Nachtschichten sind nur eine Facette einer Lehre im Bäckereihandwerk. Gefragt sind außerdem Teamfähigkeit und Kreativität beim Backen.

Der Arbeitstag von Allaatin Yilmaz beginnt kurz nach Mitternacht. Dann macht sich der Bäckergeselle in der Backstube von Springer Bio-Backwaren in Hamburg-Wandsbek ans Werk. Gemeinsam mit acht Kollegen und einem Lehrling knetet und veredelt er verschiedene Teigsorten zu den Backspezialitäten des Hauses. Dazu zählen Misch,- Fein- und Schwarzbrot, Schrippen, Ammerländer und Holsteinische Brötchen. Um spätestens halb sechs wird die Ware abgeholt und in die acht Filialen gefahren. "Danach setzten wir die Teige für den nächsten Tag an, gegen 10 Uhr bin ich wieder zu Hause ", sagt Allaatin Yilmaz.

Der gebürtige Türke hat seinen "Traumjob" gefunden. Die Arbeit mit verschiedenen Teig- und Getreidesorten, sagt er, sei "kreativ". "Damit lassen sich alle möglichen Brotsorten zaubern." Am Ende seiner Schicht sehe er, was er geschafft habe, sei zufrieden mit sich. "Das Tolle ist, dass ich einen großen Teil des Tages mit meinen drei kleinen Kindern und meiner Frau verbringen kann, bevor ich mich am späten Nachmittag aufs Ohr lege." Klar sei der "Rhythmus etwas durcheinander", aber am Wochenende könne er sich dafür richtig ausschlafen.

+++Mit Laib und Seele: Das Bäckerei-Handwerk+++

Rund 60 Bäckereien versorgen die Hamburger mit Kuchen, Brot und Brötchen, 34 der Betriebe sind in der Bäckerinnung organisiert. Die Zahl der Gesellenprüfungen allerdings ist seit Jahren rückläufig. Wurden 2010 noch 29 Bäcker "freigesprochen" waren es im vergangenen Jahr nur noch 20. In diesem Jahr rechnet die Bäcker- und Konditorenvereinigung Nord nur mit rund 15 erfolgreichen Absolventen.

Jan-Henning Körner, Obermeister der Bäckerinnung sagt: "Der Bedarf an Lehrlingen ist derzeit größer als das Angebot." Das bestätigt Verbandsgeschäftsführer Heinz Essel: "Zurzeit haben wir erst zehn Anmeldungen für dieses Jahr, 2011 lagen uns 38 Ausbildungsverträge vor." Besonders die Nachtarbeit schrecke viele Interessierte ab. Dabei gebe es durchaus flexible Schichten, sagt Körner. "Einige fangen nachmittags um fünf Uhr an und arbeiten bis kurz nach Mitternacht. In großen Betrieben wird in drei Schichten rund um die Uhr gebacken. Da kann man nicht mehr von reiner Nachtarbeit reden."

+++Brot für die Welt+++

Dabei bietet das Bäckerhandwerk beste Perspektiven. Allaatin Yilmaz kam vor vier Jahren mit Frau und zwei Kindern aus der Türkei nach Deutschland. Im Rahmen des Hamburger Ausbildungsprogramms begann er seine Ausbildung in der Lehrbackstube der Innung. Dort kam er als Praktikant in Kontakt mit seinem späteren Arbeitgeber, der ihm ein Ausbildungsverhältnis anbot. Vor zwei Jahren schloss er - nach verkürzter Lehrzeit - seine Gesellenprüfung ab. "Dieser Weg war eine große Chance für mich, weil ich trotz schlechter Deutschkenntnisse eine Ausbildung machen konnte", sagt Allaatin Yilmaz.

Während der dualen Ausbildung produzieren die Bäckerlehrlinge nicht nur verschiedene Brotsorten und Kleingebäck, sondern auch Torten, Süßspeisen und Desserts. Außerdem beschäftigen sich die Lehrlinge auch mit Fragen des Betriebslaufs und der Arbeitsorganisation. Für Gesellen eröffnen sich nach erfolgreichem Abschluss der Meisterschule weitere Karrieremöglichkeiten.

+++Michael Isensee nimmt Brötchen aufs Korn+++

Bei Florian Hinz, 18, hat das Schicksal die Weichen neu gestellt. Bei dem Lehrling von Jan-Henning Körner ist erst vor kurzer Zeit eine Mehlallergie diagnostiziert worden. Da sich für ihn der Dienst in der Backstube damit erledigt hat, schließt er nach bestandener Gesellenprüfung sofort den achtmonatigen Meisterlehrgang an. Da seine mittlere Reife in Kombination mit bestandener Meisterprüfung dem Abitur gleichgestellt ist, kann er anschließend die akademische Laufbahn einschlagen. "Ich will Lebensmitteltechnik studieren und danach bei der Gewerbeaufsicht anfangen", sagt Florian.

Allaatin Yilmaz dagegen träumt von der Selbstständigkeit, will irgendwann "eine eigene Backstube aufmachen". Sein Chef, Bäckermeister Wolfgang Springer, traut seinem Gesellen zu, seine Ausbildung irgendwann mit einem Meisterbrief zu krönen. "Er ist ein kluger Mann, der auch schwierigste Aufgaben zuverlässig und gewissenhaft erfüllt. Er hat auf jeden Fall das Zeug, diesen Weg zu gehen."