweren Rückschlag erleiden. Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hat einen Siedlungsstopp zur Bedingung für künftige Verhandlungen mit Israel erhoben.