Bei der die Aufnahmeprüfung an der Stage School Hamburg geht es um Körperlichkeit und Stimme, nicht um Perfektion

Die Aufnahmeprüfung ist entscheidend für den Beginn der Drei-Sparten-Ausbildung an der Stage School Hamburg. Es geht dabei um Körperlichkeit und Stimme - nicht um Perfektion. Als erstes wird Tanz geprüft, dann folgt Gesang und schließlich Schauspiel.

An Prüfungstagen liegt regelrecht ein Knistern in der Luft. Immerhin bewerben sich an der Stage School Hamburg für die Drei-Sparten-Ausbildung zum Bühnendarsteller jährlich rund 800 hoffnungsvolle Talente auf 100 Plätze. Und entsprechend müssen die Kandidaten im Alter zwischen 16 und Mitte 20 auch in allen drei Kategorien überzeugen, in Tanz, Gesang und Schauspiel.

In Gruppen aufgeteilt beginnen die Ersten mit dem Warm-up, überprüfen ihre Bewegungen im großen Spiegel des Tanzsaals. Dann beginnt der "Trockendurchlauf" mit der für die Prüflinge gänzlich neuen Choreografie. Tanzdozentin Viviana Giusti gibt ihre Kommandos in Englisch, nicht ungewöhnlich beim international zusammengesetzten Dozententeam. Es läuft gut. Doch kaum startet die Musik, zeigen die Ersten Nerven. Die eben noch reibungslos sitzenden Schrittfolgen geraten aus dem Takt. Giusti versucht zu beruhigen. "Relax. It's fun!" Doch auch der zweite Versuch läuft nicht bei allen rund, und manche Gesichter zeigen eher Panik, als Spaß. Das darf nicht sein, schließlich gilt es jetzt, Bühnenpräsenz zu beweisen, da ist Lächeln Pflicht.

"Try to relax your face", versucht es Giusti erneut. Sie schart die Gruppe um sich und versucht ihnen deutlich zu machen, dass ein Patzer kein Weltuntergang ist. Doch wer aus Angst vor Fehlern nur mit halber Kraft tanze, könne unmöglich sein ganzes Potenzial ausschöpfen. Und sie verweist dann auch auf den Show-Aspekt: "You can be afraid. You can be tired. It doesn't matter, but: It mustn't show! I want to see only happy faces."

Glückliche Gesichter sind es dann vielleicht nicht gerade, die im Anschluss zu sehen sind, doch die meisten schaffen es, zwischen Drehungen und Sprüngen ein Lächeln in Richtung Jury zu schicken. Die erweist sich als weit weniger Furcht einflößend als erwartet. Wer ein wenig aus dem Schritt geraten ist, dem schenkt Jurorin Anja Launhardt ein aufmunterndes Lächeln. Perfektion in Schritt und Stimme verlangt sie nicht. "Ich achte darauf, wer wirklich Lust am Spiel hat. Ich will den Drang und den Mut für die Bühne spüren. Außerdem müssen Körperlichkeit und Stimme da sein. Und ich schaue immer etwas weiter: Kann ich mir vorstellen, dass dieser Mensch in einem künstlerischen Beruf erfolgreich ist?"

Als Nächstes steht Gesang auf dem Programm: zwei Songs aus dem Musical- oder dem Pop/Rock-Bereich. So reicht das Repertoire von Disney Songs über "Something's Coming" aus "West Side Story" bis zu einem sexy Vortrag aus "Cabaret". Einen kurzen Texthänger überspielt die Interpretin dabei ziemlich charmant. "Sorry", sagt sie kurz in Richtung Jury und gibt dem Pianisten das Zeichen für ihren erneuten Einsatz. Das kommt schon ziemlich professionell rüber.

Ihre Nachfolgerin dagegen gibt ein bisschen zu viel. Bei "Ich gehöre nur mir" aus dem Musical "Elisabeth" übermannen sie die Emotionen. Die aufsteigenden Tränen schnüren ihr den Hals zu, nichts geht mehr. Fassungslos sitzt sie auf der Bank, während die Nächsten antreten, schüttelt immer wieder ungläubig den Kopf. Diesen dünnen Grat zu meistern, Emotionen überzeugend darzubieten ohne ihnen zu erliegen, wird Teil der dreijährigen Ausbildung zum Bühnendarsteller sein.

Im dritten Teil, dem Schauspiel, nehmen die Hänger zu. Inzwischen liegen mehrere Stunden hinter den Kandidaten, und nicht jeder hat seine Nerven noch ganz im Griff. So kann eine tragische Szene aus Schillers "Räuber" nicht recht wirken, weil der hoffnungsvolle Jungmime von einem kurzen Lachanfall geschüttelt wird. Die Jury quittiert es mit einem milden Lächeln, zumal er sich schnell wieder fängt. Doch anscheinend hat dieser "Ausfall" seine Nachfolgerin eingeschüchtert. Zwar meistert sie konzentriert ihren Monolog aus "Ganze Tage, ganze Nächte" einem Stück nach Xavier Durringer, doch sie verzichtet dabei fast komplett auf Mimik und Gestik. "Ein typischer Anfängerfehler", weiß Launhardt und gibt ihr die Chance zur Wiederholung.

Prüfungen sind immer Ausnahmesituationen, das ist auch Launhardt und ihren Kollegen klar. Deshalb gibt es die Alternative eines mehrtägigen Intensiv-Workshops, der auf Wunsch als Aufnahmeprüfung gewertet werden kann. "Bei uns laufen inzwischen die meisten Anmeldungen über diese Workshops", erklärt Kim Moke, Inhaberin der Stage School. "Auf diese Weise können sich die Teilnehmer einen Eindruck von unserer Arbeit verschaffen, und auch wir können uns ein umfassendes Bild machen. Talent, Präsenz und Energie lassen sich so viel besser einschätzen, und beide Seiten wissen, worauf sie sich einlassen."